Im Kampf gegen Diskriminierung

Diversität in der Modebranche

Xueli Abbing bei der Ernennung zur UNESCO-Botschafterin des guten Willens: Das niederländische Model leidet an Albinismus und schützt daher seine Augen bei Tageslicht mit einer dunklen Sonnenbrille. Alle Bilder ©UNESCO/Christelle ALIX

Autorin: Katja Vaders
Das niederländische Model Xueli Abbing wurde im Juni zur UNESCO-Botschafterin des guten Willens ernannt. Mit FASHION TODAY sprach sie über ihren Albinismus, ihre Modelkarriere und warum es ihr so wichtig ist, sich gegen Rassismus und Diskriminierung nicht nur in der Modebranche zu engagieren.

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FASHION TODAY: Xueli, Sie sind Niederländerin, aber in China geboren. Ihre Eltern haben Sie dort als Baby einfach vor einem Waisenhaus ausgesetzt. Was genau ist damals geschehen?
Xueli Abbing: „Ich weiß nicht genau, was passiert ist, aber das Waisenhaus und Dokumente bestätigen, dass ich acht Monate alt war, als ich dort gefunden wurde.“ 

Die chinesische Gesellschaft ist stark vom Kollektivismus geprägt. Glauben Sie, dass Ihr Albinismus der Grund dafür war, dass man Sie im Stich gelassen hat? Weil Sie anders aussahen als die anderen?
„Ich kann nur mutmaßen, was meine Eltern dazu gebracht hat, mich auszusetzen. Vielleicht lag es an meinem Albinismus, aber das wird nicht der einzige Grund gewesen sein, mich zu verlassen. Wahrscheinlich spielten viele Faktoren eine Rolle, wie zum Beispiel, dass ich eine Frau bin und die Ein-Kind-Politik, die es damals in China noch gab.“ 

„Die Welt ist nun einmal sehr vielfältig und genau das sollte der neue Standard werden.“

Sie wurden adoptiert und kamen in die Niederlande. Als Teenager wurden Sie dort als Model entdeckt. Wie kam es dazu?
„Ich lernte seinerzeit in einem Supermarkt Katinka Lampe kennen. Sie ist Künstlerin und wollte mich malen. Ich war einverstanden, weil ich bereits ein bisschen Erfahrung mit dem Modeln hatte: Mit zwölf Jahren hatte ich bei einer Runway Show in Hongkong mitgemacht. Eins der Fotos, die Katinka Lampe von mir schoss, wurde dann sehr groß in einer niederländischen Zeitung abgedruckt und ich damit ziemlich bekannt. In dem dazugehörigen Artikel hatte ich erwähnt, dass ich Model werden möchte, um anderen Menschen eine positive Botschaft zu übermitteln. Kurze Zeit später nahmen wir Kontakt zu dem britischen Fotografen Brock Elbank auf, der auch Fotos mit mir machte. Schließlich wurde Zebedee Talent, eine britische Modelagentur, die sich für Vielfalt und Inklusion in der Modeindustrie einsetzt, auf mich aufmerksam und bat mich, bei ihnen mitzumachen. Das war der Beginn meiner Karriere.“

Wie wirkt sich Ihr Albinismus auf Ihre Arbeit und Ihr tägliches Leben aus?
„Die Leute, mit denen ich zusammenarbeite, kommen sehr gut mit meinem Albinismus klar. Sie wissen, dass ich den Blitz von Kameras oder helle Lichter nicht vertrage. Und wenn ein Fotograf nicht versteht, warum ich grelles Licht nicht aushalte, erkläre ich ihm, dass ich kein Melanin und damit keinen Schutz in meinen Augen habe und es daher wirklich wehtut.

