Die Jeansmacher

Blaumann

„Wir sind sicher ein Label von Spezialisten, aber nicht für Spezialisten, sondern eher für Nerds." Guido Wetzels ©Blaumann

Autor: Andreas Grüter
Von der robusten Arbeitshose zum fragilen Lifestyle-Item – die Jeans hat in den letzten 150 Jahren eine erstaunliche Wandlung vollzogen und dabei große Teile ihrer blauen Seele verloren. Wir haben uns mit Guido Wetzels, zusammen mit Christian Hampel Betreiber von Blaumann-Jeanshosen, darüber unterhalten, wie man ihr wieder Leben einhauchen kann und welche Rolle Spezialisten dabei spielen.

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Was macht für dich Spezialistentum aus und warum sind Spezialisten wichtig?
Guido Wetzels: „Es ist immer wichtig, Leute zu haben, die Dinge bis ins Detail kennen. Verzichtet man darauf, geht Wissen komplett verloren. Das sieht man gerade ja exemplarisch in großen Teilen der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie. Es gibt in Betrieben beispielsweise häufig niemanden mehr, der weiß, wie richtig genäht wird. Stattdessen wird zusammengestückelt und weil das natürlich nicht wirklich klappt, wird ausgelagert. Man braucht Spezialisten, um ein Handwerk überhaupt aufrechtzuerhalten.“

Ihr produziert ausschließlich in Deutschland. Wie schwierig ist es, hierfür die richtigen Partner zu finden?
„Wir arbeiten aktuell mit einem Schnittmacher und zwei Konfektionären zusammen und sind mit weiteren im Gespräch, um die Stückzahlen zu erhöhen. Bei unserer Suche fällt uns immer wieder auf, wie sehr es an Know-how fehlt. Wenn man keine Ahnung hat, wofür beispielsweise Kettstiche und Kappnähte gut sind, kauft man nicht mehr die passenden Maschinen und wenn die passenden Maschinen fehlen, bekommt so eine Jeans eben nur noch die Basicnähte und weil das natürlich nicht so richtig funktioniert, wird schließlich alles ins Ausland verschoben. Eine Entwicklung, die ich seit den neunziger Jahren beobachte.“

Gilt der Mangel an Spezialisten nur für Deutschland oder ist das ein gesamteuropäisches Problem?
„Italien, die Türkei oder Portugal sind gut aufgestellt, weil sie ihre Textil- und Bekleidungsindustrie nie haben sterben lassen. Die können nach wie vor alles. Danach wird’s dann aber schon schwierig. Spanien hat nach wie vor eine ganz gute, aber im Vergleich zu früher deutlich geschrumpfte Infrastruktur. Deutschland ist in dieser Hinsicht leider eine Katastrophe. Hier gibt es nur noch ein paar Liebhaberbuden, die von Spezialisten betrieben werden, die sich auf Nischenprodukte fokussieren. Das Massengeschäft Textil kann in Deutschland heute niemand mehr bewerkstelligen. Die Textilindustrie zurückzuholen, etwa weil die Lieferketten nachhaltig gestört sind, kann man, Stand heute, komplett vergessen, weil das Wissen und die Industrieschneider fehlen.“

„Wenn man keine Ahnung hat, wofür beispielsweise Kettstiche und Kappnähte gut sind, kauft man nicht mehr die passenden Maschinen und wenn die passenden Maschinen fehlen, bekommt so eine Jeans eben nur noch die Basicnähte und weil das natürlich nicht so richtig funktioniert, wird schließlich alles ins Ausland verschoben.“

Welches Standing haben Spezialisten heute in Bekleidungsunternehmen?
„Gar keins, das kann ich aus langjähriger Erfahrung in der Branche sagen. Bekleidungsunternehmen funktionieren heute als reine Beschaffungsgesellschaften. Natürlich leistet man sich noch Spezialisten wie Schnitt- und Textiltechniker, die die Produktion begleiten und kontrollieren, damit die Ware einigermaßen brauchbar aus Asien ankommt. Aber die Leute, die in den Unternehmen das Sagen haben, sind die Betriebswirte, also die Jungs, die die Zahlen zusammenschreiben. Und da geht es ausschließlich um den Deckungsbeitrag und dann wird gnadenlos an jeder Niete und jeder Naht gespart. Letztendlich wird dabei so viel runtergestrichen, bis das Produkt irgendwann komplett entkernt ist.“ 

