Autor: Markus OessPhilippe Celeny verantwortet seit vergangenem Sommer als Group Sales Director den kompletten Vertrieb der DIGEL AG. Nachdem die Eigentümerstruktur neu geordnet wurde, besinnt sich das Management wieder auf eine Zweimarkenstrategie mit DIGEL und DIGEL move. Warum und mit welchen Plänen das Unternehmen in die Zukunft schaut, erklärt der gebürtige Elsässer im FT-Interview.
Im vergangenen Sommer 2021 haben Jochen Digel und sein Bruder Carsten die DIGEL AG komplett übernommen. Jochen ist Mehrheitseigentümer. Gleichzeitig wurde eine neue Führungsstruktur im Unternehmen implementiert, um die Entscheidungsgeschwindigkeit auf höchster Ebene zu erhöhen. Jochen hat als Alleinvorstand die Entscheidungsbefugnis. Michael Bischof, langjähriger Vorstand der DIGEL AG, wurde zum Aufsichtsratsvorsitzenden bestellt. Er kennt das Unternehmen und die Branche aus dem Effeff. Unterhalb des Vorstandes wurde gleichzeitig eine operative Führungsebene eingezogen. Diese wurde intern mit fünf erfahrenen Managern besetzt. Marktseitig kümmert sich Ralf Kammerer als Head of Product and Marketing um die gesamte Produktwelt, während Philippe Celeny als Group Sales Director den kompletten Vertrieb der DIGEL AG verantwortet.
Philippe ist seit nunmehr 17 Jahren im Unternehmen und hat die DIGEL FRANCE erfolgreich aufgebaut. Zuvor arbeitete der gebürtige Elsässer jeweils fünf Jahre für KENZO (Menswear) und GIVENCHY. Philippe sagt über sich: „Ich habe den großen Vorteil, beide Seiten der Medaille zu kennen, und zwar Premium- und Mittelpreis- sowie das Hochpreissegment. Ich habe ebenfalls immer für große Unternehmen gearbeitet, dies aber stets in Tochterunternehmen, sodass ich als Manager das Beste beider Welten nutzen kann. Unser Ziel ist es, DIGEL zu einer internationalen Marke zu machen, ohne die DNA zu verändern: Design zu einer Topqualität zu einem hervorragenden Preis-Leistungs-Verhältnis mit einem Händlerservice, der keinen Vergleich scheuen muss. Und dazu brauchen wir DIGEL und DIGEL move als eigenständige Marken.“
FT: Philippe, Sie sind mit DIGEL move nach Florenz gefahren, die Hauptmarke wurde nicht gezeigt. Was war der Grund?
Philippe Celeny: „Der Grund ist ganz schnell erklärt. Wir haben uns wieder auf eine Zweimarkenstrategie besonnen und wir wollten auf der Messe mit einer klaren Aussage aufschlagen: urban und modisch spitz. Also haben wir uns für DIGEL move entschieden. Wir wollten auch die Zukunft unseres Hauses zeigen.“
Wie war die Resonanz auf Florenz, waren auch kleinere Händler aus Deutschland da?
„Sehr gut. Wir hatten rund 450 Einkäufer auf dem Stand. 70 Prozent kamen aus Italien, Boutiquen, Platzhirsche, aber auch Key Accounts. Inzwischen arbeiten wir auch mit LA RINASCENTE zusammen. Die übrigen 30 Prozent kamen vorwiegend aus Deutschland, Benelux, aber wir hatten auch Leute aus Irland, Australien und Frankreich da. Selbst Spanier und Portugiesen sind gekommen, hier hat sich der Agenturwechsel bezahlt gemacht. DIGEL, das kann ich mit Fug und Recht sagen, ist ein international aufgestelltes Unternehmen. Wir bilden mit DIGEL und DIGEL move spiegelbildlich das gesamte Programm ab, aber modisch mit einer völlig anderen Grundaussage. Hier modern, aber eher mit klassischer Grundaussage, und bei DIGEL move urban, hip, aber ohne modisch zu überziehen. Zwei globale Kollektionen mit Casual und Formal Wear, mit Accessoires und Schuhen – und mit unserem Kern, dem Baukasten. Wir unterscheiden den Endkunden auch gar nicht nach Alter oder Herkunft, uns geht es um die modische Orientierung und um die Lust an Mode. Das wird im Markt inzwischen auch so verstanden. Zum Beispiel sprechen wir gerade mit den Galeries Lafayette in Frankreich, um für DIGEL move neben DIGEL eigene Flächen zu bekommen.“
Was erwarten Sie von dieser Order?
