Autor: Markus OessMarino Edelmann ist im Oktober 2019 bei STRELLSON angetreten, die Marke wieder nach vorn zu bringen. Entscheidend für ihn war es, die Kollektion wieder auf Vordermann zu bringen, marktfähig zu machen. Dann kam COVID-19. Dennoch blieb keine Zeit, die Dinge ruhen zu lassen. Im FT-Gespräch zieht der Manager Bilanz. Heute, sagt Edelmann, könne STRELLSON wieder mit einem Produkt punkten, das auf der Fläche gut funktioniere. Warum die Marke mit dem Schweizer Kreuz im Logo ein gutes Jahr 2022 erleben wird.
FT: Herr Edelmann, bei unserem letzten Treffen wenige Monate nach Ihrem Amtsantritt sagten Sie, „die Grundpfeiler unserer Kollektion sollen wieder sichtbarer werden“. Sind diese jetzt sichtbarer?
Marino Edelmann: „Auf jeden Fall. Wir haben in den zurückliegenden zwei Jahren sehr viel an der Kollektion gearbeitet und ich kann mit Fug und Recht sagen, das Ergebnis kann sich sehen lassen.“
Was haben Sie verändert?
„Eine ganze Menge. Wir haben unsere Passformen komplett neu aufgestellt, von Modern Fit bis Extra Slim Fit. Vor allem aber haben wir unser Programm auf drei Säulen gestellt. Jacken/Mäntel, Konfektion und Contemporary/Total Look. Während wir bei den ersten beiden Bereichen ganz gut aufgestellt waren, haben wir den dritten Bereich erst einmal aufbauen müssen. Wir haben die Anteiligkeiten von Jersey, Strick und Hose merklich erhöht und das gesamte Programm von STRELLSON modisch auf den Zeitgeist austariert. Wir sind nicht mehr allein der Spezialist für Stammabteilungen.“
Wie wichtig ist die Schweizer Identität?
„Das ist ein Riesenthema für uns. Wir haben ein neues Logo, bei dem wir auch mit dem Kreuz spielen, um die Bedeutung der Schweiz noch stärker hervorzuheben. Das Land ist nicht zuletzt wegen seiner unfassbaren Landschaft ein Sehnsuchtsort für viele Menschen. Gleichzeitig steht die Schweiz für Qualität, Tradition und Unabhängigkeit. Darin liegen unsere Herkunft und die Marktpositionierung begründet. Deswegen auch unser Slogan ,From Switzerland with Love‘, deswegen shooten wir mittlerweile auch hier, zuletzt im Winter in den Schweizer Wäldern und Bergen sowie im Sommer in Zürich, einer europäischen Metropole mit einem großen kulturellen Erbe. Unser Markenbotschafter, der Radprofi Fabian Cancellara, veranstaltet verschiedene Radrennen im Jahr, wo jedermann gegen ihn antreten kann. Eines davon geht von Zürich nach Zermatt. Von der Großstadt in die Berge. Das trifft es ganz gut.“
Was ist mit dem Sport? Sie kooperieren ja neben dem Radprofi Cancellara auch mit der Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft.
„Generell passen der Sport und seine Dynamik immer gut zur Mode. Das nutzen wir natürlich auch. Und jeder weiß, was für einen Boom speziell der Radsport aktuell erfährt. Aber darüber steht, wie gesagt, die Schweiz. Aus diesem Grund können wir uns auch vorstellen, mit weiteren Markenpartnern zusammenzuarbeiten, die zwar Schweizer sind, aber keine Sportler.“
Wo steht STRELLSON bezüglich Nachhaltigkeit?
„Wir sind vor zwei Jahren mit #wear2care gestartet. Ein Label für Nachhaltigkeit, das auf unserem Claim #wearindependent aufbaut. Damit kennzeichnen wir die nachhaltigen Produkte von STRELLSON. Wir arbeiten uns in das Thema rein und gehen Schritt für Schritt weiter. Viele unserer Produkte sind inzwischen GOTS-zertifiziert. Wir sind auf dem Weg, aber noch lange nicht dort, wo wir sein sollten.
Ich muss aber auch einwerfen, dass wir uns angesichts des Krieges und der explodierenden Energiepreise sowie der massiven Verwerfungen der Lieferketten nicht in der besten Ausgangslage befinden, um das Thema auch beim Verbraucher voranzubringen. Wir alle kennen die Preis-Absatz-Funktion. Andererseits glaube ich, dass wir es als Industrie ein Stück weit selbst in der Hand haben, das Thema voranzubringen. Je mehr Marken ihre Supplier anhalten, nachhaltig zu produzieren, umso größer wird der globale Handlungsdruck zum Paradigmenwechsel.“
Wie laufen die Monostores?
„Seit März dieses Jahres laufen unsere Stores 15 bis 20 Prozent oberhalb der Umsätze von 2019. Das ist sicher neben den Nachholeffekten vor allem darin begründet, dass es uns gelingt, die Konfektion zeitgeistig zu gestalten und mit der Sportswear einfach ein breiteres Angebot für die Endkunden zu schaffen. Es zeigt, dass unser Konzept aufgeht. Wir werden jetzt zeitnah den Düsseldorfer Standort einem Facelift unterziehen. Bis Ende des Jahres werden unsere übrigen sechs Stores folgen. In Frankreich und in Russland arbeiten wir mit Franchisenehmern zusammen.“
Wie wichtig sind Messen?
