Autorin: Katja VadersWährend man sich in Deutschland mit dem Thema „New Work“ immer noch etwas schwertut, hat Corona zumindest die Akzeptanz für das Arbeiten im Homeoffice erheblich vergrößert: Laut einer aktuellen Erhebung des Münchner ifo INSTITUTs arbeiten trotz Aufhebung der Homeoffice-Pflicht im März weiterhin um die 25 Prozent von zu Hause aus. FT sprach mit Tina Jokisch, Geschäftsführerin beim Architekturbüro Schwitzke & Partner, darüber, wie sich das Thema Homeoffice in Zukunft entwickeln könnte.
FT: Frau Jokisch, während der Lockdowns hat Deutschland im Gegensatz zu seinen europäischen Nachbarn den hier ansässigen Unternehmen eher zögerlich eine Homeoffice-Pflicht verordnet. Was hat Corona dennoch in dem Zusammenhang verändert?
„Corona hat dazu geführt, dass die einzelnen Viertel in den Städten wieder mehr belebt wurden. Man ist wegen des Homeoffice in seinem Stadtteil geblieben, um zu arbeiten oder einkaufen zu gehen. Daher haben sich einzelne Viertel mehr entwickelt, was ich toll finde. Gleichzeitig wurden auch die Defizite der Innenstädte sichtbar, die hauptsächlich von Handel und Gastronomie geprägt sind und in denen es keine Mischkultur gibt. Während der harten Lockdowns waren die Innenstädte dementsprechend wie ausgestorben. Innerhalb von zwei Jahren Pandemie ist es deshalb auch zu vielen Leerständen gekommen.“
Das scheint ein eher deutsches Phänomen zu sein. Was sind die Gründe?
„Die Großstädte in Deutschland wurden nach dem Krieg nach dem Modell der Charta von Athen zu funktionalen Städten entwickelt, das heißt, in dem einen Bereich konnte man einkaufen, in einem anderen arbeiten oder wohnen. Diese Trennung kam in der Pandemie ganz besonders zum Vorschein. Inzwischen beschäftigen sich immer mehr Städte damit, wie man diese Teilung aufbrechen kann, um die Zentren wieder attraktiver zu gestalten; zum Beispiel, indem man der Gastronomie mehr Raum gibt. Das ist während Corona schon passiert, weil die Menschen draußen sitzen mussten. Die größeren Außenbereiche sind geblieben und das kann man als sehr positiv bewerten. Dadurch ist mehr Lebensqualität entstanden, das Konzept des ,Draußensitzens‘ kannten wir ja früher nur aus dem Süden. Ein gutes Beispiel ist auch Paris, wo Bürgermeisterin Anne Hidalgo das Konzept der ,Stadt der 15 Minuten‘ entwickelt hat – Viertel innerhalb der Großstadt, in denen man alles, was man zum Leben braucht, in maximal 15 Minuten Fußweg erreichen kann.“
„Ich empfinde es als sehr positiv, dass man nicht mehr für einen einstündigen Termin durch ganz Deutschland reist.“
Sie haben jetzt vor allem über Städte gesprochen. Würden Sie sagen, dass die Pandemie und das daraus resultierende Homeoffice auch in den Unternehmen etwas verändert haben?
