Autor: Markus OessDie gebürtige Kenianerin Waridi Schrobsdorff möchte mit FA254 Designer*innen aus Afrika auf dem deutschen Markt sichtbar machen und ihnen den Zugang zum Fachwissen von Expert*innen der Modebranche erleichtern. Der Name ihrer Agentur ist Programm: FA ist die Abkürzung für Fashion Africa. 2 ist die internationale afrikanische Vorwahl, 54 steht für die Zahl der afrikanischen Staaten. Das Ex-Model will zeigen, dass Afrika nicht nur aus Armut und Krankheit besteht, sie möchte das Bild, das die Welt von Afrika hat, nachhaltig verändern.
Waridi Schrobsdorff arbeitet unter anderem für die Hub of Africa Fashion Week in Addis Abeba, Äthiopien. Die HAFW wurde mit dem Wissen ins Leben gerufen, dass eine Veranstaltung benötigt wird, die das aufstrebende Talent afrikanischer Designer*innen und Marken auf dem internationalen Markt hervorheben kann, erklären die Veranstalter. Die Philosophie der Organisator*innen sei es, eine Verbindung zwischen verschiedenen Sektoren in der wachsenden Bekleidungsindustrie in Afrika zu schaffen und gleichzeitig eine Plattform für Designer*innen und andere Segmente der Industrie zu sein, wenn es um die internationale Vermarktung geht. Schrobsdorff war auch bei der jüngsten Auflage der HAFW im Oktober wieder vor Ort.
FT: Frau Schrobsdorff, Sie selbst sind gebürtig aus Kenia, haben einen deutschen Mann und leben in Berlin. Sie kümmern sich auch um die Fashion Week in Addis Abeba. Was ist für Sie die größte Gemeinsamkeit zwischen Berlin und Addis Abeba, wenn es um die Mode geht?
Waridi Schrobsdorff: „Es ist der Wunsch, die Menschen aus der Mode zusammenzubringen. Designer*innen, Industrie, Handel und natürlich auch die Verbraucher*innen. Trends zu zeigen und sich zu präsentieren. Das Grundrauschen der Mode aufzufangen und weiterzureichen. Das ist es eigentlich.“
Zurzeit gibt es wieder Gespräche zwischen den Kriegsparteien, aber die Sicherheitslage ist auch in Addis Abeba fragil. Warum wurde die Veranstaltung dennoch durchgeführt?
„Natürlich wird die Deutsche Botschaft sagen, dass Sie auf eigenes Risiko anreisen. Ja, im Norden Äthiopiens herrscht Krieg und es gibt Sicherheitsrisiken. Aber es finden aktuell wieder Friedensgespräche zwischen den Rebellen und den Regierungstruppen statt. Und in Addis Abeba selbst ist es sicher. Ich habe mich zu keinem Zeitpunkt unsicher gefühlt, als ich dort war. Zur Hub of Africa Addis Fashion Week sind Besucher*innen aus diversen europäischen und afrikanischen Ländern angereist. Sorgen, heil zurückzukommen, gab es nicht. Warum also absagen?“
Ist Nachhaltigkeit ein Thema, wenn es zunächst ums reine Überleben geht?
„Das ist eine wichtige Frage. Wer ums nackte Überleben kämpft, denkt nicht an Nachhaltigkeit. Ja, es herrscht viel Armut und es gibt eine große Hungersnot in Äthiopien, jedoch kämpft nicht jeder dort ums reine Überleben. Bei privilegierten Menschen im Land ist Nachhaltigkeit genauso ein großes Thema wie bei uns. HAFW legt großen Wert darauf, dass alle vertretenen Marken und Designer*innen nachhaltig produzieren und arbeiten. In Afrika ist man generell viel nachhaltiger, weil wir schon immer das meiste aus den vorhandenen Ressourcen machen mussten. Für uns bedeutet Nachhaltigkeit nicht nur umweltbewusst zu sein, sondern auch lokal zu arbeiten und neue Arbeitsplätze zu schaffen.“
„Für uns ist es wichtiger, nicht mit den Fashion Weeks in Südafrika, Lagos oder Dakar zu kollidieren.“
Wer ist gekommen? Wer ist die Kernzielgruppe der Hub of Africa Addis Fashion Week?
„Bestehende Klient*innen und Kund*innen, die anreisen, um direkt von den Designer*innen zu kaufen, sowie internationale Einkäufer*innen und Medien.“
Wo würden Sie die Fashion Week international einordnen?
