„Wieder Wasser unterm Kiel“

pierre cardin

©Ahlers AG

Autor: Markus Oess
Ein Neuanfang ist es weder für Dirk Heper noch für die Marke pierre cardin. Einmal war der Manager schon Chef der ahlers-Marke, von 2002 bis 2004, kennt also Marke und Unternehmen. Zum anderen hat er keinen Kurswechsel, sondern Kurskorrekturen vorgenommen, nachdem er im vergangenen Sommer zurückgekehrt ist. Wohin die Reise für pierre cardin künftig geht, welche modische Ausrichtung das Label nehmen soll und wie Marktanteile zurückgewonnen werden sollen, erklären Stella Ahlers, Vorstands-Chefin der Ahlers AG, und Heper im FT-Interview.

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Unsere Hosen sind ein hervorragender Anker, um den wir alles andere inhaltlich andocken können. Wir haben in Material, Qualität und die Eckpreise investiert, um Marktanteile zurückzuholen.“ Dirk Heper, Geschäftsführer pierre cardin ©pierre cardin

FT: Erst Pandemie, dann schnelle Erholung, jetzt der Krieg, die Energiekrise und Inflation. Der neue Report von McKinsey & Company und The Business of Fashion, „The State of Fashion 2023“, zeichnet nicht die besten Aussichten für die Branche im kommenden Jahr. Aber: Luxus und die Konzentration auf neue Regionen bei Absatz und Produktion versprechen Linderung. Wie würden Sie das neue Jahr für pierre cardin einordnen, national, aber auch international?
Dirk Heper: National sehen wir gute Chancen, im Fachhandel verloren gegangenes Terrain zurückzuholen und zu wachsen. Unsere Hosen sind ein hervorragender Anker, um den wir alles andere inhaltlich andocken können. Wir haben, wie gesagt, in Material, Qualität und die Eckpreise investiert, um Marktanteile zurückzuholen. Besonders viel verspreche ich mir zum Beispiel von unserer neuen Linie Denim Legacy zu einem VK von 99 Euro. Eine etwas kernigere Hose, die gut versinnbildlicht, wohin wir mit der Marke wollen. Ehrliche, modisch verständliche Produkte mit einem attraktiven Preis-Leistungs-Verhältnis. Wir wollen aber auch über Kollektionsinhalte wachsen, zum Beispiel dürfte Outerwear mit Deep Winter Function oder unsere neue Knitwearkollektion gerade in Osteuropa gut angenommen werden. Gleichzeitig haben wir auch die Vertriebsstruktur gestärkt. Wir haben mit Fabian Wahlicht einen neuen nationalen Vertriebschef, der den Markt und das Unternehmen aus dem Effeff kennt, schließlich arbeitet er schon seit acht Jahren für uns. Und wir haben mit Christoph Kremp einen neuen Gebietsverantwortlichen für Baden-Württemberg, Hessen, Saarland und Rheinland-Pfalz, der Roman Kaminski unterstützen soll. Außerdem bekommen wir im Januar einen neuen Außendienstler für die Regionen Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen.“

Jetzt sind wir wieder vernünftig verfügbar. Allerdings merken wir schon auch eine gewisse Zurückhaltung im Markt.“ Dr. Stella Ahlers, Vorstands-Chefin Ahlers AG ©Ahlers AG

Stella Ahlers: International läuft es generell besser als in Deutschland. Auch schon in der Pandemie hatte der Handel dort weniger zurückhaltend geordert und die Öffnungen gingen früher los.“

Wo steht pierre cardin bei den Endkunden?
Heper: Der pierre-cardin-Kunde ist ein sehr treuer. Gerade was die Passform angeht, können wir ihn gut über die Hose erreichen und ihm dann auch andere Kollektionsteile anbieten.

Ahlers: „Das zeigt sich im Ausland sogar noch stärker, wo wir auch 85 Partner-Stores betreiben, also die Abverkaufszahlen sehr gut kennen und die Hose als zentrales Ankerprodukt für die gesamte Markenwelt funktioniert.“

Wie läuft es bei den Reinverkäufen und konnten Sie im NOS Boden gutmachen?
Ahlers: Jetzt sind wir wieder vernünftig verfügbar. Allerdings merken wir schon auch eine gewisse Zurückhaltung im Markt.“

Heper: „Generell, auch bei der Konfektion, läuft es im Augenblick aber immer noch erfreulich gut.“

Ahlers: Die Zeiten sind unberechenbarer geworden, nicht erst seit dem Ukrainekrieg. Bestes Beispiel ist der Anzug, der von allen totgeredet wurde und dann ein fulminantes Comeback feierte, das wohl keiner so erwartet hatte.“