„Ja, ganz klar. Ein Aspekt ist, dass man seit Corona erheblich mehr Videokonferenzen macht. Ich empfinde es als sehr positiv, dass man nicht mehr für einen einstündigen Termin durch ganz Deutschland reist. Weil man gezwungen war, von zu Hause aus zu arbeiten, mussten viele Unternehmen entsprechend reagieren. Die Pandemie hat gewisse Prozesse beschleunigt, das sehe ich auch in unserem Unternehmen: Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben ein Laptop und ein Smartphone bekommen und wir haben unsere Telefonanlage abgeschafft. Wir hatten das schon viel länger vor und immer darüber geredet – durch Corona mussten wir dann aber auch schnell handeln. Das lässt sich auch auf die Räumlichkeiten übertragen: Das Büro ist ja nicht nur ein Ort zum Arbeiten, sondern auch ein Ort, an dem Kommunikation stattfindet. Und dieser Austausch miteinander ist total wichtig! Natürlich kann auch Remote Work sehr gut funktionieren, aber zwischendurch muss man physisch die Köpfe zusammenstecken, um gemeinsam kreativ zu sein. Daher ist es auch so wichtig, dass in Büroräumlichkeiten genug Platz für Kommunikation geschaffen wird. Wir brauchen mittlerweile erheblich mehr kleine Besprechungs-Hubs als vor der Pandemie, weil zum Beispiel parallel so viele Videokonferenzen stattfinden.“
Kommen wir doch noch einmal zurück zum städteplanerischen Aspekt: Wie wird sich der Bedarf an Büroimmobilien in den Innenstädten entwickeln? Werden die überhaupt noch in der Größe und vor allem in dem Umfang gebraucht, wie es jetzt der Fall ist? Und wenn nicht: Was passiert dann mit dem immer größeren Leerstand von Büros, aber auch von Ladenlokalen?
„Ich weiß von einem Architekturbüro in London, das nach der Pandemie die Hälfte seiner Flächen abgebaut hat. Die Mitarbeiter kommen jetzt im Wechsel, keiner hat mehr einen festen Arbeitsplatz … So werden es in Zukunft sicherlich viele Unternehmen machen. Das hat natürlich Vorteile, auch den, dass weniger Menschen pendeln, was die Mobilität entlastet. Dennoch glaube ich, dass wir über kurz oder lang wieder zum alten Status quo zurückkehren werden, auch wenn es Unternehmen gibt, die möglichst viele Büroflächen abschaffen möchten. Ich glaube dennoch nicht, dass sich die Leerstände ausweiten werden. In Zukunft wird es vor allem Immobilien mit Mehrfachnutzungen geben, in denen Arbeiten, Wohnen und Shoppen kombiniert werden. Aber solche Projekte müssen wachsen und vor allem gut geplant werden, mit vielen gastronomischen Angeboten und ausreichend Freiräumen, die auch Aufenthaltsqualität bieten.“
Werfen wir doch mal einen Blick auf Ihr Unternehmen Schwitzke & Partner. Wie regeln Sie das mit dem Homeoffice? Und wie wird dieses gerade von Müttern und Vätern eingefordert beziehungsweise genutzt?
„Wir bieten weiterhin Homeoffice an, allerdings an maximal zwei Tagen in der Woche und nach Absprache. Was wir interessanterweise beobachten: Gerade die Mütter und auch Väter nutzen das Angebot fast gar nicht. Die meisten haben in der Pandemie unter der hohen Belastung gelitten, sich neben der Arbeit noch um ihre Kinder kümmern zu müssen, und freuen sich sehr, dass man inzwischen wieder ins Büro gehen und dort in Ruhe arbeiten kann. Es gibt natürlich auch Eltern, die gerne das Homeoffice nutzen, insbesondere, wenn sie weiter entfernt leben, aber insgesamt ist unser Büro wieder gut gefüllt. Wir haben bei uns aber auch eine gute Aufenthaltsqualität und ich glaube, das ist der Schlüssel: Wenn sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wohlfühlen in den Büroräumen, sind sie natürlich auch gerne anwesend. Hinzu kommt, dass viele nicht gerne zu Hause arbeiten, weil sie Job und Wohnen räumlich trennen möchten.“
„Wir entwickeln gerade für einen Kunden in der Fashionbranche Designstudios, in denen es sehr viele Lounges oder Meeting Points gibt, an denen man zusammenkommen kann. Auch hier stehen also Orte für den Austausch im Mittelpunkt.“
In letzter Zeit wird immer wieder über die Generation Z diskutiert, die ganz andere Ansprüche an eine Work-Life-Balance stellt als die älteren Generationen. Können Sie das in Ihrem Unternehmen auch ablesen, dass die jüngeren Mitarbeitenden andere Erwartungen haben?
