Autorin: Tays Jennifer Köper-KelemenInsbesondere mit Blick auf nachhaltige Mode spielen Produktionsstätten in europäischen Ländern eine zunehmend wichtige Rolle. FT hat bei Loveco-Gründerin und -Geschäftsführerin Christina Wille nachgefragt, die mit ihrem Unternehmen einen nachhaltigen Onlineshop und stationäre Stores in Berlin betreibt: Welche Herstellungsländer stoßen bei den Konsument:innen auf Akzeptanz und wie geht sie damit um?
Wenn es um nachhaltige und faire Mode geht, stehen Produktionsstätten im Fokus, die sozialverträgliche Bedingungen, Transparenz, lokale Fertigungen und kurze Transportwege bieten. Europäische Herstellungsländer wie Portugal und Rumänien gewinnen aktuell an Zulauf. Indes steht die Produktion in Schwellenländern zunehmend auf dem Prüfstand. Dabei verfügen zum Beispiel auch China und Bangladesch über nachhaltig und sozialbewusst arbeitende Betriebe, die auf natürliche Materialien und Handwerk setzen sowie ihre Gemeinden aktiv unterstützen.
Wir haben uns gefragt, inwieweit das Image von Produktionsstätten im Verkauf eine Rolle spielt – gerade mit Blick auf eine dahingehend sensible Zielgruppe. Wie ist das Verständnis der Konsument:innen? Verkaufen sich nachhaltige Artikel aus europäischen Ländern besser als entsprechende Waren aus Übersee? Christina Wille, Gründerin und Geschäftsführerin von Loveco, schildert FT ihre Erfahrungen und gibt eine Einschätzung.
FT: Frau Wille, Sie verkaufen nachhaltige Mode und betrachten es nicht als grundsätzliches Problem, wenn eine Marke in China produzieren lässt. Was steckt dahinter?
Christina Wille: „Für uns steht das Produktionsland nicht an erster Stelle. Es gibt auch in China nachhaltige Betriebe, die auf faire Löhne und Gesundheits- und Umweltstandards achten. Genauso gibt es auch in Europa Produktionsstätten, welche die Umwelt verschmutzen und Menschen ausbeuten. Wichtiger ist für uns zum Beispiel, ob die produzierende Marke bestimmte Siegel oder Mitgliedschaften vorweisen kann (wie GOTS oder Fair Wear Foundation), die Produktionsstätten selbst regelmäßig besucht und/oder langfristige Partnerschaften in den Herstellungsländern aufbaut.“
„Wir versuchen, Aufklärungsarbeit vor allem über unser Magazin zu leisten, in dem wir solch komplexe Themen aufgreifen wie ‚Made in China‘, ‚Warum wir trotz Nachhaltigkeit Sale machen‘, ‚Warum Plastik als vegane Jackenfüllung umweltfreundlich ist‘ oder ‚Warum wir keine Schafwolle im Sortiment haben‘, obwohl es auch hier zertifizierte Betriebe gibt.“
Wie wichtig ist für den Verkauf das Produktionsland Ihrer Artikel?
„Das lässt sich pauschal nicht sagen. Es gibt zum Beispiel Produktgruppen bei uns, die zum Großteil in China produziert werden, da dort auch die größte Expertise zu der Herstellung dieser Produkte liegt und unsere Marken darauf ihren Fokus setzen, wie dies zum Beispiel bei der Marke LangerChen oder bei Jackenherstellern im Allgemeinen der Fall ist. Vor allem in unseren stationären Läden sind wir nicht selten im Kundengespräch darüber, dass ein Schild ‚Made in Europe‘ am Kleidungsstück nicht ein Garant für eine nachhaltige Herstellung ist. Die Kundschaft thematisiert auf jeden Fall das Herkunftsland der Artikel oft vor Ort im Laden. Wie sehr sich die Herkunft auf den Verkauf auswirkt, können wir derzeit noch nicht genau sagen. Wir haben ja mehr als 80 Marken im Sortiment, von denen wir Produktdaten oft ganz unterschiedlich aufbereitet erhalten, und sind nun dabei, das Produktionsland aller Produkte in unserem Onlineshop übersichtlich darzustellen. Wir tun dies, da wir wissen, dass das Interesse unserer Kundschaft daran groß ist. Es gibt Kund:innen, die Produkte aus China aus Prinzip meiden. Wenn man mit ihnen ins Gespräch kommt, kann man aber meist die Skepsis mindern, indem man erklärt, dass die Standards dort nicht automatisch schlechter sein müssen.“
Wie aufwendig ist diesbezüglich die Aufklärungsarbeit?
