Die Gemeinschaft macht’s

Kommentar

Katja Vaders
Autorin: Katja Vaders

Der Kapitalismus in Reinkultur ist so ziemlich das Gegenteil von Gemeinschaft: Ende 2020 besaßen nur 1,1 Prozent der Weltbevölkerung 45,8 Prozent des weltweiten Vermögens, während rund 55 Prozent magere 1,3 Prozent unter sich aufteilen mussten. Dass es auch in der deutschen Mittelschicht für die meisten immer schwieriger wird, mit dem monatlich zur Verfügung stehenden Budget auszukommen, ist vielleicht ein Grund, dass sich derzeit viele Menschen als Einzelkämpfer gerieren. Das hat insbesondere in den letzten zwei, drei Jahren zu einer sichtbaren Spaltung der Gesellschaft geführt.

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Dabei scheint es in Krisenzeiten doch eigentlich besser, zusammenzurücken, Kräfte zu bündeln und zu versuchen, gemeinsam stark zu sein, als sich in seine Ecke zurückzuziehen. Dies versuchen seit jeher jedenfalls Genossenschaften – und ihr Erfolg gibt ihnen recht. Eine Genossenschaft definiert sich als ein freiwilliger Zusammenschluss von Mitgliedern, bestehend aus Personen beziehungsweise Unternehmen in einer Gesellschaft, deren Ziel es ist, neben sozialen und kulturellen auch die wirtschaftlichen Belange durch einen gemeinsamen Geschäftsbetrieb zu fördern und die Regionen zu stärken.

Bereits im Mittelalter gab es sogenannte Zünfte oder Gilden, in denen sich Handwerker organisierten, die modernen Genossenschaften gehen unter anderem auf den Sozialreformer Friedrich Wilhelm Raiffeisen zurück, der Mitte des 19. Jahrhunderts die erste Kredit- beziehungsweise Einkaufsgenossenschaft mitbegründete. Die R+V, die auf diese Genossenschaften zurückgeht, feiert in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen.

Auch die EK, die rund 4.200 selbstständige Einzelhandelsunternehmen mit 7.900 Filialen aus den verschiedensten Branchen unter sich vereint, gibt es bereits seit 1925. Seit ihrer Gründung ist die Genossenschaft organisch gewachsen, inzwischen auch international vertreten und hat durch Fusionen und Übernahmen anderer Verbundgruppen stetig neue Märkte für sich erschlossen. Auch eine Genossenschaft kann also expandieren – verliert dabei allerdings nicht ihren Gemeinschaftsgedanken aus den Augen: den lokalen Handel zu inspirieren und zu unterstützen, anstatt durch Monopolisierung zu zerstören, wie das so mancher globale Konzern tut.

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Der Zusammenhalt machts! Und wenn Genossenschaften wie die EK modern aufgestellt sind, können sie durchaus mit Aktiengesellschaften mithalten. Sie vereinen das Beste aus allen Welten, bündeln das Know-how und die Synergien verschiedenster Unternehmen und Branchen und können langfristig planen, ohne an den Aktienkurs denken zu müssen. Dabei handeln sie immer im Interesse ihrer Mitglieder, anstatt sie auf dem Markt gegeneinander auszuspielen.

Insofern ist die Genossenschaft kein Auslauf-, sondern definitiv ein Zukunftsmodell. Gerade bei den momentan wohl größten Themen, Digitalisierung und Nachhaltigkeit, möchte man nicht nur das eigene Unternehmen auf das nächste Level heben, sondern Partner, Lieferanten und ganz besonders die Händler mitnehmen. Beim Thema Nachhaltigkeit kommt dieser Schulterschluss letztendlich sogar der Gesellschaft zugute.

Ganz besonders in der Lebensmittelbranche machen Genossenschaften längst vor, dass man gemeinsam sehr gut die Nase vorn haben kann: EDEKA, die Genossenschaft, entstand 1898, ist Marktführer in Deutschland, dicht gefolgt von REWE, gegründet 1927; mit Netto beziehungsweise PENNY. haben beide zudem auf dem Markt etablierte Discounter im Rennen. Vorbilder, die Schule machen sollten!

Nicht nur, um dem Turbokapitalismus und Konzernriesen wie amazon die Stirn zu bieten, sondern insbesondere in Krisenzeiten wie diesen muss der Mittelstand sich organisieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Einzelkämpfer haben es schwer, außer sie bedienen eine Nische. Und warum sollte man es sich in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten schwerer machen als nötig, wenn man auch gemeinsam stark sein kann?