Was erwarten Sie von der anstehenden Orderrunde?
Heper: Wie gesagt, haben wir viel in die Kollektion hineingearbeitet, vertrieblich haben wir neue Impulse gesetzt und sehen erste positive Effekte unserer Arbeit. Ich gehe von einem positiven Ergebnis der Order aus, wobei wir natürlich noch nicht auf Vor-Corona-Niveau sind.“

Ahlers: „Auch wenn einige Unsicherheiten bestehen, was die globale Lage angeht, planen wir vorsichtig optimistisch.“

„Wir haben eine klare Vorstellung von pierre cardin und diese müssen wir nun im Markt umsetzen.“ Stella Ahlers 

Auch ins E-Commerce haben Sie investiert?
Ahlers: „Wir haben in unseren eigenen Online-Handel investiert. Wir hatten angesichts der pandemiebedingten Sonderkonjunktur des Online-Handels für dieses Jahr etwas zu optimistisch geplant. Der E-Commerce hat sich generell wieder eingependelt, sodass wir hier dieses Jahr etwas unterhalb der Erwartungen aussteigen werden. Dennoch ist Online in Zukunft nicht mehr wegzudenken.“

In den zurückliegenden Monaten wurde pierre cardin von der hohen Nachfrage etwas überrascht und auch die Umstellung auf Organic Cotton hat die Produktion etwas gebremst. Konnten Sie wieder auf Normalmodus gehen?
Heper: Wir haben auf jeden Fall wieder Wasser unterm Kiel. Es hat aber eine Zeit gedauert. Es gibt einem zwar ein gutes Gefühl, wenn die Nachfrage größer ist als das Angebot, tröstet aber nicht darüber hinweg, dass wir unnötig Umsätze verpasst haben. Ich denke, das Gröbste haben wir beseitigt, aber die Supply Chain erfährt immer noch gewisse Friktionen.“

Ahlers: Wir haben angesichts der aktuellen Geschehnisse weitere Produktionskapazitäten und Lieferanten gesucht. Teilweise lassen wir jetzt in der Türkei produzieren. Die politische Lage in Sri Lanka hat sich weitgehend beruhigt. Die Lage bei den Frachtraten normalisiert sich auch wieder. Wir mussten wie alle mit stark gestiegenen Transportkosten zurechtkommen und waren auch gezwungen, Ware zu fliegen. Alles in allem stehen die Vorzeichen für eine pünktliche Auslieferung derzeit gut. Bleibt zu hoffen, dass die Lage in China und anderen Krisenregionen nicht wieder eskaliert.“

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„Auch wenn wir modisch notwendige Anpassungen im Kollektionsaufbau und der Gestaltung der Produkte vorgenommen haben, haben wir Marke und Markeninhalt nicht verändert.“ Dirk Heper

Die Energie- und Beschaffungspreise sind weiter gestiegen. Andererseits sind die Frachtraten wieder gesunken. Wie gehen Sie mit den Versorgungsunsicherheiten um? Mussten Sie die Preise anpassen?
Heper: „Ich hatte ja schon betont, dass wir bewusst in die Eckpreise investiert haben, wir also auf Marge verzichten. Inwiefern Anpassungen in der Zukunft nötig werden, müssen wir sehen. Wenn, dann hat das gute Gründe, denn auf Qualität werden wir auch in Zukunft nicht verzichten.“

pierre cardin sollte wieder stärker auf sein französisches Erbe zurückgehen und es wurde ein neues Markenbild für die Fläche erarbeitet. Wie weit sind Sie mit der Umsetzung und gab es noch einmal Anpassungen?
Heper: Auch wenn wir modisch notwendige Anpassungen im Kollektionsaufbau und der Gestaltung der Produkte vorgenommen haben, haben wir Marke und Markeninhalt nicht verändert. Im Gegenteil. Als ich im vergangenen Sommer zurück nach Herford kam, stand ja schon ein neues Konzept. Das setzen wir jetzt mit ein paar Anpassungen um. Wir investieren wie beschrieben in die Produkte sowie fortlaufend in die Flächen.“

Ahlers: „Der ursprüngliche Auftritt auf der Fläche war vielleicht ein wenig zu puristisch. Das haben wir wieder etwas zurückgenommen. Marke und Flächendarstellung bleiben natürlich eine Einheit.“

