Autor: Markus OessIm kommenden Januar feiert die Premium Group ihr 20-Jähriges. „Selbstverständlich werden wir es krachen lassen“, sagt Anita Tillmann, Managing Director der Premium Group, im FT-Interview. Die Berliner gehen nach ihrer Rückkehr an die Spree in die zweite Runde. Wir haben mit Anita über neue Inhalte und Optimierungen gesprochen – und über die aktuelle Energiekrise. Schließlich sind in der Hauptstadt die Winter oft ziemlich frostig. Was die Branche in Berlin erwartet und wohin für Messen die Reise geht.
FT: Anita, Ihr habt für die kommende Januar-Ausgabe doch einiges verändert gegenüber dem letzten Sommer. Es wird eine neue Hallenbelegung geben und auch das Markenportfolio setzt sich neu zusammen. Was waren die Gründe und woran habt Ihr Euch orientiert?
„Seit 20 Jahren sprechen wir ganzjährig intensiv mit allen Beteiligten über unsere Events, um uns stetig weiterzuentwickeln. So natürlich auch nach der ersten Ausgabe in der neuen Location Messe Berlin. Das Feedback nach dem Restart im Juli war überwiegend gut. Die Hallenaufteilung und die damit zusammenhängenden Wege waren allerdings zum Teil noch nicht hundertprozentig zufriedenstellend, was verschiedene Gründe hatte. Das haben wir im Anschluss rekapituliert, haben die Brandwelten neu zusammengestellt, das Feedback der Aussteller*innen und Besucher*innen berücksichtigt und die Struktur optimiert. Im Januar wird es auf dem Messegelände also kürzere Laufwege und eine verbesserte Orientierung geben: Die PREMIUM zieht zum Süd-Eingang und besetzt zusammenhängende Hallen, kompakt, attraktiv und übersichtlich. Die SEEK bleibt nach durchweg positiver Resonanz in der Halle 9.“
Was erwartet die Branche im Januar?
„Free Drinks, Aperitivos, Business und Fashion natürlich! Zum 20. Jubiläum können sich Besucher*innen auf die geballte Premium-Group-Power freuen. Im Fokus stehen die wichtigsten Trends für den Handel, einige neue Brands, die wir für sehr vielversprechend halten, und die neuesten Entwicklungen aus dem Bereich Nachhaltigkeit. Darüber hinaus zeigen wir Brand-Aktivierungen vor Ort, die Impulse für die Emotionalisierung von Retailflächen und Stores geben werden. Neben der PREMIUM und der SEEK wird der CONSCIOUS CLUB deutlich erweitert. Kein Unternehmen kommt mehr an dem Thema Nachhaltigkeit vorbei und die Premium Group zeigt ein umfangreiches Repertoire an verschiedenen Möglichkeiten auf, sich als Unternehmen nachhaltiger aufzustellen. Im Fokus steht hier auch der Austausch, denn es gibt viel Wissen, viele Meinungen, Lösungen und Ansätze, aber eben wenig Austausch. Den Austausch hoffen wir auf der Messe anzuregen.“
„Erst mal freuen wir uns sehr, wieder viele starke Menswear-Brands mit an Board zu haben. Dazu zählen Snow Peak, Holubar, Newline Halo, Merz b. Schwanen, About Companions oder Edwin auf der SEEK sowie Olymp, Peuterey, Drykorn, Floris van Bommel, Fynch-Hatton, Sun68, Tombolini auf der PREMIUM. Qualität vor Quantität steht klar im Vordergrund. Es bleibt casual und Streetwear ist nach wie vor ein großes Thema. Ein Trend, den wir vor allem bei der SEEK im Menswear-Bereich beobachten, ist Gender Fluidity: Die Grenzen zwischen dem Männlichen und Weiblichen verschwimmen immer mehr, das Individuum steht unabhängig von ihrem oder seinem Geschlecht im Fokus, und das spiegelt sich auch die Mode wider. Durch Covid fühlen wir uns auch „Let’s face it: wieder mehr verbunden mit der Natur, deshalb bleibt Outdoor Wear nach wie vor wichtig. Trends, die ebenfalls bleiben werden, sind Y2K, Understatement, und Minimalismus.“
Was sagen die Aussteller*innen zur Veranstaltung im letzten Sommer, und sicher habt Ihr auch bei den Besucher*innen nachgefragt?
