Autor: Markus OessZur Neueröffnung kamen sie alle. Schließlich gab es nicht nur etwas zu feiern, sondern der neue WÖHRL am Stammsitz zeigt, was das Traditionshaus will und vor allem, was es kann. Wir haben mit Christian Greiner, Inhaber und Aufsichtsratschef, über Konzepte, Kunden und Kommunikation gesprochen.
FT: Herr Greiner, nachdem das neu erweiterte Stammhaus fertig war, wie oft waren Sie vor Ort?
Christian Greiner: „Die Woche nach der Eröffnung war ich komplett vor Ort. Und ich werde auch in der nächsten Zeit ein besonderes Augenmerk auf unser Stammhaus haben.“
Das Haus ist jetzt ein paar Tage am Netz. Wie fällt die allererste Bilanz aus?
„Das Feedback war wirklich gigantisch gut. Es gibt ja immer welche, die aus Prinzip mehr zu kritisieren haben als zu loben, aber ich kann sagen, dass alle Stakeholder vom Kunden über die Mitarbeiter bis zu unseren Lieferanten mit großer Begeisterung auf den neuen WÖHRL reagiert haben. Mein Dank bei dieser Gelegenheit an alle, die geholfen haben, dieses für das gesamte Unternehmen WÖHRL so wichtige Projekt zu verwirklichen. Jetzt geht es in naher Zukunft darum, die Details zu betrachten und nachzujustieren. Auf dem Papier sieht es immer etwas anders aus als in der Realität. Aber zusammenfassend herrscht echte Begeisterung und Überraschung. Nicht alle hatten uns so einen Wurf zugetraut …“
Sie haben neue Dienstleistungen wie Personal Shopping und neue Gastro-Konzepte aufgenommen und das Markenportfolio erweitert, mit Beauty zum Beispiel oder neuen Premiummarken wie AlphaTauri oder POLO RALPH LAUREN. Inwieweit sind das Bauteile für den neuen WÖHRL, die auch in anderen Standorten Einzug halten könnten?
„Wir haben schon vor Nürnberg neue Marken und Preislagen aufgenommen und nach oben angebaut, zum Beispiel in Passau oder Würzburg. An welchen Standorten das möglich ist, hängt zum Beispiel davon ab, welche Wettbewerbsbedingungen vor Ort herrschen. Nürnberg zeigt aber: Unser Konzept geht auf. Wir konnten Menschen in unserem Stammhaus begrüßen, die noch nicht oder schon lange nicht mehr da waren, denn wir brauchen beide, treue Stammkunden und Neukunden.“
Die Marken wie zum Beispiel BOSS und HUGO haben eine breite Flächenpräsenz im Haus erhalten …
„Auch das ist Teil des neuen Konzeptes. Wir haben die Zahl der Marken reduziert, geben aber unseren Markenpartnern mehr Raum, sich zu entfalten und eine eigene Markenwelt innerhalb des Hauses aufzubauen. HUGO BOSS ist da nicht das einzige, aber ein gutes Beispiel.“
Wieso haben Sie die Schuhfläche in Kooperation mit TRETTER aufgenommen?
„Wieso nicht? Schuhe sind fester Bestandteil von Bekleidung, einem Look. Wir hatten im Vorfeld überlegt, wie wir das Thema Schuhe für die ganze Familie angehen sollen, und kamen zu dem Schluss, dass es auf jeden Fall mit der nötigen Konsequenz und Entschlossenheit passieren muss. Irgendwo irgendwelche Angebote im Haus zu verteilen, ist wenig zielführend. Mit TRETTER haben wir einen professionellen, überaus kompetenten Partner gefunden, der in der Lage ist, in seinem und in unserem Sinne diese Fläche zu bewirtschaften. Und wir kannten das Unternehmen bereits von LUDWIG BECK, wo TRETTER ein Konzept unter ihrer Marke THOMAS betreibt, das sehr gut funktioniert. Wir wussten also, auf wen und was wir uns da einlassen – im positiven Sinne.“
Ist TRETTER normaler Mieter?
„Tretter bewirtschaftet eigenverantwortlich die Fläche von 700 Quadratmetern.“
Sind weitere Flächen angedacht?
„Möglich ist das, aber wir haben keine konkreten Schritte geplant. Wie gesagt, zunächst müssen wir genauer hinschauen, was sich bewährt, wo optimiert und wo gegebenenfalls korrigiert werden muss. Das gilt übrigens auch für die Beauty-Fläche, die das Angebot von WÖHRL in Nürnberg in besonderer Weise aufwertet und sehr sinnvoll ergänzt. Hier haben wir aber im Gegensatz zu den Schuhen die Fläche selbst nach unseren eigenen Vorstellungen entwickelt.“
Sie haben unten im U-eins mit The Good Fashion ein Nachhaltigkeitskonzept eingeführt. Sind die älteren Kunden nicht genauso sensibilisiert für das Thema, zumal die dann auch das nötige Geld mitbringen?
„Wer sagt denn, dass nur die jungen Leute ins U-eins gehen? Die Fläche ist nicht dazu da, krampfhaft Teenager anzusprechen. Das Gegenteil ist der Fall: Das Nachhaltigkeitskonzept ist ein Angebot an alle Kunden und Kundinnen von WÖHRL, konzentriert auf einer Fläche.“
Wie ordnen Sie die Fläche strategisch für WÖHRL ein?
