Autor: Markus OessEs gibt nicht eben viele Unternehmen, die auf eine einhundertjährige Geschichte zurückblicken können, in der Textilbranche allemal nicht. Umso bemerkenswerter, dass die Bielefelder Verbundgruppe KATAG AG in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen feiert. 23 Jahre davon fallen unter die Regie von Dr. Daniel Terberger. Der KATAG-Chef über die aktuelle Geschäftslage, das Jubiläum und was ihn als Sprachrohr des mittelständischen Modehandels derzeit am meisten umtreibt.
FT: Herr Terberger, als Sie vor 23 Jahren den Posten als KATAG-Chef antraten, was war Ihre größte Erwartung, was Ihre größte Sorge?
Dr. Daniel Terberger: „Meine größte Erwartung war, und die hat sich auch bewahrheitet, zu gestalten, genauer gesagt, unternehmerisch mit sozialer Verantwortung zu gestalten. Und dabei die Ergebnisse auch unmittelbar im eigenen Unternehmen sehen und erleben zu können. Das gilt natürlich auch noch heute. Meine größte Befürchtung war – und auch die sollte sich bewahrheiten –, dass gerade der Mittelstand im Bekleidungshandel große strukturelle Veränderungen und Herausforderungen bewältigen musste und immer wieder muss. Das kostet leider auch Marktanteile. Aber: Ob Sie nun den Preiskampf von KARSTADT seinerzeit nehmen, die Eroberungspläne von Marks & Spencer oder den Siegeszug von amazon und den anderen reinen Onlinehändlern, es ist gerade der Mittelstand, der sich mit viel Mut, Widerstandsfähigkeit, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit immer wieder neu erfunden hat und gestärkt aus der Krise hervorgegangen ist. Heute würde man wohl von einer hohen Resilienz des Mittelstands sprechen.“
Wie fühlt es sich an, wenn das eigene Unternehmen 100-Jähriges feiert – mehr Zukunft oder mehr Verpflichtung?
„Es ist schon mehr Zukunft. Ich bin durchaus stolz auf die Leistungsstärke der KATAG, ihre Zukunftsfähigkeit. Aber auch das gehört zur Wahrheit: Sie wäre nicht möglich ohne ein tolles Team, loyale, verlässliche Lieferanten und treue Partner, die alle mit uns einen gemeinsamen Weg gehen. Ganz egal, ob der Ukrainekrieg heute mit all seinen schrecklichen humanitären Folgen und den wirtschaftlichen Problemen aus diesem Konflikt oder etwa die Lehman-Pleite im September 2008 mit dem damaligen Zusammenbruch der Finanzwelt. Wir können Krise, sie treibt uns sogar an.“
Wie sieht es aktuell aus, welche Themen treiben Sie derzeit um?
„Wenn wir von den großen Themen sprechen, ist das in erster Linie das Sterben der Innenstädte, ihre Verödung. Schon im Mittelalter war der freie Handel, das Unternehmertum das Lebenselixier der Städte. Er hat die Stadt und die Menschen, die darin leben, ernährt. Heute muss ich konstatieren, dass bei dem Niedergang oftmals hilf- und ratlos zugeschaut wird, statt tatkräftig dem innerstädtischen Handel Luft unter die Flügel zu bringen. Damit meine ich insbesondere auch Versäumnisse der Kommunalpolitik. Offen gestanden wünsche ich mir hier auch mehr Realismus. Natürlich prägt die Kultur die Stadt, aber nicht jede mittelgroße Ansiedlung in Deutschland muss sich jetzt zur Kulturhauptstadt der Republik erklären. Der größte Teil der Deutschen lebt in Städten wie Landshut oder Husum und nicht in Berlin und Hamburg oder Köln. Und hier haben wir andere Probleme zu lösen: Es geht um die verkehrstechnische Infrastruktur, wie kommen die Menschen zum Einkaufen in die Stadt und welche Angebote sind zwingend für sie? Es geht aber auch um die Entlastung der Unternehmer, der Händler vor Ort. Das fängt bei einfachen Genehmigungsverfahren an und endet beim lokalen Hebesatz der Gewerbesteuer. Hier sehe ich die meisten Probleme und hier will ich mich im Interesse des Mittelstandes besonders engagieren, um die Dinge zum Besseren zu wenden.“
Sie haben den CDU-Chef Friedrich Merz als Keynote Speaker eingeladen, er sitzt aber nicht im Kanzleramt. Wäre Herr Scholz ein Kandidat für die Cheftagung und was würden Sie ihm als wichtigste Botschaft mit auf den Weg geben?
„Natürlich würde ich mich auch über einen Gesprächspartner Olaf Scholz sehr freuen. Meine Botschaft wären zwei Dinge: Zum einen sollten wir damit aufhören, Wohlstand zu verteilen, und wieder anfangen, Wohlstand zu schaffen. Das andere: Herr Scholz hatte im Wahlkampf viel von Respekt gesprochen. Leider vermisse ich genau den gegenüber den mittelständischen Unternehmen, die unser Land wohlhabend gemacht und viele Arbeitsplätze geschaffen haben. Wir müssen einmal wieder durchatmen können, verschnaufen. Egal ob Sie das Lieferkettengesetz nehmen oder das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Ich werde das Gefühl nicht los, in Berlin herrscht die Meinung, Deutschland könne gerade im internationalen Vergleich bei der Belastung der mittelständischen Unternehmen ruhig noch eine Schippe draufpacken. Das Gegenteil ist der Fall: Wir brauchen Entlastung.“
Was hören Sie, wie läuft es aktuell bei den Mitgliedshäusern?