„Man kann schon sagen, dass für die junge Generation das Arbeiten im Homeoffice eine Selbstverständlichkeit ist. Aber besonders die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zum Beispiel gerade von den Universitäten kommen und dementsprechend bezogen auf den Berufsalltag noch einiges lernen müssen, haben wir gerne regelmäßig im Büro. Hier können wir sie besser unterstützen. Während Corona gab es neue Beschäftigte im Unternehmen, die wegen des Lockdowns nicht einmal in die Räumlichkeiten kommen konnten – die fühlten sich von der Firmenkultur total isoliert. Für uns ist es sehr wichtig, unsere jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auszubilden, anzuleiten und ihnen die Möglichkeit zu geben, den erfahreneren Kolleginnen und Kollegen auch mal über die Schulter schauen zu können. Außerdem bieten wir unseren Teams regelmäßig Workshops und Weiterbildungskurse in den verschiedensten Bereichen wie 3-D-Visualisierung oder auch Englisch an, zweimal in der Woche unterrichte ich morgens vor Arbeitsbeginn Yoga in unserer Fabrik. Bei der gemeinsamen Teilnahme an solchen Angeboten kann sich das Team besser kennenlernen und auch außerhalb des Arbeitsalltags miteinander wachsen. Junge Mitarbeitende haben teilweise schon andere Ansprüche in Bezug auf die Work-Life-Balance oder Homeoffice, aber ich denke, dass alle Generationen grundsätzlich gleich gerne ins Büro kommen und arbeiten. Innerhalb der Teams haben sich auch Freundschaften gebildet, daher tauscht man sich natürlich ganz besonders gerne hier vor Ort aus.“
Welche Auswirkungen hat das auf Office-Kultur und -Design?
„Wir entwickeln gerade für einen Kunden in der Fashionbranche Designstudios, in denen es sehr viele Lounges oder Meeting Points gibt, an denen man zusammenkommen kann. Auch hier stehen also Orte für den Austausch im Mittelpunkt. Es wird bei unseren Kunden interessanterweise immer sehr viel Wert auf den Küchenbereich gelegt: Er soll im Zentrum des Büros und in den Räumlichkeiten integriert sein, weil man sich an diesem Ort gerne trifft. Außerdem liegt ein Fokus auf der Qualität von Materialien. Das Thema Nachhaltigkeit spielt eine immer größere Rolle, um nach innen, aber natürlich auch nach außen eine Haltung zu zeigen. Gerade für junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist das ein wichtiger Aspekt, sie wollen schließlich unseren Planeten erhalten. Büroräumlichkeiten, die diesen Ansprüchen genügen, sind Orte, an denen die Generation Z sehr gerne arbeitet.“
Sieht so das Büro der Zukunft aus: ein Ort, der großen Wert auf Kommunikation und Nachhaltigkeit legt? Und geht dementsprechend der Trend auch wieder weg vom Homeoffice, weil das gar nicht mehr mithalten kann?
„Ich bin mir auf jeden Fall sicher, dass es in Zukunft wieder mehr Präsenz und weniger Homeoffice geben wird. Wenn auch Unternehmen jenseits der New Economy oder Agenturen für ihre Beschäftigten mehr Wert auf eine große Aufenthaltsqualität legen. Natürlich ist auch flexibles Arbeiten ein wichtiger Faktor, aber die Leute möchten vor allem gern ins Büro gehen können, um ihre Community und ihre Teams vor Ort zu treffen. Denn das ist durch nichts zu ersetzen!“
Tina Jokisch kam 2005 zu Schwitzke. Sie absolvierte eine Schreinerlehrer und ein Studium an der Parsons Interior Design School in New York. Im Anschluss folgten diverse Jobs bei unterschiedlichen New Yorker Architekturbüros. Nach ihrer Rückkehr aus den USA betrieb sie erst zwei Jahre lang eine Galerie in Düsseldorf. Bei Schwitzke leitete sie sechs Jahre ein eigenes Team mit dem Fokus auf der Entwicklung und Umsetzung innovativer sowie markengerechter Architekturkonzepte. 2017 wurde sie, im Duo mit Marie Ernst, Geschäftsführerin bei Schwitzke & Partner. Kreativen Input findet sie vor allem auf in der Kultur und auf Reisen.