„Wir bespielen das Thema schon eine Weile und haben neben der Aufnahme von nachhaltigen Labels wie zum Beispiel ARMEDANGELS auch unter der Head ,Gemeinsam für morgen‘ im Sommer 2021 unsere nachhaltige Eigenmarke zusammen mit dem Bio-Baumwollspezialisten Remei und dem Gütesiegel bioRe® gestartet. Das bauen wir ebenfalls nach und nach auf. Aber ich glaube nicht, dass Nachhaltigkeit bereits in der Mitte des Marktes angekommen ist. Es ist ein Aspekt, der sicherlich zusehends an Bedeutung gewinnt. Kaufentscheidend wird dieser aber nur, wenn es ein Add-on unter sonst gleichen Bedingungen darstellt. Und da schließe ich explizit den Preis mit ein. Der erhobene Zeigefinger hilft auch hier nicht.“
Impressionen vom neuen WÖHRL
Wenn wir auf den Zustand des gesamten Filialnetzes von WÖHRL blicken, wo stehen Sie jetzt?
„Wir haben seit dem Neustart 2017 schon viel erreicht. Sicher haben wir noch Flächen, die wir modernisieren wollen. Aber das ist ein kontinuierlicher Prozess. Eine Roadmap, auf der die zu renovierenden Filialen aufgelistet sind, gibt es nicht.“
„Eines ist klar: Wir können Krise.“
Wird es auch noch neue Standorte geben?
„Wie heißt es so schön? ‚Wir schauen uns alles an und prüfen.‘ Aber in der Tat ist es so, dass wir Standorte immer prüfen, wenn es interessant für uns zu sein scheint. Konkrete Expansionsschritte sind aber aktuell nicht geplant.“
Jetzt ist die Order durch, steht mehr oder weniger in den Büchern?
„Wie in der Pandemie und im Grunde auch vor der Pandemie schon orientiert sich ein guter Einkäufer immer an den Perspektiven. Genau hier liegt das Problem. Wir sind gehalten, die richtige Balance zu finden zwischen der nötigen Warenverfügbarkeit und vermeidbarem Lagerdruck. Da hat es keine nennenswerten Ausschläge gegenüber der Vergangenheit gegeben.“
Als wir zuletzt über die Zukunft der Branche sprachen, hatten wir die Pandemie und Russland war noch weit entfernt von einem Angriff auf die komplette Ukraine. Wie blicken Sie auf die nächsten Monate?
„Ich bin der Meinung, dass die aktuelle Krise sich stärker auswirkt als die Pandemie. Bei Corona befanden wir uns zwar alle im Krisenmodus, aber die wirtschaftliche Bedrohung war für die Menschen unterschiedlich. Inzwischen sind alle Teile der Gesellschaft und der Wirtschaft von Inflation und Energiekrise betroffen und das massiv. Obendrein weiß kein Mensch, wo wir nach sechs Monaten stehen werden.“
Gibt es einen Krisenplan?
„Eines ist klar: Wir können Krise. Aber wie sollen wir einen Krisenplan entwickeln, wenn wir nicht wissen, was auf uns zukommt? Viel wichtiger ist, die nötige Flexibilität zu haben, um schnell und mit den richtigen Maßnahmen auf neue Entwicklungen reagieren zu können.“
Der Interviewpartner
Christian Greiner wurde am 19. März 1979 als Sohn von Brigitte Greiner und Hans Rudolf Wöhrl in Nürnberg geboren. Nach Abitur und Wehrdienst begann er im Mai 2000 sein Studium in den USA am Berklee College of Music in Boston, Massachusetts. Hier belegte er einen Doppelstudiengang mit den Schwerpunkten Business/Management, Produktion und Tontechnik, verbunden mit dem Studium der zeitgenössischen Musik. Von Anfang 2004 bis Ende 2007 war Greiner als Geschäftsführer der U-eins by Wöhrl GmbH in Nürnberg tätig und von April 2005 bis Ende 2007 zuständig für sämtliche Jeansflächen in den Filialen der Rudolf Wöhrl AG und die Filialisierung des U-eins-Konzepts.
Seit 2008 ist Greiner Geschäftsführer der INTRO-Gruppe sowie der consens gmbh, die sich auf Beratung und Firmenbeteiligungen spezialisiert haben. Seit 2008 ist Greiner Mitinhaber und Geschäftsführer der Marketingagentur nuts communication GmbH in Nürnberg sowie Mitgründer und Partner der PR-Agentur we love pr GmbH mit Sitz in München und Hamburg. Außerdem ist er in diversen Aufsichts- und Beiratsgremien tätig. Im Januar 2011 wechselte Greiner vom Aufsichtsrat in den Vorstand der Ludwig Beck AG und verantwortet dort als Vorsitzender die Bereiche Einkauf, Verkauf, Personal und Marketing. Im Mai 2017 erhielt Greiner den Zuschlag zur Übernahme von WÖHRL. Greiner ist Aufsichtsratsvorsitzender der Rudolf Wöhrl SE.