„Nachdem wir im Januar und Februar pandemiebedingt noch Rückgänge verzeichnet hatten, geht es seither steig aufwärts, sodass wir aufgelaufen gegenüber 2019 im Plus sind und Monat für Monat unsere Ziele übertreffen. Auch der Juni lief hervorragend. Es gibt einen großen Nachholbedarf bei Anzügen und auf dieser Welle Business und Ceremony müssen wir surfen. Parallel dazu entwickeln wir aktiv unsere Casual-Wear-Linien weiter. In diesem Bereich haben wir auch inzwischen eine tolle Expertise. Wir werden also beide Welten konsequent für Frühjahr/Sommer 2023 weiterentwickeln und zulegen. Ich möchte mich an der Stelle bei all unseren Teams bedanken, die im Vorfeld großartige Arbeit geleistet haben.“
Wie sieht die neue Aufgabenverteilung von DIGEL und DIGEL move aus?
„Beide Marken ergänzen sich und stehen für einen eigenständigen Komplettauftritt und können auch nebeneinander in einem Store bestehen. Während DIGEL zeitgemäße moderne Menswear anbietet, die unkompliziert ist und auch mit Funktionalität punktet, ist DIGEL move modisch einfach einen Schritt weiter. Cleanes Design, mehr Individualität und mehr trendy. Wir trennen bewusst beide Marken und ziehen eine klare Linie mit eigenständigem Auftritt und Marketing. Aber wir werden deswegen den Vertrieb nicht trennen, sondern unsere rund 3.500 Kunden weltweit auch künftig aus einer Hand betreuen. Hierzu sehe ich absolut keine Notwendigkeit.“
Wie zeigt sich das auf der Fläche?
„Ich würde sagen, die modische Attitüde macht den Unterschied. Wir legen großen Wert auf die Sichtbarkeit unserer Marken am Point of Sale und setzen gerade eine neue Merchandising-Vision um. Wir haben außerdem aktuell rund 450 Shop-in-Shops im Markt für DIGEL und DIGEL move. Wir werden im kommenden Jahr die Shop-Konzepte anpacken und klarer ausarbeiten. Zunächst aber standen für uns das Produkt, die Marken im Vordergrund. Jetzt stehen das Konzept und die modische Programmatik und wir können uns im nächsten Schritt um den Auftritt auf der Fläche kümmern.“
Wie verteilen sich die Umsätze auf die beiden Linien?
„Da haben wir durchaus noch Potenzial. Aufgelaufen macht DIGEL 70 Prozent, move 30 Prozent vom Umsatz.“
Wo wollen Sie damit hin?
„Ich könnte mir eine Anteiligkeit von jeweils 50 Prozent mittelfristig als gute Struktur vorstellen. Aber, wie gesagt, wachsen wollen wir mit beiden Marken.“
Wie hoch ist aktuell der Exportanteil?
„Aktuell liegt der Exportanteil bei 55 Prozent, nachdem wir das für uns wichtige Russlandgeschäft auf Stand-by geschaltet haben. Stärkste Märkte sind Deutschland, Frankreich und Italien.“
Gibt es Unterschiede zwischen DIGEL und DIGEL move?
„Nein, die Anteiligkeiten sind bei beiden Marken auch international gleich.“
Wo ist die nächste Zielmarke bei den Exportmärkten?
„Wir haben eine sehr gesunde Basis für den europäischen Markt. In Deutschland, Frankreich und Italien sind wir bei den Baukästen unbestritten die Nummer eins. In Frankreich beliefern wir 350 Kunden, in Italien genauso viele. Das heißt: In unseren Keymärkten arbeiten wir aus einer sehr starken Marktposition heraus. Das wollen wir nutzen und genau denselben Weg für die anderen Märkte fortsetzen. Und wir haben vor Kurzem in New York ein Joint Venture mit einem US-Partner gegründet, um diesen Markt systematisch anzugehen. Eine Exportquote von 60 Prozent oder etwas mehr ist realistisch. Ich bin aber auch fest davon überzeugt, dass wir in der DACH-Region noch lange nicht das Ende der Fahnenstange erreicht haben und wir dort noch großes Wachstumspotenzial haben, das wir heben sollten, bevor wir neue Märkte angehen.“
Wie wollen/können Sie den weggebrochenen Russlandmarkt kompensieren?
„Der russische Angriff auf die Ukraine hat uns alle in eine schwierige Situation versetzt. Wir wissen nicht, was die Zukunft noch bringen wird. Keiner will den Krieg! Ich hoffe, dass wir in der näheren Zukunft wieder über Frieden und Wiederaufbau sprechen können. Unsere Gedanken drehen sich aber eher um die Menschen in der Ukraine. Unser Osteuropa-Team betreut auch andere Märkte, sodass wir operativ in der Region verlagert haben. Wir haben außerdem den Vorteil, in 52 Ländern vertreten zu sein, und de facto werden wir den Umsatzrückgang von Russland durch Wachstum in anderen geografischen Bereichen ausgleichen.“