„Für uns ist transparente Aufklärung ein Teil unserer Unternehmensphilosophie. Deshalb tun wir das gern: In den Läden legen wir ohnehin großen Wert auf Beratung, da ist die Besprechung des Herkunftslands, des Materials oder der Marke Teil derselben. In den meisten Fällen wirkt sich das dann ja auch positiv auf das Kaufverhalten unserer Kund:innen aus. Im Onlineshop ist das natürlich schwieriger. Dort versuchen wir, Aufklärungsarbeit vor allem über unser Magazin zu leisten, in dem wir solch komplexe Themen aufgreifen wie ‚Made in China‘, ‚Warum wir trotz Nachhaltigkeit Sale machen‘, ‚Warum Plastik als vegane Jackenfüllung umweltfreundlich ist‘ oder ‚Warum wir keine Schafwolle im Sortiment haben‘, obwohl es auch hier zertifizierte Betriebe gibt. Solche Magazinbeiträge sind natürlich aufwendig, aber gehören zu unserer DNA. Die Kund:innen heben diese Art von transparenter Kommunikation auch oft positiv hervor.“
Verkaufen sich bei Ihnen Artikel aus europäischer Produktion besser als solche aus China oder anderen Schwellenländern? Welche Rolle spielen hier mitunter Preise?
„Wie bereits erwähnt, können wir zum Thema Verkauf und Produktionsland noch nicht besonders viel sagen. Bei den Preisen nehmen in unserer Mode eher die Schnitte und die Verkaufsmenge eines Materials zur Herstellung Einfluss. Wie komplex ist ein Kleidungsstück geschnitten? Welches Material wurde verwendet und in welchen Mengen kann es eingekauft und verarbeitet werden? Meine subjektive Einschätzung: Es macht keinen Unterschied, ob ein Teil in China oder Europa produziert wurde. Viel wichtiger ist, dass die Leute uns vertrauen und unserer Expertise glauben.“
Wie bewerten Sie den Trend hin zu ‚Made in Europe‘ im nachhaltigen Bereich?
„‚Made in Europe‘ ist vor allem, was die Transportwege angeht, eine gute Entwicklung. Deshalb produzieren auch viele unserer Marken in Europa. Zudem gibt es zum Beispiel in Portugal auch viel Expertise, wenn es um Textil- oder Schuhherstellung geht. Doch wie gesagt: Nur ‚Made in Europe‘ reicht nicht aus. Genauso wie ‚Made in China‘ auch nicht nur schlecht ist. Siegel sind für uns immer von Bedeutung, egal, ob in Europa oder außerhalb von Europa. Noch wichtiger ist aber der direkte Austausch mit den Marken und dass diese vor Ort regelmäßig schauen können, wie produziert wird. Auch in einigen osteuropäischen Ländern, die zur EU gehören, werden zum Beispiel europäische Lohnstandards nicht eingehalten.“
Welche Entwicklung für nachhaltige Produkte und deren Akzeptanz würden Sie sich wünschen?
„Wir wünschen uns auch im Bereich Herkunftsländer und Siegel mehr Aufklärung. Wir sind eng mit unseren Marken in Kontakt und können hier immer noch mal nachfragen – Kund:innen können das meist nicht. Vor allem große konventionelle Marken betreiben hier sehr viel Marketing, das in eine Greenwashing-Richtung geht. Auch die Großen müssen Verantwortung für ihre Produktionsstätten übernehmen. Diese Verantwortung liegt bei den Unternehmen selbst und in der Politik. Kund:innen können durch Recherche, Nachfragen und Interesse zwar etwas tun, doch es ist nicht ihre Aufgabe, an der Gesamtsituation etwas zu ändern. Wichtig ist uns auch, in Ländern, die Jahrzehnte lang ausgenutzt wurden, die Sozial- und Umweltstandards zu verbessern. Das sind vorrangig asiatische Länder. Es wäre vermessen zu sagen: Wir holen jetzt alles zurück nach Europa und was in Asien mit den Arbeiter:innen passiert, ist uns egal.
Weiterführende Informationen finden sich im Loveco-Magazin unter https://loveco-shop.de/magazin/warum-wir-made-in-china-brauchen-um-die-modewelt-zu-veraendern/