Autor: Markus OessDas Jahr 2022 war für alle Formal-Wear-Anbieter ein gutes. Der Rückenwind der zurückliegenden Monate sorgt für gut gefüllte Kassen und eine sichere Basis für das erste Halbjahr 2023. Auch bei Création Gross dürfte die anstehende Order positiv verlaufen, heißt es aus Hersbruck. Danach werde man sehen. Was das Unternehmen für 2023 plant und wie sich beide Marken, CARL GROSS und CG – CLUB of GENTS, auf die kommende Order vorbereiten.
Ralph Böhm, Geschäftsführer des Hersbrucker Anzugspezialisten Création Gross, blickt auf ein erfolgreiches Jahr 2022. Umsatz und Ergebnis seien sehr gut ausgefallen, sagt Böhm gegenüber FT: „Wir verzeichneten eine sehr gute Nachfrage nach unseren Produkten und konnten marktbedingt auch unser Lager abbauen. In der Saison Frühjahr/Sommer 2023 hatten wir eine Rekordvororder und auch das NOS-Programm verzeichnete eine konstant hohe Nachfrage, sodass wir in das erste Halbjahr 2023 mit einer hohen Planungssicherheit gehen können“, so Böhm weiter. Da auch der Nachholbedarf bei den Endkunden gerade im Anlassbereich immer noch hoch ist, geht er von einem guten ersten Halbjahr 2023 aus. „Wir glauben aber, dass sich in der zweiten Jahreshälfte die ersten Auswirkungen einer Rezession bemerkbar machen dürften“, schiebt der Manager noch nach.
Böhm berichtet von massiven Kostensteigerungen in den Vorstufen (Weber, Zutaten, Produktion) und auch die Transport- und Energiekosten schlagen spürbar durch. „Wir haben uns entschieden, nicht alle Kostensteigerungen weiterzugeben, dennoch mussten wir die Preise im Durchschnitt um circa 5 bis 7 Prozent erhöhen. Wir selbst müssen hingegen mit einer Preissteigerung von circa 20 bis 25 Prozent zurechtkommen. Weber zum Beispiel geben keine Preisgarantien mehr ab, die für mehrere Monate gelten, sondern nur kurzfristige Preiskorridore. Das heißt, wir gehen mit dem Risiko in die Order, dass die Beschaffungspreise stärker anziehen als schon kalkuliert. In der Türkei, wo wir unter anderem produzieren lassen, um Ausfälle durch den Ukrainekrieg zu kompensieren, wurden von der Regierung Erdoğan Lohnsteigerungen von 50 Prozent angekündigt. Auch sollen Arbeiter nach circa 30 Arbeitsjahren ohne Einbußen in die Rente gehen können. Das heißt, dass Menschen, die mit 18, 19 Jahren angefangen haben zu arbeiten, womöglich schon mit Ende 40 dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen werden“, sagt Böhm. Dafür werden die Hersbrucker von der aktuellen Coronawelle in China kaum betroffen sein, da sie fast keine Rohwaren von dort beziehen.
FT: Herr Böhm, mit welchen weiteren Themen wird sich die Modebranche in diesem Jahr beschäftigen müssen? Wo sehen Sie Risiken und wo Chancen?
Ralph Böhm: „Zu den Risiken: Wir werden uns zusehends verstärkt mit der Neutaktung der Saisonabläufe auseinandersetzen. Aber auch was die Struktur in der Beschaffung (Rohware und Produktion) angeht, werden wir uns neu orientieren müssen, denn Ereignisse wie der Ukrainekrieg, die Pandemie und die Energiekrise haben globale Folgen und treffen auch die Wertschöpfung der Textilindustrie in hohem Maße.
Zu den Chancen: Die Tatsache, dass wir ein mittelständischer Familienbetrieb sind, mit einer äußerst soliden Finanzkraft und einem hohen Maß an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, verschafft uns im Wettbewerb wichtige Vorteile.“
Sie sprechen immer vom 50-Prozent-Prinzip. Wie sieht es derzeit aus – gilt das noch oder haben sich Anteiligkeiten bei den Marken und bei In- und Auslandsumsatz verschoben?
„Das Prinzip, die Balance zu halten, hat mehr denn je Gültigkeit. Was den deutschen Markt angeht, hat derzeit CG – CLUB of GENTS die Nase vorn, dafür ist CARL GROSS im Export etwas stärker. Insgesamt steuert CG – CLUB of GENTS rund 55 Prozent und CARL GROSS 45 Prozent des Gesamtumsatzes bei. Dass wir mittlerweile einen NOS-Anteil von rund 65 Prozent haben, bereitet mir auch keine Sorgen. Unser NOS-Programm ist deutlich modischer und saisonaler geworden und wir haben dabei gleichzeitig eine höhere Planbarkeit. Daneben sehen wir im Export mit einem Umsatzanteil von 40 Prozent noch viel Potenzial. Gute Wachstumschancen gibt es unserer Einschätzung nach zum Beispiel in Skandinavien, genauer gesagt: in Norwegen und Finnland, aber auch in UK und Frankreich. Im Heimatmarkt sind wir mit beiden Marken schon recht breit distribuiert.
