Ein Koffer für die Reise

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„Jede neue Mitarbeiterin hat ein Jahr Zeit, das Unternehmen kennenzulernen, die eigenen Talente zu entdecken." Bas Kamst. Alle Bilder ©FT

Autor: Markus Oess
Kreativität und Spaß am Umgang mit Menschen. Das Modehaus KAMST mit Hauptsitz im niederländischen Coevorden betreibt fünf Filialen im Webshop. Für seine Kreativität und Mitarbeiterführung in der Pandemie wurde das Ehepaar Kamst mit dem EK Passion Star ausgezeichnet. Ein Besuch in Coevorden.

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Jede neue Kraft erhält am ersten Arbeitstag einen Koffer. Das, was in den Koffer kommt, soll helfen, den gemeinsamen Weg besser zu meistern.

Wer bei Bas Kamst anfängt zu arbeiten, begibt sich auf eine Reise. Eine Reise in eine gute Zukunft. Und selbst wenn die Zusammenarbeit nicht lange währen sollte, gehen der niederländische Möbelhändler und jede einzelne seiner 42 Mitarbeiterinnen ein gutes Stück des gemeinsamen Weges. Deswegen erhält jede neue Kraft am ersten Arbeitstag einen Koffer. Das, was in den Koffer kommt, soll helfen, den gemeinsamen Weg besser zu meistern und auch eine engere Bindung zueinander aufzubauen. Das sind zum einen nützliche Helfer wie ein Brandbook, ein Adressbuch, eine Landkarte mit den Filialen und ein Wörterbuch für die wichtigen Begriffe für den Verkauf auf der Fläche. Aber auch Bändchen und Medaillen, wenn jemand ein Firmenjubiläum hat, oder Ausbildungsnachweise kommen hinein.

Kamst betreibt fünf Filialen, der Hauptsitz befindet sich in Coevorden. Neben ihm sind noch sein Onkel als Lagerarbeiter und seine Frau, die den Einkauf macht, im Familienunternehmen. Bas kümmert sich um den Rest: Marketing, Controlling/Buchführung und Mitarbeiterführung. In der Pandemie haben die niederländischen Modeanbieter auch einen Onlineshop eröffnet, der inzwischen wie eine eigene Filiale geführt wird. Kommissioniert wird im Zentralgeschäft. Für den Webshop arbeiten vier Kräfte. Die Filialen sind mit acht bis neun Mitarbeiterinnen besetzt. Kamst nimmt auch Quereinsteigerinnen ins Team. Der Kleinfilialist konzentriert sich auf klassische und moderne Womenswear in Mittelpreislage und verkauft Marken wie Geisha, And Co, STUDIO ANNELOES, CARCIA, OPUS, NUKUS oder FRANK WALDER.

„Ich gebe allen Mitarbeiterinnen die nötigen Freiräume, sich auch aus dem aktuellen Tätigkeitsfeld heraus neu zu definieren, um den nächsten Schritt zu tun.“

„Ich komme aus einer Händlerfamilie. Das Geschäft wurde 1946 von meinem Großvater gegründet. 1990 übernahmen meine Eltern den Laden. 2014 kamen wir ans Ruder“, erzählt Bas Kamst. Seither wurde eine Filiale geschlossen und eine neue eröffnet. „Ich habe BWL, Marketing und Neurologie studiert. Nach meiner Ausbildung habe ich zunächst als Account Manager bei Brunel gearbeitet. Dort habe ich gelernt, wie wichtig Aus- und Weiterbildung sind. Die Frauen arbeiten zwischen 15 und 38 Stunden im Unternehmen. Da sind wir sehr flexibel, sicher auch ein Grund, weswegen besonders viele Mütter bei uns arbeiten“, betont Kamst.

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Wird das Umsatzziel erreicht, wird gerubbelt und das ganze Filialteam erhält zusätzlich eine Prämie.

Schon früh hat sich der Firmenchef für Mitarbeiterführung interessiert und sich ausgiebig damit beschäftigt, wie er jede Einzelne seines Teams weiterentwickeln kann. „Ich gebe allen Mitarbeiterinnen die nötigen Freiräume, sich auch aus dem aktuellen Tätigkeitsfeld heraus neu zu definieren, um den nächsten Schritt zu tun. Alle verdienen bei mir das gleiche Geld. Und die Mitarbeiterinnen tragen auch Verantwortung für das Geschäft, so verteile ich die Last auf viele Schultern. Die Identifikation mit unserem Unternehmen ist sehr hoch. Natürlich haben wir auch Ziele, die wir gemeinsam erreichen wollen, aber ein Diktat von oben ist wenig hilfreich. Mir sind auch der Respekt und die Anerkennung der Leistung einer jeden sehr wichtig.“ So hängt zum Beispiel in jeder Filiale ein Rubbelkalender, der Spiel und Anerkennung verbindet. Wird das Umsatzziel erreicht, wird gerubbelt und das ganze Filialteam erhält zusätzlich eine Prämie.

Seine Bürotür stehe immer offen, sagt Kamst und kommt wieder auf den Koffer zu sprechen: Die Arbeit bei uns ist eine Reise, die wir gemeinsam unternehmen. Wenn der Rest stimmt, kommt man fast überallhin. Wir haben langjährige Mitarbeiterinnen im Team und wir suchen ,Glück-Bringer‘. Jede neue Mitarbeiterin hat ein Jahr Zeit, das Unternehmen kennenzulernen, die eigenen Talente zu entdecken. Wir investieren auch viel in Aus- und Weiterbildung und halten regelmäßig Schulungen ab. Ich achte auch darauf, in kurzen Abständen in die Filialen zu fahren. Mein Anspruch ist es, jede Mitarbeiterin wenigstens einmal die Woche zu sehen.“

Auch Bändchen und Medaillen, wenn jemand ein Firmenjubiläum hat, oder Ausbildungsnachweise kommen in den Mitarbeiterkoffer.

KAMST Mode hat es geschafft, in der Pandemie zu wachsen und neue Kunden hinzuzugewinnen. „In der Krise habe ich meinen Schreibtisch aufgeräumt und alte Ideen über Bord geworfen“, sagt Kamst. So hat er zum Beispiel an Pflegekräfte einen Gutschein über 25 Euro verschenkt. Gut 16.600 Menschen haben den dann später eingelöst. Das kam sehr gut an. „Wir haben Modenschauen mit unseren Mitarbeiterinnen als Models organisiert und ins Netz gestellt. Diese Modenschauen machen wir heute noch jeden Mittwoch in einer unserer Filialen. Viele Aktivitäten liefen über den Webshop und Social Media. Kleine Werbespots wurden etwa digital verbreitet“, berichtet er. Das Team lieferte über die Website bestellte Waren an die Kunden aus. Wer nicht online shoppen konnte oder wollte, wurde nach Anmeldung exklusiv abends privat in den Filialen beraten. Auch kleine Aktionen kamen gut an, wie zum Beispiel die Kamst-Wundertüte, eine Art Lotterie-Aktion: Bezahle 150 Euro und bekomme für 500 Euro Überraschungsmode. „Wir sind aus der Pandemie gestärkt hervorgegangen, weil wir mehr gemacht haben als andere und mit kreativen Ideen nah am Kunden geblieben sind“, sagt der Niederländer noch zum Abschied. Auch aus diesem Grund hat er den EK Passion Star 2021 der EK gewonnen.