Quo vadis, Homeoffice?

Arbeit

„Hybride Modelle sind auf jeden Fall eine gute Lösung, aber auch dort am besten mit Flexibilität“. Christiane Flüter-Hoffmann, Arbeitsmarktexpertin des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ©IW Medien GmbH, Florian Lang

Autorin: Eva Westhoff
Homeoffice ist nicht neu. Seit Jahrzehnten gibt es sie, die räumliche und zeitliche Flexibilisierung von Arbeit, die durch digitale Technologien gestützt wird. Als Maßnahme des Infektionsschutzes gewann das Arbeiten von zu Hause aus während der Corona-Pandemie jedoch eine veränderte, zentrale Bedeutung – neue Erfahrungen mit dieser Arbeitsform wurden möglich. Für viele Beschäftigte habe sich Homeoffice dabei als eine echte Erfolgsgeschichte herausgestellt, sagt Christiane Flüter-Hoffmann, Arbeitsmarktexpertin des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Wenn alle Voraussetzungen stimmten, könne sich für beide Seiten, Beschäftigte und Betriebe, eine Win-win-Situation ergeben. Was braucht es, um Homeoffice zu einem Zukunftsmodell zu machen? FASHION TODAY hat nachgefragt.

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FT: Frau Flüter-Hoffmann, was erwarten Sie für die Verbreitung von Homeoffice für die Zeit nach Corona?
Christiane Flüter-Hoffmann: „Die Verbreitung wird definitiv steigen: Aufgrund der positiven Erfahrungen konnten viele Vorbehalte entkräftet werden und beide Seiten – Betriebe und Beschäftigte – können davon profitieren. Daher sagen Betriebe und Beschäftigte gleichermaßen, dass sie mehr Homeoffice machen werden als vor der Pandemie, wenn die Aufgaben sich eignen und keine Präsenz vor Ort unbedingt notwendig ist. Allerdings ist dies unterschiedlich je nach Größe: Der Anteil der Betriebe, die die Homeoffice-Option ausbauen wollen, ist bei den Großbetrieben mit über 250 Beschäftigten sehr viel höher als bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU).“

Lassen sich Aussagen bezüglich des Anteils der Unternehmen treffen, die den zeitlichen Umfang der Homeoffice-Tätigkeiten im Vergleich zum Vor-Pandemie-Niveau erhöhen wollen?
„Ja, dazu gibt es verschiedene Studien. Nehmen wir die Betriebsbefragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Dort sagten fast zwei Drittel der Großbetriebe (65 Prozent) mit mehr als 250 Beschäftigten, dass sie das Angebot von Homeoffice ausweiten wollen. Bei den mittelgroßen Betrieben (50 bis 249 Mitarbeiter) sagten dies gut 30 Prozent und bei den kleinen Betrieben nur jedes fünfte Unternehmen (20 Prozent). In einer bitkom-Studie sagte gut ein Viertel der Beschäftigten (27 Prozent), dass sie nach der Pandemie mehr Homeoffice praktizieren wollen, und zwar im Hybrid-Modell. Und 8 Prozent der Beschäftigten wollen ausschließlich von zu Hause aus arbeiten.“

Welche Vorteile verbinden Beschäftigte mit Homeoffice?
„Gewinn von Lebenszeit durch verringerte Pendelzeiten, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch mehr Zeitsouveränität und geringeren Vereinbarkeitsstress sowie die Möglichkeit für Teilzeitbeschäftigte, ihrem Arbeitgeber mehr Arbeitszeit anbieten zu können.“

… und welche Nachteile? Beobachten Sie nicht auch ein verbreitetes Verlangen, nun endlich wieder zurück ins Büro zu kommen?
„Ja, vor allem bei Personen, bei denen die Rahmenbedingungen für Homeoffice nicht optimal waren, sei es durch die Doppelbelastung von Homeoffice und Homeschooling, schlechte Ausstattung oder unzureichende Kommunikation im Team. Solche Personen sind oft froh, an ihren Büroarbeitsplatz zurückkehren zu können.“