„Die Premiere des großen Premium-Group-Event-Kosmos im Juli in Berlin war nicht perfekt, aber insgesamt erfolgreich. Nach zweieinhalb Jahren Pandemie konnte sich die Branche endlich wieder persönlich treffen – das war ein ganz besonderer Moment. Die neue Verbindung von B2B und D2C, Entertainment und Edutainment, Fashion und Culture sorgte für viel Austausch, neuen Input, Ideen, Kontakte und eine ganzheitliche Inspiration. Wir haben im Sommer eine super Basis für die nächsten Saisons gelegt. Das sehen auch die Partner*innen und Brands so. Die Resonanz war überwiegend positiv, und die kritischen Stimmen nehmen wir sehr ernst. Es hat sich gezeigt, dass die Branche eine Plattform benötigt, um sich zu informieren, zu connecten, inspirieren zu lassen, persönlich zu treffen und um Neues zu erleben. Berlin ist gesetzt, und wir freuen uns auf Januar. Dennoch gibt es auch Zögern und einige Absagen. Nicht alle Unternehmen konnten sich von der Corona-Pandemie oder dem Verlust des Russland-Geschäfts erholen. Auch die allgemeine Unsicherheit aufgrund der weltweiten politischen Unruhen und nicht wirklich planbaren wirtschaftlichen Entwicklungen beeinflusst die Entscheidung, auf Messen auszustellen. Ein weiteres Thema sind Brand-Aktivierungen statt klassischer Messestände. Damit setzen wir uns sehr intensiv auseinander und haben einen ganzen Katalog an Konzepten und Ideen entwickelt. Wir sind im Austausch mit den Marken, um auf die individuellen Bedürfnisse eingehen zu können. Der Vorteil: Es kommt frischer Wind in die Gespräche, Kreativität wird angeregt, und die Brand-Aktivierung auf der Messe kann man für Marketing Content verwenden und, besser noch, als Anregung für Aktionen auf den Retailflächen und in den Stores. Das ist ein Prozess und das wird dauern. Aber es gehört zur Evolution dazu und es fühlt sich richtig an.“
Gibt es Auflagen bei der Energie, also bei Heizung und Stromverbrauch?
„Die derzeitige Energieknappheit verlangt ein hohes Maß an Solidarität von uns allen. Wir halten uns selbstverständlich an den aktuellen ‚Leitfaden Energiesparmaßnahmen‘ der Messe Berlin. Dieser sieht beispielsweise vor, dass die Hallen während der Auf- und Abbauzeiten nicht beheizt werden, da dies vor allem durch die offenen Tore und Türen energetisch nicht abbildbar ist. Auch ist es gesetzlich verboten, zwischen 22 Uhr und 6 Uhr beleuchtete Werbeanlagen zu betreiben. Kaum frequentierte Büroflächen werden nur bis 19 Grad beheizt und einiges mehr.“
Wie geht Ihr mit dem Thema hohe Energiekosten um?
„Wir als Privatpersonen, aber auch als Unternehmen versuchen selbstverständlich auch über die Vorgaben der Messe hinaus, so gut es geht, Energie zu sparen. Trotzdem müssen wir als verantwortungsbewusster Veranstalter*innen natürlich auch dafür sorgen, angemessene Rahmenbedingungen zu schaffen, damit unser Business, also der Messebetrieb, ungestört laufen kann. Wer uns kennt, weiß, dass wir hier für uns und unsere Partner*innen unser Bestes geben.“
Könnt Ihr die höheren Kosten weitergeben?
„Wir haben für den Januar bewusst entschieden, diese Kosten nicht weiterzugeben. Wir sitzen in einem Boot mit der gesamten Branche und wir haben alle die gleichen Herausforderungen.“
Lass uns auch nach vorne blicken. Wie siehst Du die Zukunft der Messen? Weniger, aber dafür größere Veranstaltungen – oder werden wir mehr kleinere regionale Formate sehen?
„Je digitaler wir werden, desto wichtiger wird das menschliche Zusammentreffen und im selben Maße auch unsere Messen. Let’s face it: Wir leben aktuell in unsicheren Zeiten und auch unsere geliebte Branche steht vor vielen Herausforderungen. Vieles muss sich auch ändern. Aus unserer Sicht gibt es da nur eine Möglichkeit: Wir müssen uns treffen, um gemeinsam bessere Strategien für die Zukunft zu entwickeln. Jetzt erst recht. Wir motivieren unsere Aussteller*innen, weniger Kollektionen zu zeigen und sich mehr auf Key Looks und Brand Stories zu konzentrieren. Letztlich ist es das, was Einkäufer*innen heute brauchen, um Entscheidungsmüdigkeit entgegenzuwirken. Im Fokus stehen Experiences und kompakter Content. Deshalb schaffen wir Raum für Wissensaustausch, laden Expert*innen ein, informieren und inspirieren. Wir bieten das Full Package – 360 Grad Inspiration.“
Das Produkt allein wird es ja nicht sein. Welche Bedürfnisse im Miteinander von Handel und Industrie siehst Du wichtiger werden?
