Autoren: Eva Westhoff und Markus Oess
Verluste in dreistelliger Millionenhöhe in der Pandemie, die kriegsbedingte Kaufzurückhaltung und ein enttäuschendes Online-Geschäft haben der Düsseldorfer Peek & Cloppenburg KG ordentlich zugesetzt. Nun startet das Unternehmen die Flucht nach vorn und beantragt ein Schutzschirmverfahren. Ein erster Überblick.
Die Düsseldorfer Peek & Cloppenburg KG hat am 3. März den Antrag auf ein Schutzschirmverfahren gestellt. Gründe sind, laut Geschäftsführer Steffen Schüller, unter anderem die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie, die „einen dreistelligen Millionenverlust verursacht“ haben. Weitere Belastungen hätten sich aus der Konsumzurückhaltung durch den Ukraine-Krieg, aus Lieferengpässen, erhöhten Energie-, Lohn- und Sourcing-Kosten, steigenden Zinsen und der leichten Rezession ergeben. Auch der milde Winter habe keine weiteren Kaufanreize gesetzt. Zudem habe die Online-Strategie nicht den gewünschten Erfolg gehabt, so das Unternehmen weiter. Das Management hat seit 2021 die Online-Aktivitäten stark ausgeweitet und „erhebliche Investitionen in Personal, Sachmittel und Marketing in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrags“ getätigt. Zuletzt wurde bekannt, dass sich Peek & Cloppenburg von einem Großteil der Unternehmensleitung trennt. Eine Schließung von Häusern ist aktuell nicht geplant.
Begleitet in dem Prozess werden die Düsseldorfer von dem Rechtsanwalt und Sanierungsexperten Dr. Dirk Andres von der Kanzlei AndresPartner, der die Geschäftsleitung als Restrukturierungsgeschäftsführer ergänzt. „Das Schutzschirmverfahren ist ein effektives Instrument zur Restrukturierung von Unternehmen. In den kommenden Wochen werden wir im Zuge dessen Gespräche mit allen wesentlichen Beteiligten aufnehmen und auf dieser Grundlage unsere Pläne zur Neuaufstellung der Peek & Cloppenburg KG, Düsseldorf, vorantreiben“, sagt Andres. Bereits jetzt kündigt das Unternehmen einen „nicht unwesentlichen Personalabbau in der Verwaltung inklusive der Führungsebenen“ an. Die weiteren Einzelheiten werden in den kommenden Wochen erarbeitet und mit den Beteiligten besprochen. In den 67 Verkaufshäusern soll es im Zuge des Schutzschirmverfahrens nach derzeitigem Stand indes keine betriebsbedingten Kündigungen geben, wohl aber sollen in der Zentrale über alle Ebenen Stellen gestrichen werden. Auch würden Maßnahmen zur Anpassung der Profitabilität und Rahmenbedingungen einzelner Standorte geprüft. Das Gericht hat den sanierungserfahrenen Rechtsanwalt Horst Piepenburg zum vorläufigen Sachwalter bestellt. Der Geschäfts- und Verkaufsbetrieb der Peek & Cloppenburg KG, Düsseldorf, wird im Schutzschirmverfahren uneingeschränkt fortgesetzt.