„Auch wenn die zurückliegenden Wochen nicht ganz so gut waren, sprechen wir doch in der Summe über ein zweistelliges Plus. Selbst wenn wir die Basiseffekte von Corona herausrechnen, ist das immer noch ein passables Ergebnis, wenn wir die aktuellen Krisen und die hohe Inflation dagegenhalten. Wir können auf diese Zahlen stolz sein, finde ich.“
Und bei der KATAG selbst?
„Uns geht es gut. Wir machen ein Umsatzplus und wir verdienen Geld. Wir können also auch ein fröhliches Jubiläumsjahr feiern. Wir gehen jetzt nicht voller Euphorie in den Angriff, aber wir wollen mit einer kontrollierten Offensive Tore schießen.“
Eine deutsche Messe ist in der augenblicklichen Situation schwierig, zumindest für den Mainstream. Wo gehen Sie hin, um sich zum Saisonauftakt umzusehen?
„Das ist leider tatsächlich ein Thema. Berlin und Florenz hängen von meinem Terminkalender ab, ob ich es schaffe, die Messen zu besuchen. Aber ich werde in Düsseldorf Partner und Lieferanten zu Arbeitsgesprächen treffen. Die NRW-Hauptstadt hat immer noch in Sachen Mode ihre Stärken.“
Wie wird die kommende Order wohl ausfallen, rechnen Sie mit einem Rückgang des Volumens oder kommt doch ein Plus heraus?
„Ich rechne damit, dass wir einen zufriedenstellenden Verlauf der kommenden Orderrunde erleben werden, kein Minus.“
Welche Marken machen derzeit einen guten Job und was macht sie so gut?
„Das ist kein Geheimnis. Das sind die Marken, die mit einem guten Produkt stark profiliert am Markt operieren. Die fair und verlässlich mit uns zusammenarbeiten, zuhören können und handeln. Und es sind schließlich die Industriepartner, die auch uns genügend Luft zum Atmen lassen und die Möglichkeit, Geld zu verdienen.“
Kommen wir nochmals auf das Jubiläum zurück. 100 Jahre nach vorne blicken wäre schon Science-Fiction, aber bleiben wir bei zehn Jahren. Was wird die Branche am meisten verändern und welche Marktposition beziehungsweise Aufgabe wird die KATAG haben?
„Es wird auch in zehn Jahren immer noch eines für uns bleiben: ein Haufen Arbeit und Disziplin. Themen wie KI, Fachkräftemangel oder sterbende Innenstädte werden uns ganz sicher umtreiben und die Welt und uns weiter verändern. Unsere Kernaufgabe, im Sinne des mittelständischen Handels ständig den Markt zu sondieren, Neues zu entdecken und die Marken auf der Liste zu halten, die bereit sind, mit uns gemeinsam profitabel wachsen zu wollen, wird bleiben. Das war vor KI so, das wird auch mit KI so bleiben. Und wie gesagt, bei allen Herausforderungen: Wir können Krise – auch in zehn Jahren.“
100 Jahre KATAG AG
Die KATAG hat auch ihre 68. Cheftagung in Bielefeld zum Anlass genommen, ihr 100. Firmenjubiläum zu feiern. Geladen waren wieder führende Vertreter aus Handel, Politik und Wirtschaft. Als Ehrengäste und Speaker begrüßte KATAG-Chef Dr. Daniel Terberger diesmal unter anderem Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU Deutschlands, MdB, sowie Alexander Otto, CEO der ECE-Gruppe, Vorsitzender der Geschäftsführung des größten Handelsflächenvermieters Europas und Aufsichtsrat der otto group. Außerdem nahm auch Dr. Biner Bähr (WHITE & CASE LLP), einer der prominentesten Insolvenzverwalter der Textil-Branche, teil. Traditionell klingt die Tagung in der Trendlocation „GlückundSeligkeit“ aus, wohin auch die Industrie eingeladen wird.
1923 gründet Benno Katz in Bielefeld die Katz Textil-Aktiengesellschaft. Im April wird eine eigene Wäschefabrik gegründet, deren Produkte mit dem Kürzel Katag versehen werden.
1928 Umbenennung in Katz & Michel Textil-Aktiengesellschaft.
1934 Nach dem Tod von Unternehmensgründer Benno Katz wird dessen Sohn Willi Katz Vorsitzender des Aufsichtsrats.
1937 Im Nationalsozialismus wird auch die Katz & Michel Textil-Aktiengesellschaft „arisiert“: Die jüdischen Gesellschafter verkaufen ihre Anteile an die Familie Banning-Berckemeyer-Terberger.
1948 Drei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist auch der Wiederaufbau der KATAG in vollem Gange. Es arbeiten bereits wieder 240 Beschäftigte und 100 Partner.
1970 Nach dem Tod von Wilhelm Terberger übernimmt dessen Neffe Hans-Hermann Terberger, der seit 1958 im Vorstand der KATAG ist, die Aufgabe des Vorstandssprechers.
1983 Hans-Hermann Terberger wechselt in den Aufsichtsrat. Karl-Heinz Manhardt wird Vorstandssprecher.
1994 Marcus Cremer führt die KATAG AG. Karl-Heinz Manhardt wechselt in den Aufsichtsrat. Hans-Hermann Terberger zieht sich aus dem Unternehmen zurück.