„Es reicht nicht mehr, ein paar große Brands im Store zu sammeln, das gibt es auch online. Warum sollte man heute noch in einen Store gehen? Es geht in den Stores um persönlichen Austausch, kompetente Beratung und auch darum, etwas Neues zu entdecken, sagen wir mal, für die eigene persönliche Note. Wir beobachten, dass das besonders bei den Händler*innen gut funktioniert, die ihre Kund*innen kennen und sich ihr Vertrauen erarbeiten, sie immer wieder begeistern und überraschen können. Deshalb wird das Berliner Messegelände im Januar wieder zum großen, bunten Premium-Group-Kosmos, zu einem ganzheitlichen inspirativen Hub für alle wichtigen Themen rund um Fashion, Trends, Retail, Lifestyle, Marketing, Digitalisierung, Nachhaltigkeit und vieles mehr. Es gibt keine ausschließlich lineare Wertschöpfung mehr, sondern eine Vielzahl von Quer- und Rückverbindungen, die die Modewelt neu aufstellen.“
Es wird auch eine weiterentwickelte Version des CONSCIOUS CLUBS geben. Was ist da angedacht?
„Wir setzen uns seit über 15 Jahren mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinander. Das erste Mal ist ein Generationenwechsel in der Branche sichtbar. Schon bei Gen X, Y und Z haben Sie eine andere Haltung, ein anderes Selbstverständnis – auch mit Blick auf Nachhaltigkeit. Der Wandel ist da, wir treiben ihn mit Freude voran und tun, was wir am besten können: die richtigen Leute miteinander vernetzen. Uns als Veranstalter*innen*innen ist zudem wichtig, dass wir unserer Rolle als gute Gast- und Impulsgeber*innen nachkommen. Wir bieten deshalb den Raum und die Möglichkeit, dass sich unsere Community in einer positiven Atmosphäre untereinander besser vernetzt und austauscht.
Das Programm des CONSCIOUS CLUBS kuratieren wir in Zusammenarbeit mit Max Gilgenmann und Magdalena Schaffrin von studio MM04, die als etablierte Nachhaltigkeitsexperten bekannt sind. Das Repertoire wird diesmal noch umfangreicher. Wir wollen zeigen, dass es die unterschiedlichsten Möglichkeiten gibt, ein Unternehmen nachhaltiger zu gestalten. Das kann Fragen der Logistik oder zur Biodiversität betreffen. Auch die Klimaneutralität und die Implementierung von Recycling-Prozessen in den Produktkreislauf werden für die Branche immer relevanter. Weitere Aspekte sind Zertifikate sowie Initiativen, denen man beitreten kann, um Themen gemeinschaftlich voranzutreiben. Engagement für Nachhaltigkeit bedeutet nämlich nicht nur die Verwendung von Biobaumwolle, sondern auch, dass man sich auf ganz vielfältige Weise als Unternehmen verbessern kann. Wir wollen zeigen, was alles möglich ist und wohin sich die Themen entwickeln können – und unsere Brands und Besucher*innen auf eine gemeinsame Nachhaltigkeitsreise mitnehmen.“
Rückblende Sommer 2022
Ihr feiert im Januar Euren 20. Geburtstag. Wird es die ganz große Sause oder gibt es auch nachdenkliche Zwischentöne?
„Selbstverständlich werden wir es krachen lassen – das können wir schließlich sehr gut. Ein 20. Geburtstag ist ein fantastischer Anlass für legendäre Partys, Überraschungen und Free Drinks. Wir möchten die Messetage (und -nächte) aber nicht nur dazu nutzen, um auf vergangene Erfolge, legendäre Momente, wichtige Innovationen und gemeisterte Herausforderungen zurückzublicken. Vielmehr treibt uns die Idee an, auch die nächsten 20 Jahre dafür zu sorgen, dass unsere Branche nachhaltig relevant, spannend und positiv bleibt. Schlechte Laune können und sollten wir uns alle nicht leisten, und wir gehören nicht zur Kategorie Bedenkenträger*innen. Insofern laden wir alle ein, mit uns zu feiern und nach vorne zu schauen!“
Be back in Berlin
Vom 17. bis 19. Januar 2023 finden die B2B-Events PREMIUM und SEEK, eine FashionTech Area sowie das Nachhaltigkeitsformat CONSCIOUS CLUB auf dem Gelände der Messe Berlin statt – nun auch wieder parallel zur Berlin Fashion Week. Im Januar 2023 feiert die Premium Group überdies ihr 20-jähriges Jubiläum. Im Januar werden auf dem Messegelände kürzere Laufwege und eine verbesserte Orientierung umgesetzt. Dazu zieht die PREMIUM zum Süd-Eingang und besetzt fünf zusammenhängende Hallen. Die SEEK bleibt in der Halle 9. Die Berliner kündigen für die SEEK die nächste Generation von Standpräsentationen und Brand-Aktivierungen sowie Retail-Pop-Ups an. Darüber hinaus wird für alle Formate die Segmentierung der Aussteller*innen optimiert. Daneben soll es komprimierte Content-Formate zu aktuellen Trend-Themen geben. Nach dem Restart im Sommer wird auch eine weiterentwickelte Version des CONSCIOUS CLUBS in Zusammenarbeit mit Max Gilgenmann und Magdalena Schaffrin von studio MM04 realisiert. Das Style and Culture Festival The Ground findet erst kommenden Sommer wieder im größeren Format statt.