Insolvenzplan zum Jahresende
Gegenüber FT heißt es von AndresPartner, dass man sich zunächst einen Überblick verschaffen wolle und alle Optionen geprüft werden müssten, bevor weitere Schritte bekannt gegeben werden könnten. „Die Peek & Cloppenburg KG, Düsseldorf, nutzt das Schutzschirmverfahren, um sich an die veränderten Marktbedingungen anzupassen und für die Zukunft neu aufzustellen. Im Zuge dessen werden wir mit allen wesentlichen Beteiligten sprechen und die zur Restrukturierung und Sanierung erforderlichen Maßnahmen gezielt in eigener Verantwortung erarbeiten und kurzfristig umsetzen. Dieser Prozess wird jetzt einige Zeit in Anspruch nehmen. Sobald es hier verfahrensrelevante Neuigkeiten gibt, werden wir darüber informieren“, so ein Sprecher. Im Interview mit der WirtschaftsWoche noch am selben Tag, an dem P&C Süd bekannt gab, einen Antrag auf ein Schutzschirmverfahren gestellt zu haben, sagte Geschäftsführer Thomas Freude, das Management ginge davon aus, dass das Verfahren spätestens Ende des Jahres über einen Insolvenzplan abgeschlossen werden könnte. Auch die Eigentümerfamilie hätte schon grundsätzlich Unterstützung signalisiert: „Alle Beteiligten sind sich sicher: Peek & Cloppenburg ist als Marke so stark, dass das Unternehmen schnell einen Weg aus der Krise finden wird.“
Wie also stellt sich die Situation dar, in der sich Deutschlands größter stationärer Multibrand-Modehändler befindet, wie kann es weitergehen? Drei Fragen an Henning Gerbaulet, CEO ETERNA Mode GmbH, und Dr. Dr. Thomas Roeb, Professor für BWL mit dem Schwerpunkt Handelsbetriebslehre an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.
„Keine Warnsignale“
FT: Herr Gerbaulet, die Peek & Cloppenburg KG ist Handelspartner von ETERNA. Was bedeutet deren Insolvenz für das Modeunternehmen
Henning Gerbaulet: „P&C ist seit vielen Jahren ein großer und verlässlicher Partner für uns. Ein Schutzschirmverfahren ist bekanntermaßen nur möglich, wenn man nicht zahlungsunfähig, aber drohend überschuldet ist. Üblicherweise werden solche Situationen von den Kreditversicherungen im Vorfeld indiziert. Es muss Gründe gegeben haben, warum von dort keine Warnsignale für eine Überschuldung gekommen sind. Aus dem Zahlverhalten der vergangenen Wochen konnten wir jedenfalls keine Warnsignale erkennen.
Auch wenn es Bremsspuren geben wird, muss einem – was die Zukunft des Unternehmens angeht – nicht bange sein: Man wird das Verfahren nutzen, um zu entschulden, Mieten marktgerecht anzupassen und andere Fixkosten wie den Overhead zu reduzieren. Wir gehen deshalb davon aus, dass der Geschäftsbetrieb wie angekündigt im Großen und Ganzen unverändert fortgeführt wird, da das Konzept in der Zukunft weiterhin eine Berechtigung am Markt haben und ETERNA damit auch ein wichtiger Lieferant von P&C bleiben wird.“
Wie wird ETERNA der Situation begegnen?
„Wie immer und speziell in diesen Situationen sind wir um einen partnerschaftlichen Umgang bestrebt. Wir werden die Lieferungen nach klärenden Gesprächen wieder aufnehmen und Lösungen für die sich aus dem Verfahren ergebenden Themen finden. Wichtig ist aber auch, dass vom Unternehmen diese Situation nicht gegenüber den Lieferanten ausgenutzt wird, sondern man seinen Verpflichtungen gerade bei der Abnahme von bereits in Produktion befindlichen Vororderaufträgen nachkommt.“
Die Peek & Cloppenburg KG ist Deutschlands größter Modehändler. Inwieweit spiegelt die Insolvenz auch eine Krise des Marktes?
„In der Tat sind diese aktuellen Geschehnisse ein Spiegelbild einer bereits seit Jahren andauernden und sich zuspitzenden Krise des Marktes. Wenn der inhabergeführte Branchenprimus den Ausweg über ein Sanierungsverfahren nutzen muss, spricht das schon eine deutliche Sprache. Die inflationsbedingte Kaufzurückhaltung, der aktuelle Kostendruck und die Lieferkettenprobleme haben das ohnehin schwierige Spannungsfeld zwischen stationärem Handel und Online-Handel auf der Absatzseite weiter verschärft.
