Autorin: Katja VadersAlle sprechen von Nachhaltigkeit, die Fairkaufhäuser von Cash und Raus in Düsseldorf des katholischen Trägers SKM gGmbH setzen sie auch um: Seit 25 Jahren verkauft das Team rund um Bereichsleiter Verkauf Dominic Hötger und Filialleiterin Nicole Ismail in den inzwischen vier Standorten nicht nur aus Spenden generierte Textilien, Möbel und Wohnutensilien, sondern gibt Menschen die realistische Chance auf den Start in ein selbstbestimmtes Leben.
Egal zu welcher Tageszeit man die Cash und Raus-Filiale auf der Stockkampstraße im Düsseldorfer Stadtteil Pempelfort besucht: Es ist immer viel los, wenn zahlreiche Kundinnen und Kunden bewaffnet mit Einkaufskörben durch den kleinen Laden stöbern und sich auf den Kleiderständern und Regalen auf die Suche nach Schnäppchen machen. Denn die gibt es reichlich in dem Fairkaufhaus – neben Bekleidung für Damen, Herren und Kinder findet sich eine große Auswahl Heimtextilien wie Bettwäsche, Handtücher und Tischdecken, vereinzelte Möbelstücke sowie Spielwaren, Küchenutensilien, Geschirr oder Wohnaccessoires zu unschlagbar guten Preisen. Bei Cash und Raus ist definitiv für jeden Geschmack etwas dabei, neben Tand oder Kitsch gibt es vor allem Gebrauchsgegenstände des Alltags, aber auch immer wieder stylishe Schätze aus den 1960er- oder 1970er-Jahren.
Cash und Raus ist im Jahr 1998 im Rahmen der Wohnungslosenhilfe in einer Garage gestartet, inzwischen gibt es unter dem Namen in Düsseldorf vier Kaufhäuser und eine Kreativwerkstatt. Hinter dem Projekt steckt allerdings mehr als nur der Verkauf von Trödel und Secondhand-Textilien. Das Cash und Raus-Konzept beinhaltet vielmehr ein Beschäftigungs- und Arbeitsprojekt zur Wiedereingliederung von Menschen in den ersten Arbeitsmarkt. Initiator des Ganzen ist der katholische Träger SKM gGmbH Düsseldorf. „Viele unserer Mitarbeitenden haben geförderte Verträge, die maximal fünf Jahre laufen, sind sogenannte ‚Ein-Euro-Jobber‘, die bei uns ihr ‚Hartz 4‘ aufstocken. Jeder von ihnen kann sich aber über die Maßnahme etablieren und anschließend fest übernommen werden“, sagt Dominic Hötger, Bereichsleitung Verkauf bei Cash und Raus.
Warum haben die Menschen, die zu Cash und Raus kommen, Probleme, sich auf dem ersten Arbeitsmarkt zu integrieren? „Da gibt es die verschiedensten Gründe“, erzählt Nicole Ismail, Filialleiterin in der Stockkampstraße. „Viele von ihnen sind Langzeitarbeitslose, aber auch Geflüchtete, Alleinerziehende, Menschen mit Suchtproblemen, ehemalige Strafgefangene oder Personen mit anderen sozialen Schwierigkeiten fangen bei uns an.“ Dazu kämen diejenigen, die aufgrund von körperlichen, psychischen oder kognitiven Beeinträchtigungen keine Ausbildung machen konnten. Dominic Hötger ergänzt: „Wir haben natürlich auch Festangestellte, die qualifiziert sind, wie gelerntes Verkaufspersonal, oder sogar einen ehemaligen Filialleiter einer großen Bekleidungskette. Die haben dann richtig Ahnung von dem, was sie tun. Manchmal erfährt man erst nach einiger Zeit und vielen Gesprächen, was unsere Mitarbeitenden früher gemacht haben und wie qualifiziert sie eigentlich sind.“
Andere müssten bei null anfangen, um wieder einen Weg zurück in ein normales Arbeitsleben und damit auch in die Gesellschaft zu finden. „Wir wollen ihnen dabei helfen, eine Struktur zu bekommen, morgens aufzustehen, einen Sinn zu finden“, erklärt Nicole Ismail. Für viele sei die Arbeit bei Cash und Raus die einzige Möglichkeit, soziale Kontakte zu knüpfen. „Einige Mitarbeitende kommen gerne in den Laden, weil man sich hier unterhalten kann, immer ein offenes Ohr findet. Sie sind nicht gern zu Hause, weil die Gegebenheiten dort aus verschiedensten Gründen schlecht sind. Dass wir bei Cash und Raus so eine Art Familie sind, motiviert unsere Mitarbeitenden, jeden Tag zur Arbeit zu kommen, weil sie sich wohlfühlen“, freut sich Dominic Hötger. Das gilt übrigens auch für die Kunden. „Für viele aus der Nachbarschaft sind wir ein zweites Wohnzimmer. Vor allem ältere Menschen kommen vorbei, um einfach mal ein bisschen zu quatschen oder uns ihr Herz auszuschütten“, erzählt Nicole Ismail.
