Autor: Markus OessIn der Westfield Mall of the Netherlands in Den Haag ist ein neues Nachhaltigkeitskonzept an den Start gegangen, das mit vielen Vorurteilen der Konsumentinnen und Konsumenten über fairen Handel aufräumen will. Seine Erfinder, Marjan Haselhoff und Wouter van der Leij, wollen das Konzept filialisieren, unter anderem auch in Deutschland. Wir haben Wouter im Store besucht und uns zeigen lassen, wie TOMO funktioniert.
„Die Forschung zeigt, dass 70 Prozent der Ware in der Modeindustrie nicht von den Verbraucherinnen und Verbrauchern gekauft werden, sondern einem anderen Zweck zugeführt, meistens aber weggeworfen werden“, ärgert sich Wouter van der Leij, Co-Founder von TOMO, beim Rundgang durch den Store mit FT. „Bekleidung wird im Durchschnitt nur siebenmal getragen. 90 Prozent der Mode werden im Sale gekauft und dann entscheidet der Preis, nicht der Bedarf oder der Geschmack. Textilberge werden oft in Asien und Afrika entsorgt. Dort wird Bekleidung bündelweise verkauft. Das kostet vielleicht 25 US-Dollar. Aber nur 20 bis 25 Prozent der Ware sind auch verkäuflich, der Rest wird einfach oft in die Natur entsorgt. Das alles ist nicht nachhaltig“, sagt der Niederländer. Und genau da setzt TOMO, ein neues nachhaltiges Einzelhandelskonzept, an. Unternehmensgründer sind Marjan Haselhoff und Wouter van der Leij. Das Sortiment managt Martiene Raven. Sie lebt in Berlin und übernimmt die Auswahl der Marken und Produkte sowie das Trendscouting.
Proof of concept
Zurück zum Laden, der in der angesagten Westfield Mall of the Netherlands in Den Haag beheimatet ist. TOMO wurde dort am 17. März 2023 eröffnet. Zuvor prüften die beiden Geschäftspartner im November 2022 in Amsterdam das Konzept drei Tage in einem Pop up. „Vor wenigen Wochen waren wir noch eine Power Point Präsentation. Hier in der Mall sind führende Fashion-Anbieter und konventionelle Modemarken vertreten. Wenn wir in der Höhle des Löwen bestehen, bestehen wir überall”, sagt Wouter. Unter anderem hat sich hier auch der spanische Fast Fashion Gigant Inditex eingemietet. Der Store verfügt über eine Verkaufsfläche von 1.000 Quadratmetern, die sich über zwei Etagen erstreckt. Das Sortiment besteht aus gut 90 Marken (u.a. LangerChen, DEDICATED oder MUD JEANS). 75 Prozent sind Mode, davon wiederum 75 Womens- und 25 Prozent Menswear. Abseits davon sind viele Teile sowieso genderless. 25 Prozent des Sortimentes sind Lifestyle-Produkte wie Sonnenbrillen, Living- sowie Kosmetik-Produkte. Zur Überprüfung, wie nachhaltig die Ware auf Produktebene einiger Marken ist, nutzt TOMO die Blockchain-Technologie von Retrace, einem deutschen Unternehmen.
Das Unternehmen verzichtet bewusst auf einen Sale und steuert den Einkauf anders als üblich. „Wir wollen weg von der klassischen Vororder, bei der auf Verdacht viel zu viel produziert wird, hin zu einer nachfrageorientierten Versorgung“, erklärt Wouter. Die Vororder selbst läuft breit, nicht tief, um am Markt testen zu können, was die Kundschaft kauft und was nicht, und um ein abwechslungsreiches Sortiment anbieten zu können. Dabei nimmt das Unternehmen das Risiko in Kauf, zu wenig geordert zu haben, und bedient sich in dem Fall aus den Angeboten des Marktes. Die Zielgruppe trägt gerne schöne Mode und legt Wert auf Nachhaltigkeit. „In den Niederlanden denken die Menschen, nachhaltige Produkte seien teuer. Das ist nicht der Fall. Wir verkaufen Produkte in verschiedenen Preisklassen, wie zum Beispiel Sommerkleider für 99,95 Euro, Polos für 49,95 und Sneakers für 133,95 Euro bis 225,95 Euro, in der Spitze mal für 275 Euro“, betont Wouter. Es wird auch Secondhand-Mode in Kooperation mit THENEXTCLOSET und bald auch Secondhand Living zusammen mit whoppah angeboten. Außerdem wird Kleidung vermietet. Die Kundinnen und Kunden können auch ihre Wasserflasche kostenlos auffüllen. Eine Kooperation mit dopper. Im Mai wird eine Refill-Station für Kosmetik installiert. Partner hier ist HAAN Ready, ein spanischer Anbieter, der TOMO künftig auch als Teststore nutzen will. „Wir verstehen uns als Partner für unsere Lieferanten und wollen ihnen auch den Raum geben, mehr über ihre Kunden direkt am Point of Sale zu erfahren“, erklärt Wouter.
Auch die Ladengestaltung ist so nachhaltig gestaltet, wie es derzeit geht. Rund 95 Prozent der Einrichtung bestehen aus nachhaltigen und kreislauffähigen Materialien. Darüber informiert eine Schautafel im hinteren Bereich neben den Umkleidekabinen. Die Leuchten wurden im 3-D-Druck aus recycelten Materialien gefertigt. Das Holz ist wiederverwertet und der Stahl wurde zu 60 Prozent ebenfalls recycelt. Ein gern genutztes Detail: In den Umkleidekabinen werden drei Lichtvarianten angeboten: Tageslicht, normale Innenbeleuchtung und abends beim Ausgehen.
Nur nicht belehren
Die Kundschaft kann Punkte sammeln, die Vorteile bringen, aber keinen Discount, unter anderem, wenn sie Artikel zum Recycling am „Drop & Loop“-Automaten zurückgibt oder wenn sie die Tragetasche später wieder zurückbringt. Bons werden nicht mehr gedruckt, sondern per Mail verschickt. Das habe auch den Vorteil, direkt die Kundinnen und Kunden einzuladen, ins Loyalty Program einzusteigen, meint Wouter, der auch B2B-Events für Firmen veranstaltet, bei denen TOMO Mitarbeiter über Nachhaltigkeit aufklärt und Stilberatung anbietet.
„Wir wollen begeistern, nicht belehren. Wir blicken optimistisch nach vorn. Deswegen arbeiten wir mit fröhlichen, bunten Farben bei unserem Auftritt“, führt Wouter noch aus. „Alle acht Wochen wird der Laden umgestaltet, um die Neugierde, das Interesse der Kunden hochzuhalten. Veränderung ist unser Konzept.“ Im Store arbeiten 32 Menschen. Dazu kommen sechs Mitarbeitende im Headoffice. Aber bei einem Standort soll es nicht bleiben. TOMO soll filialisiert werden. Geplant sind in den kommenden fünf Jahren wenigstens fünf weitere Standorte. Zwei in Deutschland und drei in den Niederlanden. Derzeit laufen bereits Gespräche mit UNIBAIL-RODAMCO-WESTFIELD, um in Hamburg zu eröffnen, ebenso wie in Dänemark.