P&C ist einer der wenigen nicht vertikalen und filialisierten Großflächenanbieter, die in den letzten Jahren noch kein Sanierungsverfahren durchlaufen haben. Nachdem es in der jüngeren Vergangenheit kaum Marktbereinigung gegeben hat, sieht es so aus, als wenn in den meisten Fällen – zumindest für diesen Handelstyp – die Anpassung der Kosten an die durch die stationären Umsatzverluste resultierenden verringerten Roherträge pro Quadratmeter über Sanierungsverfahren notwendig erscheint. Wir hoffen natürlich, dass hierdurch keine Kettenreaktion in der Industrie entsteht und die Verfahren zur nachhaltigen finanziellen Stärkung unserer wichtigen Handelspartner beitragen.“
„Überexpansion“
FT: Herr Professor Roeb, welche Gründe sehen Sie für die Insolvenz der Peek & Cloppenburg KG? Welche Probleme sind hausgemacht und inwieweit sind schwierige Marktbedingungen ursächlich?
Prof. Dr. Dr. Thomas Roeb: „Peek & Cloppenburg hat ein Geschäftsmodell verfolgt, das sich grundlegend von jenem der vertikal integrierten Händler unterscheidet und das außer von Peek & Cloppenburg als mit Abstand größtem Anbieter in diesem Segment nur noch von einer Handvoll kleinerer Filialisten betrieben wird – also im Prinzip eine Art Nischenkonzept. Dieses bot einfach nicht die gleiche Profitabilität wie die vertikal integrierten Konzepte. Damit war Peek & Cloppenburg der schwächere Anbieter, auch im Vergleich zu den kleineren, aber eben auch agileren und flexibleren Wettbewerbern.
Das ist die Ursache für die Insolvenz. Anlass waren natürlich die coronabedingten Einschränkungen im Einzelhandel und die sich daraus ergebenden Veränderungen im Hinblick auf das Kaufverhalten der Konsumenten. Aber ursächlich bleibt, dass Peek & Cloppenburg nicht die Reserven hatte, um in dem Maß für die Coronakrise gerüstet zu sein wie die Wettbewerber. Über die letzten etwa zehn Jahre hinweg hat Peek & Cloppenburg mehr als 15 Prozent seines Umsatzes verloren und ist somit schon vor der Krise ein recht wackliges Unternehmen gewesen.“
Trotz der Auswirkungen der Pandemie hat die Peek & Cloppenburg KG zuletzt weitere Filialen eröffnet und massiv in Digitalisierung und die Neuentwicklung des Webshops investiert. War das ein Fehler?
„Erfahrungsgemäß ist der Hauptgrund, warum Unternehmen pleitegehen, nicht der, dass ihnen die Kunden wegbrechen oder neue Wettbewerber auftauchen – der Hauptgrund ist Überexpansion. Zum Thema Online-Handel nur so viel: Keiner der Top-Online-Anbieter hat ein nennenswertes Filialnetz und niemand, der erfolgreich stationären Handel betreibt, ist ein größerer Online-Anbieter. Mir ist im Textilbereich kein einziges Unternehmen bekannt, das seine stationäre Schwäche durch ein entsprechendes Online-Angebot hätte kompensieren können. Darauf zu hoffen, ist illusorisch. Im Gegenteil – durch das Online-Geschäft werden die stationären Geschäfte unrentabler: Der Umsatz sinkt, die Fixkosten bleiben.“
Hat der filialisierte Multibrand-Modehandel eine Zukunft?
„Ich glaube nicht, dass das Multibrand-Modell aus der bisherigen Nische ausbrechen kann. Die aktuelle Insolvenzsituation unterstreicht die Fragilität des Geschäftsmodells und wirft die Frage auf, ob Peek & Cloppenburg die in der Coronakrise verlorenen Kunden überhaupt wird zurückgewinnen können. Die Tatsache, dass das Unternehmen rund eineinhalb Jahre nach Ende der Coronaeinschränkungen den Insolvenzantrag stellen muss, deutet darauf hin, dass man sich damit schwertut. Für mich ein Indiz dafür, dass das gesamte Marktsegment, zumindest, insoweit es stationär bedient wird, keine ausreichenden Wachstumschancen bietet – was den Erfolg kleinerer Anbieter nicht ausschließt. Das haben übrigens die großen Modemarken auch erkannt: Sie bauen seit vielen Jahren ihr eigenes Filialnetz aus.“