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Lassen sich Faktoren festmachen, die Einfluss auf die Beurteilung von Homeoffice haben, zum Beispiel die Art der Arbeit, das Verhalten der Vorgesetzten oder die Persönlichkeit der befragten Personen?
„Das sind schon drei sehr wichtige Faktoren: Wer nicht vor Ort sein muss wie Feuerwehrleute, Krankenpflegepersonal, Pförtner oder Friseure, sondern am Computer seine Arbeit erledigen kann, hat schon gute Voraussetzungen. Aber auch die Unternehmenskultur muss stimmen, also das Vertrauensverhältnis im Team und zwischen Beschäftigten und Vorgesetzten. Ein Thema, das eigentlich nur an den Hochschulen kursiert und für das es dort Erste-Hilfe-Kurse gibt, ist die Prokrastination, also das Aufschieben von Aufgaben. Diese Erfahrung haben viele Beschäftigte während der Pandemie gemacht und sich zu Hause von verschiedensten Dingen ablenken lassen. Wer sich also nicht gut selbst managen kann und daher weniger Arbeitsergebnisse liefert oder eine schlechtere Qualität, der ist vermutlich froh, wieder im Büro arbeiten zu können.“

Wie wirkt sich Homeoffice auf die Produktivität aus? Es gibt die These, dass Beschäftigte im Homeoffice sogar häufig länger arbeiten.
„Ja, in den USA gab es eine interessante Studie an der Stanford-Universität in Kalifornien. Die Professoren fürchteten, dass die Produktivität der gesamten amerikanischen Wirtschaft enorm einbrechen würde. Aber tatsächlich war es so, dass viele Beschäftigte die eingesparte Pendelzeit zum Teil für die Erledigung der Aufgaben nutzten, sodass teilweise die Produktivität anstieg. Andere Studien haben ermittelt, wie wichtig es ist, dass die Rahmenbedingungen stimmen, dass die Personen mit den digitalen Tools für die Zusammenarbeit und die Kommunikation umgehen können und sich nicht noch parallel zum Homeoffice um die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen kümmern müssen.“

Sind hybride Modelle der Königsweg?
„Hybride Modelle sind auf jeden Fall eine gute Lösung, aber auch dort am besten mit Flexibilität, also nicht ein starres Modell wie Montag, Mittwoch, Freitag Büro und Dienstag und Donnerstag Homeoffice.“

Was halten Sie von einem Rechtsanspruch auf Homeoffice? Arbeitsminister Hubertus Heil hegte ja entsprechende Pläne.
„Ein Rechtsanspruch ist unserer Meinung nach kontraproduktiv. Denn das ist ein Thema, das die Betriebsparteien unter sich ausmachen sollten. Wir hoffen also, dass es nur – wie ursprünglich vorgesehen – beim Erörterungsanspruch bleibt, wie in den Niederlanden. Im aktuellen Koalitionsvertrag heißt es: ,Beschäftigte in geeigneten Tätigkeiten erhalten einen Erörterungsanspruch über mobiles Arbeiten und Homeoffice.‘

Welche Rahmenbedingungen und arbeitsrechtlichen Regelungen braucht es, um Homeoffice zukunftsfähig zu machen?
„Was nach wie vor noch ein Problem für viele Betriebe und Beschäftigte in der digitalen Arbeitswelt ist, das ist das Arbeitszeitgesetz. Es bremst die Flexibilität der Betriebe und Beschäftigten aus. Beispiel: Wer nachmittags mit seinen Kindern zum Theaterstück geht oder an den See zum Schwimmen und sich nach dem Zubettbringen der Kinder wieder an den Schreibtisch setzt, der muss bis zum nächsten Morgen elf Stunden Ruhezeit einhalten, zum Beispiel von 23 Uhr bis 10 Uhr morgens, obwohl die Person schon um 8 Uhr wieder fit ist. Auch hier wünschen wir uns mehr Flexibilität, beispielsweise eine wöchentliche Höchstgrenze an Arbeitsstunden, aber mehr Freiheit für die Beschäftigten, wie sie diese Stunden verteilen.“