„Wir achten schon auf den globalen Messekalender wie andere auch. Aber wir sind eine regionale Veranstaltung und ordnen uns auch so ein. Für uns ist es wichtiger, nicht mit den Fashion Weeks in Südafrika, Lagos oder Dakar zu kollidieren. Überdies stehen die Brands, die Designer*innen nicht in so großer Konkurrenz zueinander wie etwa in New York, Paris, Mailand oder eben Berlin. Wir sind hier mehr eine große Familie. Man hilft sich gegenseitig, isst zusammen und feiert zusammen. Ein weiterer Unterschied ist, dass wir nur einmal im Jahr zusammenkommen. Abseits der fehlenden Saisons Herbst/Winter ist es vor allem die Marktstruktur, die das mit sich bringt. Die Unternehmen haben nicht die Größe, gleich zweimal im Jahr eine komplette Kollektion zu finanzieren, also reicht auch eine, die dann durchgehend vermarktet wird. Auch das ist eine Form von Nachhaltigkeit, wenn der Zirkus nur einmal statt zweimal im Jahr veranstaltet wird.“
Äthiopien galt einmal perspektivisch als Nähstube der Welt. Warum, aus Ihrer Sicht, ist es nicht dazu gekommen?
„Es gibt viel Korruption im Land und das politische Klima ist nicht gerade förderlich für Investitionen. Zum anderen fehlt es neben der Infrastruktur an qualifiziertem Personal. Wenn wir Arbeiter*innen für die Fabriken finden, sind sie zumeist nur in der Lage, einfache Produktionsschritte zu bewältigen. Komplexere Bekleidungsstücke können deswegen erst gar nicht produziert werden. Und daran hat sich wenig geändert, auch wenn es entsprechende Initiativen gibt, die unter anderem auch von Deutschland gefördert werden.“
75 Prozent
Was müsste geschehen, damit Afrika als Modeland, als Hub kreativer Modedesigner*innen, eine größere Resonanz in Europa und Ländern wie Deutschland erhält?
„Wenn es um die Qualität der Designs und die Tüchtigkeit der Designer*innen geht, sind wir bereit für die europäischen Länder. Woran wir noch arbeiten müssen, ist, die logistischen Angelegenheiten zu verfeinern. Wir müssen einander auf Augenhöhe begegnen und die Erwartungen thematisieren, die wir aneinander haben, dann würde sich die Resonanz sicherlich weiter verbessern.“
Sie beraten mit Ihrem Unternehmen FA254 (Fashion Africa 254) afrikanische Designer*innen und Marken mit Blick auf den europäischen Markt. Sie selbst haben gemodelt. Ist die internationale Modewelt kompatibel mit dem breiten Markt oder sprechen wir über eine Nische, in der sich eine vergleichsweise kleine Zahl von Menschen bewegt?
„Es ist gar nicht so wichtig für den Erfolg einer Marke oder eines Designers/einer Designerin, was die Luxuswelt denkt. Viel wichtiger ist das eigene Profil, unique zu sein als Brand und als Designer*in. Das macht 75 Prozent des Erfolges aus. 20 Prozent resultieren aus der eigenen Professionalisierung und 5 Prozent sind einfach Glück. Ich möchte der afrikanischen Mode Gesichter geben. Mir geht es für meine Kund*innen um Sichtbarkeit, nicht um das Reinverkaufen der Mode in den Markt. Und für meine Kund*innen geht es nicht zuletzt darum zu verstehen, was sie als Marke oder als Person auszeichnet und wie der europäische Markt funktioniert.“
Sie wollen, sagen Sie, das Bild Afrikas verändern und afrikanisches Design promoten, und beraten durchgehend zehn Designer*innen. Wie wählen Sie diese aus?
„Das hängt vom jeweiligen Land ab, mit dem wir zusammenarbeiten. Wir kreieren ein Konzept, das die vorhandene Lücke füllt, und dann kuratieren wir die Designer*innen, die zu dem Konzept passen.“
Und wann ist für Sie das Ziel Ihrer Arbeit erreicht, wann ist sie für Sie beendet?
„Man lernt und entwickelt sich immer weiter und es wird immer Luft nach oben geben, somit kann meine Arbeit nie wirklich beendet sein. Für mich persönlich ist das Ziel erreicht, wenn ich das Mindset bezüglich Afrika verändert habe. Ich habe schon viel erreicht, was das angeht, aber es bleiben Baustellen auf anderen Ebenen, die noch bearbeitet werden müssen. Also gibt es noch das eine oder andere für mich zu tun.“
Werden Sie auch zur kommenden Berlin Fashion Week aktiv sein?
„Lasst euch überraschen …“
Ex-Model und Beraterin
Waridi Schrobsdorff wurde in Kenia geboren und ist in dem Land auch aufgewachsen. Sie arbeitete lange Jahre als Model. Durch das Modeln traf sie in New York ihren Mann und zog später nach Berlin, wo sie heute noch lebt. 2013 gründete sie in der Bundeshauptstadt Fashion Africa 254. Die Agentur ist darauf spezialisiert, afrikanische Kreativmarken durch Markenberatung, Öffentlichkeitsarbeit und E-Commerce auf dem europäischen Markt einzuführen und sie zu fördern. „Bei Fashion Africa 254 schaffen wir strategische Partnerschaften zwischen verschiedenen Talenten des afrikanischen Kontinents und etablierten europäischen Unternehmen“, heißt es dazu auf der Website.