Die neue Bedeutung von Langsamkeit

Slowear

Langfristige Entwicklung: Geld wurde gegeben. Jetzt geht es ums Machen. alle Bilder ©Slowear

Autor: Markus Oess
Mit frischem Geld und neuem CEO soll das italienische Unternehmen Slowear nachhaltig auf Wachstumskurs gebracht werden. Nachdem der Nachfolger des verstorbenen Unternehmensgründers und CEOs Roberto Compagno, der ehemalige Finanzchef Marco Bernardini in der Pandemie glücklos agierte, holte man Piero Braga von Gucci. Er möchte zunächst neue Ordnung ins Unternehmen bringen und mit der Stärkung der Marken das Fundament für die Expansion schaffen. Der eigene Retail soll unterdessen konsolidiert werden. Wir haben mit Piero Braga gesprochen.  

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Unser Wachstumsfokus liegt klar auf dem Wholesale und dort bei den großen Department Stores wie Breuninger, LODENFREY, BRAUN oder KaDeWe.“ Piero Praga, CEO Slowear.

Geld wurde gegeben. Jetzt geht es ums Machen. NUO Capital, die inzwischen die Mehrheit an dem italienischen Unternehmen Slowear hält, hat frisches Kapital zugeschossen. Aber auch die übrigen Aktionäre hatten nochmals die Geldschatulle geöffnet, um das Unternehmen zu stärken. „NUO Capital will Slowear langfristig entwickeln. Das ist die Botschaft dahinter. Dass alle Aktionäre das Kapital erhöht haben, zeigt, dass sie nach wie vor fest an das Wachstumspotenzial glauben. Mir geht es darum, Slowear als Dachmarke im Markt zu festigen, in dem die einzelnen Marken auch unabhängig voneinander agieren können. Wir müssen wieder mehr Struktur ins Unternehmen bringen und es besser ordnen“, sagt Piero Braga.  

Der neue Slowear-CEO kommt von Gucci und folgt auf Marco Bernardini, der während der Pandemie glücklos blieb. Der eigene Retail litt wie überall unter den Folgen, die COVID-19 nach sich gezogen hatte. Aktuell verteilt sich der Umsatz von Slowear 50 zu 50 auf Wholesale und Own Retail, also eigene Läden (unter anderem in Hamburg und München) und E-Commerce. Die Franchise-Läden zählt das Unternehmen zum Wholesale. „Wir wollen langfristig wachsen, mit den Marken und auch mit unseren eigenen Läden. Zunächst aber haben die Marken Vorrang. In der Pandemie hat der stationäre Handel gelitten, auch wir mit unseren eigenen Filialen. Strategisch noch wichtiger ist es, die Marken wieder so in die Wachstumslinie zu führen, dass wir damit auch finanziell die weitere Expansion absichern können“, sagt Braga. „Das wird ein, zwei Jahre dauern, bevor wir dann auch mit den Läden wieder nach vorne gehen können. Unser Wachstumsfokus liegt klar auf dem Wholesale und dort bei den großen Department Stores wie Breuninger, LODENFREY, BRAUN oder KaDeWe. In einem zweiten Schritt wollen wir dann auch bei den kleineren Händlern gezielt expandieren. Aktuell beliefern wir weltweit rund 500 Türen. Wir haben also noch einiges an Potenzial.“ 

Im Jahr 2022 haben die Italiener einen Umsatz von rund 43 Millionen Euro erwirtschaftet. Für dieses Jahr peilt Braga 50 Millionen Euro an. Das entspricht einem zweistelligen Wachstum. „Slowear ist ein Mittelständler durch und durch. Wenn wir größer werden wollen, geht das nur Schritt für Schritt“, betont Braga weiter. Kunden können die Slowear-Marken im festen Showroom in Mailand sichten. Außerdem war Slowear mit Incotex auf der Pitti Uomo vertreten und hat dort unter anderem den ersten Anzug der Denim-Marke vorgestellt.  

