Autor: Markus OessWie allen klassischen Anbietern machte die Pandemie EDUARD DRESSLER zu schaffen. Nun verspürt man in Großostheim wieder seit Längerem Aufwind. Der Abschied des langjährigen Geschäftsführers, Dieter Reinert, in den Ruhestand zum Jahreswechsel Ende 2021 führte zu einem Umbau in der Führung. Seither ist die Führung auf sechs Köpfe verteilt. Chistian Fenske, Head of Design, und Matthias Rudowicz, Head of Sales, berichten direkt an die Konzernzentrale. Wir haben mit den beiden Managern über den Umbruch und die Weiterentwicklung der Marke gesprochen.
FT: Dieter Reinert war 32 Jahre im Amt, nun gibt es zwar keinen Geschäftsführer mehr vor Ort, die Herren Brinkmann sind als Geschäftsführer in Herford. Was mussten Sie ändern?
Christian Fenske: „Alle Leitungsbereiche wurden auf sechs Köpfe verteilt, davon haben zwei Prokura. Matthias und ich reporten regelmäßig nach Herford. Vieles läuft über Videocall. Die Herren Brinkmann kommen mindestens zweimal im Jahr nach Großostheim und wir stehen im ständigen Austausch. Hier vor Ort haben wir eine flache Hierarchie. Es mag sein, dass die Entscheidungsfindung selbst etwas komplexer ist, dafür aber haben wir bei der Umsetzung einen enormen Vorteil, weil alle dahinterstehen und an einem Strang ziehen.“
Wie stark ist die Familie Brinkmann eingebunden?
Matthias Rudowicz: „Operativ liegt die Verantwortung in Großostheim, strategisch liegt die letzte Entscheidung natürlich in Herford.“
In der Pandemie totgesagt, später zum Helden aufgestiegen – wie sieht es mit der Businesswear aktuell aus?
Matthias Rudowicz: „Die starken Auswirkungen der Pandemie haben wir hinter uns gelassen und in den vergangenen Monaten auch vom Boom der Businesswear stark profitiert. Im Augenblick läuft es auch sehr gut. Wir kommen mit der Produktion kaum hinterher. Aber wir müssen natürlich abwarten, wie sich Krieg und Energiekrise auf die Gesamtsituation auswirken. Es hilft natürlich, dass wir in Europa produzieren. Aber die Kosten steigen.“
Was hat sich modisch getan?
Christian Fenske: „Nicht erst seit der Pandemie zeigen wir uns deutlich modischer. Unsere Kollektion besteht vermehrt aus Outfits, die immer wichtiger für uns werden und zudem eine klare Aussage haben, wo und für was wir stehen. Wir sind stilistisch deutlich mutiger und internationaler geworden, ohne unsere DNA zu verlieren. Ziel war es, flächenfähig zu sein. Das ist vor allem für das Exportgeschäft von großer Bedeutung, denn im Ausland verortet man die Marke weit weniger klassisch und sind die Händler folglich offener, auch Neues zu probieren.“
Wie teilen sich Inlands- und Auslandsgeschäft auf und welche Länder sind besonders stark?
Matthias Rudowicz: „Das Ausland steuert um die 45 Prozent des Umsatzes bei, Tendenz steigend. Schwerpunkt ist Zentraleuropa, also die Niederlande, die Schweiz, Dänemark, UK. Auch in Ländern wie Aserbaidschan oder Kasachstan läuft es gut. Hier machen wir zum Beispiel mehr Umsatz als in der Ukraine oder in Russland, wo die Märkte weggebrochen sind. Wir sind gerade dabei, uns die Marktanteile wiederzuholen, die wir in der Pandemie verloren hatten. Obwohl ich auch sagen muss, dass im Export die Folgen der Pandemie weit weniger zu spüren waren als hier in Deutschland beziehungsweise sich das Geschäft merklich schneller erholt hatte.“
Stehen neue Länder auf der Agenda oder heißt es mehr die Felle beisammenhalten und warten, bis die Krise vorbei ist?
Matthias Rudowicz: „Stand heute wollen wir die Märkte konsolidieren, in denen wir sowieso schon vertreten sind, bevor wir neue Länder angehen. Tatsache ist aber auch, dass wir im Exportgeschäft die größeren Wachstumschancen sehen.“
Haben Sie auch neue Segmente im Blick, mit denen Sie wachsen wollen?
Christian Fenske: „Nein, es werden vorerst keine neuen Segmente dazukommen. Vielmehr werden wir unsere bestehenden ausbauen und vielseitig gestalten, sodass wir speziell im Export noch weitere Kundenkreise gewinnen können.“
Welche Bedeutung spielen die Systemflächen für die Marke?