„Es war wirklich schade, dass wir in den zurückliegenden zwei Jahren dem Markt das Ergebnis unserer intensiven Arbeit nicht präsentieren konnten. Von der Bildsprache bis zum Produkt selbst haben wir so ziemlich alles angefasst. Um uns angemessen im Markenumfeld zu präsentieren, sind wir auf eine Messe angewiesen. Umso mehr freue ich mich, dass wir uns schon nächsten Monat auf der PREMIUM in Berlin endlich wieder persönlich mit unseren Partnern treffen können.“
Was werden Sie in Berlin zeigen?
„Wir werden natürlich die Konfektion zeigen, auch Festivität, aber cool auf STRELLSON übersetzt. Wir bringen auch eine nachhaltig produzierte und GOTS-zertifizierte Outerwear-Kapsel mit. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Sportswear. Wir wollen zeigen, wie die Marke STRELLSON und ihre Produkte nach dem Rebranding aussehen. Darauf kommt es an.“
Was läuft im Ausland? Sie sind allein in knapp 15 europäischen Ländern vertreten. Dazu kommen noch Russland, Taiwan und Kanada und Sie sprachen von internationalem Wachstumspotenzial …
„Frankreich und Benelux laufen gut. Die Niederlande erholen sich langsam von der Pandemie. Alles in allem bin ich zufrieden mit der internationalen Entwicklung. Wir wachsen gut.“
Wie stark ist STRELLSON vom Ukrainekrieg und dessen Folgen betroffen?
„Das ist natürlich ein Schlag ins Kontor, vor allem wissen wir nicht, wie es dort weitergeht. Russland war mit 8 bis 10 Prozent Umsatzanteil ein wichtiger Markt für uns. Wir arbeiten in dem Land mit Franchisenehmern zusammen und wollten vor Ausbruch des Ukrainekrieges eine eigene Tochtergesellschaft in Russland gründen. Nun haben wir alle Aktivitäten eingestellt. Wir stehen, soweit das möglich ist, mit unseren Partnern und Freunden in engem Austausch. Unser Team in Russland bleibt bei uns angestellt, das ist das Mindeste, was wir tun können.“
Was ist mit den Preisen und der Beschaffung?
„Ein schwieriges Thema. Keiner kann sich dem Thema entziehen. Hier wird sich die Spreu vom Weizen trennen. Wer seine Supply Chain gut beherrscht und lieferfähig bleibt, ohne mit den Preisen zu sehr nach oben auszubrechen, hat in der Zukunft einen ganz gewaltigen Wettbewerbsvorteil. Wir haben uns wie die anderen auch bemüht, die Eckpreislagen zu halten, waren aber gezwungen, bei einigen Produkten ein, zwei Preislagen zu überspringen. Und glauben Sie mir, der Marge sieht man das nicht an.“
Haben Sie Vorsorge getroffen, soweit man das tun kann?
„Wir lassen je nach Produkt in Osteuropa, Fernost und auch in der Türkei sowie Portugal fertigen. Wir stehen in enger Abstimmung mit unseren Suppliern. Wir sind ins Risiko gegangen und haben für die Order frühzeitig Stoffe geordert, um lieferfähig zu bleiben. Auch fahren wir schon seit Monaten unsere NOS-Bestände wieder hoch. Das ist ein echter Balanceakt, denn übersteuern dürfen wir das auch nicht.
Andererseits bin ich optimistisch, dass wir eine gute Order und ein gutes Jahr 2022 hinbekommen. Nachdem die Sportswear 2016 aufgegeben wurde, war das Ergebnis nicht ganz so, wie man es sich erhofft hatte. Dann musste gegengesteuert werden, was sich ja auch an meinem Wechsel zu STRELLSON ablesen lässt. Doch statt die Dinge anzupacken, kam COVID-19 und wir mussten uns mit Themen herumschlagen, die keiner auf der Agenda hatte. Andererseits haben sich dadurch auch Chancen ergeben. Denn der Handel hat sich zusehends auf Neues eingelassen, ausprobiert. Wir haben Neues geschaffen, denn am Ende des Tages entscheidet das Produkt. Ist das gut und funktioniert es, lassen sich viele Dinge managen. Ist es schlecht, können Sie einpacken. Ich weiß, dass wir ein richtig gutes und kommerzielles Produkt haben, weil wir es mit sehr viel Herzblut und Leidenschaft entwickeln.“
Beim letzten Mal haben Sie den Halbsatz „Mittelfristig wird STRELLSON …
mit … ein verlässlicher Partner mit einer starken Marken-DNA für den Handel sein“, vervollständigt. Inwiefern ist STRELLSON ein verlässlicher Partner?
„Wie gesagt, steht und fällt alles mit dem Produkt. Wer mit STRELLSON zusammenarbeitet, bekommt ein verlässlich gutes Produkt, das funktioniert. Er bekommt eine Kollektion, die auf der Fläche zieht, und arbeitet mit einem fairen Lieferanten zusammen, der auch bei Problemen immer eine Lösung findet.“
Der Interviewpartner
Marino Edelmann hat im Herbst 2019 die Stelle des Managing Brand Directors von STRELLSON angetreten. Der Manager stand zuvor als Chief Sales and Marketing Officer bei DRYKORN auf der Payroll, wo er auch seine Karriere startete. Er verfügt über langjährige nationale wie internationale Vertriebs-, Marketing- und Managementerfahrung. Zur HOLY FASHION GROUP gehören neben STRELLSON auch die Marken JOOP! und windsor.