Das Projekt hat aber noch einen weiteren Aspekt, der vor allem Dominic Hötger sehr am Herzen liegt: „Das Thema Nachhaltigkeit spielt eine große Rolle für uns. Wir verkaufen ausschließlich Gegenstände, die sonst entsorgt werden würden. Diese erhalten wir entweder aus Haushaltsauflösungen und Entrümpelungen oder durch Spenden von Bürgern und wir bringen sie anschließend wieder zurück in den Warenkreislauf. Darunter sind immer wieder sehr hochwertige Dinge, mit denen wir richtig viel Geld generieren können. Das fließt dann natürlich sofort wieder ins Projekt. Wenn man bei Cash und Raus einkauft, tut man also gleich zwei gute Dinge auf einmal: Man unterstützt das Thema Nachhaltigkeit und unser Arbeitsprojekt und damit auch unsere Mitarbeitenden.“
Da Nachhaltigkeit gerade ein großes gesellschaftliches Thema ist, sind auch die Kunden bei Cash und Raus ein bunter Querschnitt durch die Gesellschaft. „Von Studierenden, die teilweise auch an der Armutsgrenze leben, bis zu Leistungsempfängern oder Gutbetuchten, die ein Schnäppchen machen wollen, ist alles dabei“, erzählt Nicole Ismail. Man gönne jedem den günstigen Einkauf, zudem hätten Bedürftige die Möglichkeit, mit entsprechendem Nachweis zusätzlichen Rabatt zu bekommen. Weniger gern gesehen seien allerdings professionelle Händlerinnen und Händler, die sich immer wieder verdeckt unter die Kundschaft mischen. Dominic Hötger erzählt von einem, der bei Cash und Raus einen Krug für 5 Euro erstand und diesen dann für 500 Euro weiterverkaufte. Um zu vermeiden, dass dies zu oft vorkommt, habe man sich inzwischen dazu entschieden, mit einem professionellen Auktionator zusammenzuarbeiten, der einen Blick auf die Spenden wirft, bevor sie auf die einzelnen Filialen verteilt werden.
Die Stammkunden bei Cash und Raus sind vielmehr darauf angewiesen, mit einem kleinen Budget einzukaufen. Nicole Ismail fällt auf, dass es in den letzten Jahren für immer mehr Menschen finanziell knapp wird. „Deshalb sind wir mit unseren Preisen auch noch einmal runtergegangen.“ Ist das der Grund, warum insgesamt immer mehr Verbraucher auf Secondhand-Ware setzen? Abzulesen ist dies zum Beispiel am großen Erfolg des Marktführers im Bereich Re-Commerce, momox. Im Jahr 2020 erwirtschaftete das Unternehmen 312 Millionen Euro und steigerte ihn damit im Vergleich zu 2019 um 25 Prozent; 2021 legte der Online-Händler nach eigenen Angaben sogar noch einmal nach und erwirtschaftete 335 Millionen Euro Umsatz. Auch zalando ist inzwischen auf den Zug aufgesprungen und verkauft über „zalando zircle“ Secondhand-Kleidung an seine Kundschaft.
Immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher entschließen sich also dazu, gebrauchte Textilien zu kaufen – ob aus finanziellen Gründen oder weil man sich für einen nachhaltigeren Lebensstil entscheidet. In der Stadt sehe man dementsprechend vermehrt Secondhand-Stores, die aber immer noch relativ viel Geld für Markentextilien aufriefen. „Wir haben auch immer wieder Markenklamotten, die sind aber deutlich günstiger“, sagt Dominic Hötger. Wenn auf der Stockkampstraße wie vor einigen Wochen die Winterkollektion gegen Sommerware ausgetauscht wird, gibt es auch schon einmal alles für 50 Cent. „Dann sieht man die strahlenden Gesichter bei den Kundinnen und Kunden, weil sie für so kleines Geld einkaufen können. Der Zeitpunkt für den Winterschlussverkauf war in diesem Jahr perfekt, weil viele Geflüchtete aus der Ukraine im Viertel angekommen waren. Und die brauchten wirklich alles neu und haben sich hier wunderbar einkleiden können“, freut sich Nicole Ismail.
Und was passiert mit den Kleidungsstücken, die sich auch trotz derlei Rabattaktionen nicht verkaufen lassen? „Die spenden wir an Wohnungslose, die Drogenhilfe oder den Gutenachtbus. Was überhaupt nicht mehr zu gebrauchen ist, wird von einer Essener Firma abgeholt, die die Stoffe dann komplett recycelt. Hier wird also garantiert nichts weggeschmissen!“, erklärt Dominic Hötger.
Wiederverwertet wird aber auch intern – in der Kreativwerkstatt von Cash und Raus und unter dem Label EiNZIGWARE, das von dem katholischen Träger caritas ins Leben gerufen wurde. Werkstätten in ganz Deutschland produzieren unter diesem Namen neue Dinge aus recycelten Rohstoffen, darunter vor allem Taschen aus diversen Stoffen, die dann in Fairkaufhäusern zu finden sind. „Für die Produkte von EiNZIGWARE nehmen wir Dinge, die man nicht mehr verkaufen kann, wie zum Beispiel alte Gardinen aus einem Hotel. Ziel ist es, neue Produkte zu erschaffen“, erklärt Dominic Hötger. Für EiNZIGWARE in Düsseldorf arbeitet der Industrienäher Oleg Skoblikov, der ein bisschen zum Gesicht des Projekts geworden ist und immer wieder mit seinen kreativen Ideen begeistert. „Oleg hat zum Beispiel aus alten Ledersofas eine total tolle Jacke genäht, in die er bestimmt 80 Arbeitsstunden investiert hat. Oder selbst entworfene Schiebermützen. Er ist Perfektionist und die Werkstatt ist inzwischen sein zweites Zuhause.“ Momentan ist man in der Kreativwerkstatt dabei, alte, unverkäufliche Lampen zu recyceln. „Aus dem Mesh ehemaliger caritas-Werbebanner werden die Schirme genäht und auch die Ständer bekommen eine neue Lackierung oder werden abgeschliffen und anschließend in unseren Filialen verkauft“, freut sich Dominic Hötger. All das kann man sich auch online unter www.einzigware.de anschauen.
Das ist aber noch nicht alles: Derzeit plant man bei Cash und Raus, in einem Radiostudio in den Räumlichkeiten der Kreativwerkstatt Sendungen mit den Mitarbeitenden zu produzieren. „Hier können sie erzählen, was in ihren Wohnvierteln läuft, ihre eigene Musik mitbringen und ein bisschen über das Projekt quatschen. Das Ganze wird dann über Antenne Düsseldorf gesendet, vielleicht machen wir auch einen Podcast daraus. Wir haben auf jeden Fall noch eine Menge Ideen, die wir hoffentlich bald alle umsetzen können“, so Dominic Hötger.