Matthias Rudowicz: „Eine große, weil wir die Chance haben, die Marke optimal auszusteuern und auf die Fläche zu bringen. So können wir den Umsatz steigern und den Beweis erbringen, dass die Marke funktioniert. Wir haben jetzt in Deutschland Flächen bei P&C Düsseldorf, im KaDeWe, im OBERPOLLINGER und bei WÖHRL. Dazu kommen zwei im vergangenen Frühjahr eröffnete Flächen bei P&C in Wien. Wenn eine Fläche implementiert wird, ist das ein Commitment für beide Seiten und es muss demzufolge auch für beide Seiten passen.“
Neuer Look …
Stehen weitere Flächen an?
„In den kommenden Monaten steht der Umbau der Fläche im KaDeWe an. Des Weiteren sind aktuell keine neuen Flächen in Planung.“
Formal Wear galt noch in der Pandemie als out. Jetzt greifen vermehrt auch junge Männer wieder zum Anzug. Welche perspektivischen Antworten haben Sie darauf?
Christian Fenske: „Ich war schon in der Pandemie guter Dinge, dass der Anzug nicht verschwindet. Ich komme aus Berlin und die Skater dort stehen schon seit Langem gerne auch mal mit dem Sakko auf dem Brett. Es dauerte dann in der Regel nicht allzu lange, bis es ein Trend wird. Nach einschneidenden Erlebnissen wie der Pandemie wünschen sich Menschen eine Veränderung. Der Anzug ist nicht wegzudenken, aber wir sehen, dass seine Spielarten deutlich vielfältiger geworden sind. Von sehr elegant bis innovativ-funktional ist da alles dabei. Ein gutes Beispiel ist unser neuer Bi-Stretch-Anzug im NOS, der zwar klassisch-elegant anmutet, aber durch seine rein mechanische Elastizität derart komfortabel ist, dass er sich fast wie ein Jogginganzug trägt. Generell denken wir nicht in Altersgruppen. Wir stehen für eine Haltung und die ist zeitlos und alterslos.“
Sind Messen wieder ein Thema?
Matthias Rudowicz: „Wenn, dann kommt für uns die Pitti Uomo infrage. Das ist ein Thema, das final die Geschäftsführung in Herford entscheidet.“
Konnten und vor allem können Sie auch weiterliefern?
Matthias Rudowicz: „Konnten und können wir. Wir werden auch für die nächste Orderrunde wieder in das Risiko gehen und vordisponieren.“
… neue Bilder
Wie gehen Sie mit der Energiekrise um und was passiert mit den Preisen?
Christian Fenske: „Die Kostenexplosion macht wie allen auch uns zu schaffen. Wir haben aber für uns entschieden, nicht an der Qualität und dem Wareneinsatz zu sparen. Gegenüber dem letzten Winter sprechen wir Stand heute von 25 Prozent höheren Beschaffungspreisen.“
Haben Sie auch die EK und VK erhöht?
Matthias Rudowicz: „Die hohen Kostensteigerungen mussten wir weitergeben und wir haben teilweise ein bis zwei Preislagen übersprungen. Gerade in Deutschland ist das Thema Eckpreise stark im Fokus. Wir haben schon vor zwei Saisons entschieden, uns davon zu lösen und Zwischenpreise einzuführen. Heute sprechen wir im Schwerpunkt von 499 bis 699 Euro für das Sakko und 699 bis 799 Euro für den Anzug und gehen in der Spitze auch über die 1.000 Euro.“
Mit welchen Erwartungen blicken Sie auf den kommenden Winter?
Matthias Rudowicz: „Natürlich kann keiner in die Zukunft schauen. Aber bislang spüren wir keinen Einbruch. Erste Gespräche deuten darauf hin, dass wir ein Pari oder ein kleines Wachstum erreichen können.“
Hintergrund
Im November vergangenen Jahres teilte EDUARD DRESSLER mit, dass der Geschäftsführer von EDUARD DRESSLER, Großostheim, Dieter Reinert, nach 32 Jahren in den Ruhestand geht. Im Zuge dessen wurde die Führungsstruktur der bugatti-Tochter neu geordnet. Die Verantwortung vor Ort wurde auf sechs Köpfe verteilt, zwei von ihnen erhielten überdies Prokura. So ist Cecilie-Ulrike Fünffinger für das Personal verantwortlich, Simone Diekmann für Logistik/Einkauf, Stephan Habermeyer für Produktion/CAD, Steffen Voigt für den Vertrieb/Export, Matthias Rudowicz für den Vertrieb/Retail und Christian Fenske für das Design. Fenske und Rudowicz berichten direkt an die Konzernzentrale.
Modisch will sich die Marke in Outfits präsentieren und strebt eine Modernisierung an. Über die Flächenfähigkeit soll die Sichtbarkeit erhöht werden. Das Unternehmen sieht vor allem im Ausland Wachstumsmöglichkeiten.