Mein Fazit also: Wir gehen mit sehr guten Ergebnissen und Planungen in die erste Jahreshälfte 2023. Für die zweite Jahreshälfte gibt es aus heutiger Sicht immer noch einige Risikofaktoren, die eine seriöse Planung und Zielformulierung erschweren. Wir gehen aber sehr zuversichtlich in die nächste Orderrunde und auch in die Gespräche mit unseren Handelspartnern und sind gut für die zukünftigen Herausforderungen gewappnet.“
Shift auf die Anlassmode
Auf Markenebene herrscht ebenfalls Zufriedenheit. Thorsten Grönlund, Head of CARL GROSS, setzt diesmal mit der Präsenz in Berlin aus, will aber im Sommer eine erneute Teilnahme prüfen. Wer die Franken auf der Messe erleben will, muss diesmal nach Amsterdam (Modefabriek), Kopenhagen (CIFF) und neu nach Birmingham (Moda) reisen. „Generell gilt: Wir gehen dorthin, wo die Händler sind“, sagt Grönlund.
Die zurückliegende Ordersaison FS hat alle positiv überrascht. Diesen Schwung will Grönlund in die anstehende HW-Order mitnehmen. „Auf der Fläche sind wir gut unterwegs. Aktuell sehe ich einen Shift im Handel auf die Anlassmode, was sich natürlich auch auf unsere Kollektion auswirkt. Generell bleibt die Formal Wear im Trend“, schätzt der Markenchef. Über kurz oder lang soll die komplette Kollektion auf Nachhaltigkeit umgestellt werden. Im zurückliegenden Sommer machte CARL GROSS CONCEPT GREEN 50 Prozent der gesamten Kollektion aus, kommenden Winter soll der Anteil auf 60 Prozent steigen. Nach Umsatz waren es im zurückliegenden Sommer aufgrund der hohen Abverkäufe im Bereich der Anlassmode bereits 80 Prozent.
Geshootet wurde diesmal am Hintertuxer Gletscher. Die Kollektion HW 2023/24 ist mit „Iced Tweed“ überschrieben. Die Formen von Anzug und Sakko werden noch etwas weiter. Die Buntfaltenhose bleibt angesagt und wird voluminöser. Der Zweireiher ist in der modischen Mitte angelangt. „Tweed wird im Handel, aber auch beim Endkunden selbst immer stärker. So schlagen wir diesmal die Brücke von leichten Wollstoffen und unkonstruierten Sakkos zum schweren Harris Tweed und verbinden leichte mit winterlichen Optiken. Für CARL GROSS CONCEPT GREEN haben wir zwei auf je 300 handnummerierte Stück limitierte HARRIS-TWEED-Sakkos aufgelegt. Gefertigt aus Stoffen, die für CARL GROSS exklusiv und limitiert nach historischen Vorlagen aus dem Archiv der Firma HARRIS TWEED nachgewebt wurden“, sagt Grönlund. Helligkeit bestimmt weiterhin das Farbbild.
„Unsere Kernkompetenz ist und bleibt der Anzug, um den wir alles andere herumbauen. Das Puffer Jacket ist das casualigste Teil in der Kollektion. Der Jersey-Trend ist ungebrochen und jetzt endgültig beim Endkunden angekommen. Wir haben das Angebot sowohl beim Anzug wie beim Sakko ausgebaut. Wir stärken den Komplettlook, also Anzug und Weste aus einem Stoff“, betont Grönlund weiter.
Kernkompetenz
Der Markenchef hat die Anlass-Capsule „Say yes“ noch einmal deutlich aufgewertet mit Samt und Paisley-Mustern. Innerhalb der Black Line liegt der Fokus für den Winter statt auf Hochzeiten auf Galadiners, Empfängen und anderen besonderen Festlichkeiten. „Black Line haben wir diesmal mit ‚An evening in black‘ überschrieben. Wir verarbeiten Wollqualitäten in hellen Farben und kombinieren sie mit Samt und Cord-Stoffen von Pontoglio. Ein Highlight der Kollektion ist ein Wollflanell, den wir unter anderem als modernen zweireihigen Anzug verarbeitet haben. Dazu bieten wir auch den klassischen Blazer neu interpretiert an. Gleichzeitig haben wir das Mantelprogramm noch einmal ausgebaut. Insgesamt deckt Black Line rund 25 Prozent unserer gesamten Kollektion ab“, erklärt Grönlund.