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Du verfügst in puncto Produktion und Waschungen über eine große Expertise. Dennoch setzt ihr mit Blaumann ausschließlich auf Raw Denims. Wie kam es dazu?
„Das ganze Waschthema wurde meiner Meinung nach irgendwann ad absurdum geführt. Anfangs war es spannend, mit künstlich herbeigeführten Alterungsoptiken zu experimentieren, schließlich galten neue Jeans nicht ganz zu Unrecht als zu steif und unbequem. Anfangs hat man sich noch wirklich Mühe gegeben, das so authentisch wie nur irgend möglich hinzubekommen. Und dann grätschte halt wie immer der Preis rein, die Produktion ging nach Asien und dort wurde der Qualitätsanspruch dann noch einmal verwässert. Ab dem Punkt wurde es dann mit der Used-Optik richtig albern und heute ist das Thema optisch wirklich kaputt und bis ins Groteske verschoben. Selbst die gut gemachten Styles langweilten mich irgendwann. Und das, wo ich in der Industrie ja als Experte für Waschungen zuständig war. Eingetragene Raw Denims sind wie ein textiles Tagebuch. Jeder Fleck, jeder Riss und jeder Flicken hat seine Geschichte und natürlich hängt man an einer Hose, die an einem selbst gealtert ist, wesentlich mehr. Da wird dann selbstverständlich auch repariert …“

… was die ganze Sache ja auch ziemlich nachhaltig macht.
„Auf jeden Fall. Und Waschungen, um noch einmal kurz auf das Thema zurückzukommen, sind natürlich alles andere als nachhaltig. Über die Problematiken für Umwelt und Arbeiter müssen wir ja gar nicht reden. Aber auch saubere Waschungen, etwa durch teure Laser oder Ozon, sind meiner Meinung nach problematisch, weil der technische Aufwand, um eine Hose auf alt zu trimmen, hier einfach absurd ist. Die Hose wird doch von selber alt, also, was soll das alles. Die Wahrheit ist die: Die Industrie braucht die Waschungen als Multiplikator. Würde sie darauf verzichten, läge statt zehn Hosen mit den unterschiedlichsten Used-Effekten nur noch eine im Regal. Waschungen sind so gesehen die genialste Erfindung der Branche. Ein Produkt, das eigentlich lange hält, wird durch die Waschung physikalisch älter gemacht, geht schneller kaputt und dann braucht der Kunde auch schon die nächste Jeans.“

Ist Blaumann also ein Label von und für Spezialisten?
„Wir sind sicher ein Label von Spezialisten, aber nicht für Spezialisten, sondern eher für Nerds. Wir sind ein Label für die Jungs, die sich in das ganze Raw-Thema reingefuchst haben, die ihre Jeans selbst eintragen wollen und die jeden Tragetag bis zur ersten Waschung mit einem Kugelschreiberstrich im Taschenbeutel markieren. Blaumann ist ein Thema für Leute, die nachhaltig denken und Wert auf Handwerk und Qualität legen.“

Was macht euch zu Spezialisten?
„Einiges. Wir arbeiten ja seit Ewigkeiten in der Branche und hatten bei der Gründung von Blaumann alle notwendigen Kontakte, um Jeans nach unseren klaren qualitativen und stilistischen Vorstellungen produzieren zu können – und das, ohne eine Firma im Hintergrund zu haben oder Kredite aufnehmen zu müssen. Wir wussten ganz genau, wo wir Etiketten, Nieten, Knöpfe, Garne und Taschenfutter Made in Germany herbekommen, wo wir Taschenprints drucken lassen können und natürlich auch, wo wir welche Stoffe in welchen Qualitäten erhalten. Wir hatten alle notwendigen Daten innerhalb von einer Woche zusammen, haben die technischen Datenblätter und Designvorlagen erstellt und hatten dann nur das Problem, die passenden Konfektionäre in Deutschland zu finden, aber das hat ja letztendlich auch gut geklappt.“