Über Perspektiven

Markus Oess, ©FT

Müssen wir bald ein neues Wort lernen, wenn wir über das bevölkerungsreichste Land der Welt sprechen? In Indien wird spekuliert, ob die Regierung von Premier Narendra Modi das Land offiziell in „Bharat“ umbenennen will. Auslöser war eine Einladung zum Staatsbankett beim G20-Gipfel, bei der Präsidentin Draupadi Murmu als „President of Bharat“ vorgestellt wurde. „Bharat“ wird in der Verfassung Indiens als Synonym verwendet und auch in der Bevölkerung häufig benutzt. Man sagt, die hindunationalistische Regierung wolle den Namen ändern, um sich von der einstigen Herrschaft der Briten zu distanzieren, da diese den amtlichen Namen „Indien“ populär gemacht hätten, weshalb er ein Symbol der Sklaverei sei. Da ist abseits aller möglichen Spekulationen über die Änderungsmotive natürlich etwas dran. Indien wird für deutsche Exporteure zusehends als Alternative zum chinesischen Markt gesehen – meint zumindest die Deutsche Welle. Für die Bekleidungsindustrie gilt das eher sehr begrenzt. Tatsächlich legen die Importzahlen aus dem Land zu. Nur, dabei stechen Mineralölprodukte besonders hervor. Es ist wohl russisches Öl, das über Indien nach Deutschland kommt, wird vermutet. Ohne nun die Moral allzu sehr zu strapazieren, lässt sich feststellen, dass es mit dem Embargo von russischem Öl so eine Sache ist – für Indien, das seinen eigenen Kurs durch die weltpolitische Gemengelage fährt, aber auch für Deutschland. Der Bundesregierung dürften diese Zahlen nur schwerlich entgangen sein …

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Perspektivenwechsel. Mein Kollege Maximilian Fuchs betrachtet Indien als Zukunftsmarkt, als mögliche Chance. Max ist ziemlich gespannt, was die kommenden Jahre bringen werden. Zu Recht, dennoch werden wir die Antwort darauf nur grob geben können. Wir sollten uns verabschieden von der eurozentristischen Perspektive, der Rest der Welt tut es sowieso. Europa und natürlich auch Deutschland sind interessant für viele Länder der Welt; solange ein Nutzenversprechen existiert, verpufft dieses, verpufft auch das Interesse an der EU – und oder auch an Deutschland. Das ist nebenbei gesagt auch nicht weiter tragisch, sondern Ausdruck der Tradition der sogenannten westlichen Welt. Es funktioniert dummerweise auch umgekehrt.

Aber neben der Tatsache, dass Indien und sein Premier Narendra Modi dank des G20-Gipfels die aktuellen Schlagzeilen beherrschen, bleiben wir in der Branche. Wir haben uns mit der Situation der Textilarbeiterinnen und -arbeiter auseinandergesetzt. Wir werfen einen Blick auf indisches Design, das abseits der traditionellen Werte und Bollywood doch auch ziemlich westlich daherkommen kann. Wir analysieren den größten indischen Retailer, Reliance Industries Limited. Wir haben einen sehr lesenswerten Comic mit und über Karl Lagerfeld entdeckt und in der Ausgabe dreht es sich natürlich auch um Musik. Selbst in politisch bewegten Zeiten sollten wir für die schönen Dinge der Welt Zeit haben. Klicken Sie mal rein!

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Ihr

Markus Oess