Auch wenn er bei Black Line preislich weiter oben anbaut, bediene die Marke immer noch den Mainstream: „Wir haben Preis/Leistung stets im Blick.“ Trotz vorsichtiger Preispolitik und dem Willen, die Eckpreise unverändert zu lassen, konnte Carl Gross die bisherigen Preislagen nicht durchgehend halten und musste einen Preispunkt nach oben gehen. So kostet zum Beispiel der Harris-Tweed-Anzug jetzt 399 statt 349 Euro.
Das beste Jahr
Für CG – CLUB of GENTS war 2022 sogar das beste Jahr in der Geschichte der Marke. „Wir konnten im Umsatz zweistellig zum Jahr 2021 zulegen. Gerade in den zurückliegenden Saisons war Your own Party by CG – CLUB of GENTS Umsatztreiber. Wir sind in Deutschland Boho-Marktführer. Auch für die Saison Herbst/Winter 2023 gehen wir von einer ordentlichen Orderrunde aus und schätzen, dass gerade bei Your own Party by CG – CLUB of GENTS der Aufwärtstrend anhalten wird“, sagt Markenchef Ralf Klute. Die Eckpreislagen konnte das Label zwar weitgehend halten, musste aber im Großen und Ganzen um eine Preisgruppe nach oben gehen. Allerdings hat der Boom auch seine Schattenseiten, wie Klute betont: „Insgesamt wird es aber natürlich eine Herausforderung, den Umsatz im kommenden Jahr zu halten und die Lieferfähigkeit sicherzustellen.“
Auch CG – CLUB of GENTS wird auf den Messen in Kopenhagen und Amsterdam zu sehen sein, generell aber sei er Fan von eigenen Veranstaltungen und Partys, bei denen Emotionen und Kundenbindung im Vordergrund stehen, so Klute. Außerdem seien die Showrooms in Düsseldorf, München, Hamburg und Sindelfingen sowie in den Exportländern noch da. Nach den Showrooms in den Niederlanden und in München wird Düsseldorf zum Auftakt der Order umgebaut. Überdies beteiligt sich das Label auf der European Bridal Week in Essen mit Your own Party by CG – CLUB of GENTS (1. bis 3. April). „Im Marketing wollen wir uns auch im kommenden Jahr auf Flächenaktivierungen und Retail Media konzentrieren. Denn auch im Marketing arbeiten wir mittlerweile sehr eng mit dem Handel für eine optimale D2C-Kommunikation zusammen. Zudem liegt ein Fokus auf den sozialen Medien, unter anderem ist TikTok und Pinterest ein wichtiges Thema für uns im kommenden Frühling“, führt Klute aus.
Bei CG – CLUB of GENTS wurde die Kollektion mit „Getting up – going over“ überschrieben. „Das ist ein Spruch aus der Sprayer-Szene und spiegelt das Lebensgefühl der Marke gut wider. Die Zielgruppe von CG – CLUB of GENTS wird experimentierfreudiger“, sagt Klute. Sie wolle mehr ausprobieren und sei modisch anspruchsvoller, fügt er an. Die Passformen reichen von eng bis weiter, die Mode ist aber immer lässig. „Klassiker kombinieren wir mit langen Mänteln, Bomber-Jacken oder Jacke-Sakko-Mischungen und Strick zu einem coolen Look“, sagt Klute. Die Basic-Farben bewegen sich in schlichten Tönen wie Nature und Beige. Rosa, Violett und verschiedene Variationen von Oliv bis Dunkelgrün bilden Kontrastfarben.
Savile Row by CG – CLUB of GENTS fokussiert sich auf den Heritage-Style mit englischen Stoffen, Filzoptiken und Wolle. „Wir arbeiten mit Oversize-Prints in Kombination mit tonigen Farben. Supersofte Schultern, Zweireiher-Sakkos und weit geschnittene Bundfaltenhosen greifen den Stil der Mods auf, und das mit einem Hauch von bezahlbarem Luxus“, erläutert Klute.
Bei Your own Party by CG – CLUB of GENTS geht es thematisch mitten hinein in eine Cocktailnacht über den Dächern von Manhattan. Die Looks kombinieren klassische Basics mit exklusiven Details. Die Farben reichen von einem dunklen Grün über Weinrot bis hin zu hellen Beigetönen. Silber, Camouflage und glänzende Stoffe steuern das gewisse Etwas bei. Samt und Winter-Leinen bilden einen weiteren Schwerpunkt der Kollektion. „Westen mit Glitzer, Samt und Muster in Kombination mit Oversize-Hosen sorgen für einen individuellen Look. Passend dazu bringen wir Sakkos mit Schalkragen- oder Spitzrevers. Ein besonderes Highlight ist der champagnerfarbene Smoking“, sagt Klute.
Neu ist die Kapsel NextGen project. Sie zeichnet sich aus durch nachhaltige Artikel, deren Oberstoffe GOTS-zertifiziert sind oder aus zu 100 Prozent recycelten Materialien bestehen. Die Kollektionsteile werden mit einem eigenen Hangtag und einem QR-Code ausgestattet, der zu Informationen über die Stoffe und Partner führt.