In meinem täglichen Leben beeinträchtigt mich der Albinismus natürlich auch, denn durch ihn brauche ich ein paar Hilfsmittel: An belebten Plätzen oder Orten im Freien benutze ich einen Blindenstock, zum Lesen und Schreiben muss für mich alles viel größer sein, die Schrift auf meinem Computer ist beispielsweise riesig. Außerdem habe ich auf meinem Bildschirm einen dunkleren Hintergrund, weil Kontrast für mich sehr wichtig ist.“

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Der Begriff ,Diversity‘ wird in den Medien und auch in der Modebranche fast inflationär verwendet. Was sind Ihre Erfahrungen? Ist die Branche wirklich bereit für Vielfalt oder wurden Sie schon einmal wegen Ihres Aussehens ausgeschlossen?
„Ich werde ja vor allem aufgrund meines besonderen Aussehens für Jobs gebucht, es hilft mir also dabei, Arbeit zu bekommen. Ich glaube, dass sich die Welt gerade sehr verändert und man bereit ist, auch mal andere Menschen in den Medien oder der Modebranche zu sehen. Es gibt aber natürlich auch viele Unternehmen, die das Thema Diversity lediglich als Trend für sich nutzen, und wir wissen nicht, inwieweit sie das mit der Vielfalt wirklich ernst meinen.

Keine Brand will bei dem Thema zurückstehen und ich bin mir sicher, dass die meisten Unternehmen über Diversity-Kampagnen irgendwann erkennen werden, wie wichtig es ist, dass alle Menschen in ihrer Vielfalt vertreten sind. Und wenn sie wirklich hinter dieser Idee stehen, wird das auch ihre Marke stärken. Mit der Zeit wird aus dem Trend Normalität werden. Momentan sprechen wir über Diversity, als sei sie etwas Besonderes. Aber die Welt ist nun einmal sehr vielfältig und genau das sollte der neue Standard werden.“

„Wichtig ist mir, dass Menschen mit Albinismus nicht länger diskriminiert werden. Es ist besorgniserregend, dass sie immer noch in vielen Ländern ausgegrenzt werden.Xueli Abbing

Sie wurden gerade zur UNESCO-Botschafterin des guten Willens für den Kampf gegen Diskriminierung und Rassismus ernannt. Was bedeutet das für Sie? Und welche Ziele wollen Sie mit Ihrer Arbeit erreichen?
„Ich empfinde es als große Ehre, dass ich eine der UNESCO-Botschafterinnen des guten Willens geworden bin, besonders stolz bin ich auf den Zusatz ,für den Kampf gegen Diskriminierung und Rassismus‘. Ich möchte wirklich Verantwortung übernehmen und mein Bestes tun, um meinen Teil zum Erreichen dieses wichtigen Ziels beizutragen. Es ist nicht einfach, das ist mir klar, trotzdem hoffe ich, dass auch kleine Dinge, die wir tun können, helfen werden.

Wichtig ist mir natürlich auch, dass Menschen mit Albinismus nicht länger diskriminiert werden. Es ist besorgniserregend, dass sie immer noch in vielen Ländern ausgegrenzt werden. In einigen Ländern ist die Situation sogar so schlimm, dass Kinder mit Albinismus nicht in Sicherheit bei ihren Eltern leben können, sondern regelrecht gejagt werden. Man verwendet zum Beispiel ihre Knochen für die Herstellung von Medikamenten oder tut ihnen andere schreckliche Dinge an. Wir dürfen das nicht länger zulassen, es muss aufhören! Daher ist es mir sehr wichtig, die Bevölkerung in diesen Ländern über die Mythen über Menschen mit Albinismus aufzuklären und die Regierungen dazu zu bringen, Maßnahmen zu ihrem Schutz zu ergreifen.“

Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei dieser sehr wichtigen Arbeit und danken Ihnen für das Gespräch!

Das Model

Xueli Abbing wurde im Alter von drei Jahren in China adoptiert und wuchs in den Niederlanden auf. Als Teenager begann sie eine Karriere als Model und arbeitete bereits mit einigen sehr renommierten Fotografen und Designern zusammen. Xueli Abbing leidet an Albinismus, einer genetisch bedingten Stoffwechselstörung, bei der der körpereigene Farbstoff Melanin nur eingeschränkt oder gar nicht produziert werden kann. Neben ihrer Modelkarriere widmet sie sich dem Kampf gegen Vorurteile in der Modeindustrie und die Misshandlung von Menschen mit Albinismus auf der ganzen Welt. Im Juni wurde sie daher zur UNESCO-Botschafterin des guten Willens ernannt. Im Namen der Organisation wird sie Aktionen durchführen, um das internationale Bewusstsein für die Menschenrechte und die Würde der Schwächsten, insbesondere der Menschen mit Albinismus, zu stärken.