Autor: Andreas GrüterDer Designer Ujjawal Dubey hat sein Label Antar-Agni 2014 gegründet und gehört zu einer Riege junger indischer Modeschöpfer, die die traditionelle textile Handwerkskunst ihrer Heimat mit Einflüssen westlicher Fashion fusionieren. Wir haben uns mit ihm über die Bewahrung kultureller Eigenheit in Zeiten der Globalisierung, über den Wandel in der indischen Gesellschaft und die Chancen indischer Mode auf dem internationalen Markt unterhalten.
FT: Indien ist weltweit für seine hochwertigen Stoffe und seine Produktionsstätten für Bekleidung bekannt. Gleichzeitig tauchen indische Modelabels im Westen kaum auf. Was, denkst du, ist der Grund dafür?
Ujjawal Dubey: „Indien hatte schon immer seine ganz eigenen Haltungen, Sichtweisen und Ästhetiken. Die Menschen, die sich in Indien wirklich intensiv mit Textilien auseinandersetzen, sind Puristen. Für sie ist das Textilhandwerk eine Religion, es ist Bhakti („Die liebevolle Zuwendung“ – ein Hindi-Begriff, der eine emotionale Bindung zwischen Menschen und Gott kennzeichnet und zugleich die intellektuelle Suche nach erlösendem Wissen umfasst/Anm. d. Verf.). Die Textilbranche ist eines der wirtschaftlichen Herzstücke unseres Landes und steht nicht nur für florierende Industrien. Dank ihrer Qualität hat sie auch international viele Liebhaber gewonnen. Doch wie bereits erwähnt war Indien schon immer sehr individualistisch und hat sich nie wirklich selbst vermarktet. Wir hatten einfach immer die richtigen Produzenten und Konsumenten im Land, was keineswegs bedeutet, dass wir nicht internationaler werden wollen. Allerdings stimmen indische und westliche Vorstellungen nicht immer überein. Doch die Zeiten ändern sich, der Westen wird offener – und so finden auch immer mehr indische Labels Anerkennung auf westlichen Märkten. Außerdem ist Indien selbst natürlich ein großartiger Markt und hat internationale Marken in das Land gezogen.“
Gibt es Anzeichen dafür, dass die neue indische Mode international an Schwung gewinnt?
„Definitiv. Viele Labels fassen derzeit international Fuß und zeigen ihre Entwürfe auf Laufstegen und Modemessen in aller Welt. Die Tatsache, dass indische Designer mehrfach den International Woolmark Prize gewinnen konnten, oder auch, dass sie in letzter Zeit einige internationale Ikonen bei Veranstaltungen eingekleidet haben, hat deutliche Zeichen in der Modewelt gesetzt.“
Viele der indischen Labels, die ich interessant finde, sind in den 2000er Jahren entstanden. Gab es in dieser Zeit einen signifikanten Generationswechsel oder ist das eher ein Zufall?
„Indien erlebte in den frühen 90er Jahren einen gewaltigen Wirtschaftswandel, der auch drastische Veränderungen in der gesamten Gesellschaft mit sich brachte und das Land letztlich für die westliche Welt öffnete. Das wiederum führte dazu, dass sich ganz neue Geschäftsfelder auftaten und mithin das Selbstbewusstsein in Bezug auf die eigene Kunst, Kultur und auch Mode wuchs. Die meisten Designer, die ihre Marken in den 2000er Jahren gegründet haben, sind in den 80er Jahren aufgewachsen und haben diese Entwicklung miterlebt.“
Wie ist dein Label Antar-Agni („Das innere Feuer“) entstanden und wofür brennst du?
„Was sind wir schon ohne das innere Feuer? Antar-Agni ist das Resultat meiner Auseinandersetzung mit dem menschlichen Selbst, den emotionalen Wellen, dem Verhalten, der Psychologie und der permanenten Veränderung der Denkweise durch äußere und innere Faktoren. Feuer ist die Energie, die für ständige Transformation steht, und Veränderung ist, wie man sagt, die einzige Konstante. Ich bin eine ruhelose Seele und es ist dieses Feuer, das mich am Laufen hält.“
Deine Entwürfe balancieren ziemlich souverän zwischen den Welten und verschmelzen indische mit westlichen Stilen. Nähern sich die beiden Kulturen auch im Allgemeinen an?
„Im Zuge der Globalisierung überschneiden sich die Welten immer mehr. Indien hat es geschafft, seine kulturelle Eigenständigkeit zu bewahren und dabei gleichzeitig Einflüsse des Westens zu integrieren. Ich bin in einer kleinen, sehr traditionellen Stadt aufgewachsen, hatte aber immer einen neugierigen Blick auf das Neue und Moderne. Alles, was ich gestalte, ist von diesen beiden Welten geprägt.“
In einem Interview hast du über deine Liebe zur Architektur gesprochen und darüber, dass du dich nicht wirklich als Designer siehst, obwohl du Textildesign studiert hast. Was treibt dich an und was inspiriert dich?
„Ich betrachte mich in erster Linie als Designenthusiasten, dessen Produkt zufällig Kleidung und damit Mode ist. Und Architektur hat einen wichtigen Einfluss auf meine Arbeit. Ich sehe die Welt durch eine sehr technische Linse. Es sind Bauwerke wie Brücken und Wolkenkratzer, aber auch kleine lokale Entwicklungen, die mich in Ehrfurcht versetzen und inspirieren. Ich will mit dem Leben fließen und Dingen, die mir begegnen, eine neue Form geben, ohne dass sie dabei ihre ursprünglichen Eigenschaften verlieren.“
Ein Blick in die Zukunft. In welche Richtung wird sich die indische Mode entwickeln?
„Wie jede Branche in Indien wächst auch die Mode schnell. Die Menschen haben heutzutage ein auskömmliches Einkommen und legen Wert darauf, sich selbst auszudrücken. Der Wunsch nach mehr Individualität führt wie selbstverständlich zu einem erhöhten Interesse an Fashion. Ich bin mir sicher, dass Mode made in India in absehbarer Zeit auch international für Furore sorgen wird.“