Wenn Sie auf Ihren ersten Arbeitstag und heute schauen. Was hat sich seither verändert?
Heper: „Wenn ich auf die Kollektion schaue, ist es eine neue, ausgeglichenere Farbbalance in der Kollektion insgesamt und in den einzelnen Kollektionssegmenten. Wir haben in Wertigkeit und Preis/Leistung sprich Eckpreislagen ─ investiert. Die Mode rückt wieder an die Kernzielgruppe ran, ist insgesamt männlicher und klarer im Aufbau, ohne an Modernität verloren zu haben. Wir haben gerade in der Sportswear eine neue, veränderte Handschrift und auch neue Qualitäten eingeführt. Ebenso haben wir die Marke in ihrem Auftritt gegenüber dem End- und dem Handelskunden vereinheitlicht und klarer ausgearbeitet, insbesondere auch bei den Details. So gibt es jetzt zum Beispiel für unsere fünf Produktgruppen nicht mehr fünf verschiedene Layouts bei den Arbeitsmaterialien, jetzt sind alle Unterlagen aus einem Guss. Ich würde deswegen aber nicht von einem Kurswechsel sprechen, sondern von zielgerichteten, entscheidenden Kurskorrekturen. Wir sind natürlich noch nicht am Ende. Aber wir haben den Rahmen gesteckt.“

Ahlers: Wir haben eine klare Vorstellung von pierre cardin und diese müssen wir nun im Markt umsetzen. Umso mehr hat es mich gefreut, dass wir das mit Herrn Heper angehen können.“

Sie gehen mit pc wieder auf die PREMIUM. Was erwartet die Händler in Berlin?
Ahlers: Wir werden mit einem offenen Standkonzept arbeiten. Es geht um Kommunikation und natürlich werden wir die neue Kollektion in den Vordergrund stellen: ihre Inhalte, ihre Struktur und was wir verändert haben. Wir freuen uns auf einen guten Austausch mit möglichst vielen Händlern.“

Kurskorrekturen

pierre-cardin-Chef Dirk Heper spricht von entscheidenden Kurskorrekturen, die er seit seiner Rückkehr nach Herford vorgenommen hat. Der Manager meint dabei vor allem das Produkt, die Mode. Wir haben mit ihm über diese Korrekturen gesprochen. Die Reaktionen des Handels aus den ersten Previews waren durchweg positiv. Dirk Heper über …

Die große Linie passt, bei einzelnen Punkten gab es Korrekturen. ©Screenshot www.pierre-cardin.de

… die generelle modische Linie
„Mir war es wichtig, die Kollektionsaussage etwas zu korrigieren und sie verständlicher für unseren Endkunden zu machen. pierre cardin ist männlich, modern, aber nicht laut. Gleichzeitig haben wir ganz bewusst in die Eckpreislagen investiert, um Marktanteile zurückzugewinnen.“

… die Erfolgsfaktoren einer Marke
„Nachdem ich in Herford angefangen hatte, habe ich viele Gespräche geführt – intern, aber auch mit unseren Handelskunden. Ich bin der festen Überzeugung, dass eine Marke im Wesentlichen von zwei Faktoren angetrieben wird: Kollektionsinhalt auf der einen Seite und Preis/Leistung auf der anderen Seite.“

… die aktuelle Kollektion Herbst/Winter 2023/2024 und Zielkunden
„Unser Brand Manager Nico de Roy hat mit der neuen Kollektion einen hervorragenden Job gemacht. Wir bauen konsequent auf zwei Säulen auf: Casual mit Denim, Strick und Sportswear sowie Smart Business. Wir haben jetzt nicht die gesamte Kollektion auf den Kopf gestellt, aber sie ist heute deutlich moderner und ausgewogener, was Farbe und Form angeht. Natürlich haben wir unsere Markengeschichte, die eng mit unserer französischen Heritage verbunden ist. Wir stehen zu unseren Wurzeln. Aber leider war unser Zielkunde in der kommerziellen Mitte zuletzt etwas aus dem Fokus geraten.“

… Outdoor
„Ein großer Schwerpunkt der neuen Kollektion ist neben dem Kernprodukt Hose das Thema Outdoor/Sportswear. Wir haben in die Qualität investiert und neben dem Design besonders auf wertige Verarbeitungsdetails und Funktionalität geachtet. Das Programm ist farblich frei kombinierbar. Trotzdem haben wir die Eckpreislagen mit 179 Euro bis 299 Euro für die Jacken und 169 Euro für die Westen gehalten. Das Prinzip setzt sich im gesamten Programm fort, egal ob Smart Business, Strick oder Hosen.“

… Ankerprodukte
„Gerade die Hosenkollektion konnte etwas mehr Struktur gebrauchen. Wir arbeiten hier verstärkt mit Storytelling und haben zwei neue Kapseln entwickelt: Titanium mit Klimaregulierung und ausgeprägter Funktionalität für 109 Euro. Die Hosen sind entsprechend mit einem titanfarbenen Etikett gekennzeichnet. Neu ist auch das Thema Denim Legacy: Hosen in fünf kräftigeren Waschungen und mit etwas weniger Stretchanteil. Eine wertige, mit kupferfarbener Ausstattung gestaltete Hose in der wichtigen Eckpreislage 99 Euro, bei der wir mehr Wert auf Männlichkeit gelegt haben, um ein authentischeres Tragegefühl zu erzeugen.“