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Konzept statt Marke

Braga will an dem Grundsatz der Unternehmensgründer festhalten. „Mit unseren Marken haben wir eine recht breite Basis geschaffen. Slowear ist dabei keine Modemarke, vielmehr ein Konzept, eine Idee, die der Gesellschaft eine Brücke hin zur Nachhaltigkeit bauen soll. Incotex, Zanone, Montedoro und Glanshirt sind allesamt führende Spezialisten ihres Fachs. Egal, ob Jeans, Strick, Hemden oder Sakkos/Outdoor im Fokus stehen – die Marken haben eine enge Verbindung zueinander. Sie eint das Verständnis für klassische, unaufgeregte Mode mit hoher Qualität. Wir wollen und müssen auch die Markenkraft stärken und dann als offene Plattform mit Slowear dem Handel wie dem Endkunden passgerechte Angebote machen. Das ist unser Verständnis von einem Total Look.“  

Dabei bescheinigt der Manager jeder einzelnen Brand eine starke Heritage, „eine lange Geschichte von Kompetenz und Stil, die über die Zeit hinausgeht“, wie er sagt. An den Marken selbst hatte er demzufolge auch nur wenig zu ändern: „Es waren nicht viele Korrekturen nötig, sie haben alle Zutaten in ihrer Marken- und Stil-DNA. Aber sicherlich war eine stärkere Koordination zwischen ihnen erforderlich. Wir konzipieren sie jetzt aus einer ganzheitlichen Sichtweise heraus und nicht nur aus einer einzigen Marken- und Produktvision. Mit der Saison H/W 2024 beginnen wir, diese neue Vision zu verwirklichen, von der ich sicher bin, dass sie unseren Geschäften, unseren Partnern und letztendlich unseren Endverbrauchern zugutekommt, da diese eine klar ersichtliche Verbindung zwischen den vier Marken der Gruppe vorfinden werden“, sagt Braga. „Wir haben auch keine Berührungsängste mit anderen Marken, die der gleichen Idee verpflichtet sind. So haben wir unter anderem auch schon mit Konkurrenten wie Aspesi, North Sails oder SEBAGO zusammengearbeitet“, betont er noch. 

Ein Look …

Nachhaltigkeit ist einer der strategischen Grundpfeiler des Unternehmens. Slowear versteht Nachhaltigkeit im Sinne von zeitloser Qualität, als klares Statement gegen Fast Fashion. Im Einkauf durch die Selbstverpflichtung, die sich durch den Status einer Benefit Company in Italien ergibt. Außerdem hat das Management eigens die Position eines ESC-Managers geschaffen. „Nachhaltigkeit ist keine Zeitpunktbetrachtung. Wir können keinen Schalter umlegen, wir müssen uns entwickeln. Das nächste große Ziel dabei ist die Zertifizierung als B-Corp“, sagt Braga. 

.. vier Marken 

Hintergrund 

Der im Herbst 2021 verstorbene Gründer von Slowear, Roberto Compagno, hat die vier Produktmarken Incotex (Jeans, Gründung 1951), Zanone (Strick, Gründung 1984), Montedoro (Outerwear, Gründung 1958) und Glanshirt (Hemden, Gründung 1960) auf eine Plattform gestellt. Es ging Compagno auch darum, der Fast Fashion mit den vier Marken, die allesamt qualitativ hochwertige, klassische italienische Mode verkörpern, entgegenzutreten und einen Kontrapunkt zu setzen. Neben dem Wholesale gibt es in vier Kontinenten auch mehr als 30 eigene Läden, die neben den genannten Marken auch fremde Brands vertreiben, unter anderem in Mailand, Paris, London und Tokio. Seit 2018 ist die Private-Equity-Gesellschaft NUO Capital an Slowear beteiligt. Sie hat Kapital zugeschossen und hält nun die Mehrheit am Unternehmen. Neu im Aufsichtsrat sind neben den bestehenden Mitgliedern, dem Vorsitzenden Paolo Ferrin, Giorgio Delpiano und Stefano Sassi, CEO Piero Braga und Monica Marsilli, die Erfahrungen im Einkauf und im Merchandising mitbringt und für Gucci und Rinascente gearbeitet hat.