Autorin: Silke LambersUrban und outdoor – diese Kombination geht zunehmend Hand in Hand. Seit Beginn der Pandemie hat der Trend einen merklichen Aufschwung erlebt und eine neue Generation von Wander- und Outdoor-Enthusiasten hervorgebracht. Raus in die Natur, unabhängig von Lockdowns und Inzidenzen, und sich gleichzeitig erden – dieser Trend wird noch anhalten. Gleichzeitig beginnen (Groß-) Stadtbewohner, sich mehr für Hightech-Kleidung zu interessieren, die den Umstieg von der U-Bahn aufs Jobrad leichter macht. Wir haben bei Nick Paget, Senior Menswear Strategist bei der Londoner Trendagentur WGSN, nachgefragt und mit ihm über die aktuellen Trends in Urban Fashion gesprochen.
FT: Glaubt ihr, dass Städte ein bevorzugtes Lebensumfeld bleiben werden?
Nick Paget: „Wir gehen davon aus, dass sich das Gleichgewicht zwischen dem Leben in der Stadt, in den Vorstädten und auf dem Land etwas verschieben wird. Die Stadt als zentraler Arbeitsplatz verliert an Wichtigkeit, was auch bedeutet, dass der Bedarf an Lebensraum in dicht besiedelten städtischen Gebieten schrumpfen wird. Die Städte werden jedoch weiterhin ihre Anziehungskraft als Kultur- und Einzelhandelszentren behalten, auch wenn sich der stationäre Einzelhandel weg vom reinen Einkaufen und hin zu einem erlebnisorientierten Geschäft entwickeln wird.“
Wir sehen, dass sich Natur und städtische Landschaften immer mehr gegenseitig befruchten und inspirieren. Biophile Designs tauchen in den Innenstädten auf, Stadtbewohner zieht es in die freie Natur. Wie wirkt sich das auf die Mode aus?
„Im Printdesign spiegeln sich Inspirationen aus der Natur schon sehr deutlich wider. Es gibt aber auch weniger offensichtliche Entwicklungen, wie zum Beispiel den zunehmenden Einsatz natürlicher Farbstoffe, die nicht nur natürlich aussehen, sondern auch umweltschonender sind. Außerdem sehen wir verstärkt Capsule-Kollektionen, die auf Umweltthemen aufmerksam machen. Diese nutzen oft markante Druckdesigns als visuelles Mittel, um ihre Message zu vermitteln.“
Das Radfahren wurde während der Pandemie zu einem noch größeren Trend und die Menschen nutzen das Rad jetzt überall auf der Welt für den Arbeitsweg. Wie wird das die Art und Weise verändern, wie wir uns auf dem Weg zur Arbeit und im Büro kleiden?
„In vielen Ländern war es bis jetzt nicht üblich, mit dem Rad zur Arbeit zu fahren. Das ändert sich jetzt. Gerade hier bietet sich für Marken die Möglichkeit, neue Produkte für das Radfahren auf den Markt zu bringen, zum Beispiel Kleidung, die durch Temperaturregulierung oder Modularität auf das Wetter reagiert. Aber auch Jacken und Hosen mit abnehmbaren Kapuzen, Beinen und Ärmeln oder Schichten, die die Wind- oder Wasserdichtigkeit erhöhen, sind hier denkbar. Andauernde Kooperationen wie die zwischen Oliver Spencer und dem Fahrradhersteller BROMPTON unterstreichen Innovationsbereitschaft und britisches Design als Kernwerte, so etwas findet bei den Verbrauchern Anklang.“
Werden wir ab jetzt verstärkt neue Materialien oder andere funktionelle Elemente in unserer Alltagsmode tragen?
„Neben den bereits erwähnten praktischen Elementen liegen auch Materialien, die das Wohlbefinden fördern, im Trend. Silber und Kupfer sind seit Langem dafür bekannt, dass sie antibakterielle und andere gesundheitsfördernde Eigenschaften haben. Ökomarken wie PANGAIA nutzen hingegen die pflanzlichen Vorteile der Pfefferminze. Eingearbeitet in Stoffe, kontrolliert die Pflanzenfaser die geruchsbildenden Bakterien im Schweiß. Auf einer weniger technischen Ebene erfreuen sich einfache, besser recycelbare und kompostierbare Materialien wie Leinen oder Lyocell (aus Hanf) neuer Beliebtheit.“
Wir sehen nicht nur, dass Outdoor und urbanes Leben verschmelzen, sondern auch, dass viele Outdoor- und Urban-Designer-Marken zusammenarbeiten. Wird sich dieser Trend fortsetzen und gibt es spannende Kollaborationen am Horizont?
„Alexander McQueens Untermarke McQ hat sich zu einer kreativen Plattform entwickelt und arbeitet jede Saison mit einer Reihe von Designern zusammen, die einen Outdoor-Bezug haben, darunter auch der Nachhaltigkeitspionier BYBORRE, der umweltfreundliche Stoffe für modische, aber auch technische, leistungsorientierte Materialien verwendet.“
Wie beeinflusst die Urbanisierung die Designermode? Und war das früher nicht umgekehrt der Fall?
„Neben Produkten, die die Verbraucher mit Hightech vor den Elementen der Natur schützen, treibt die neue Nähe zwischen Arbeit und gesellschaftlichem Leben auch das voran, was wir bei WGSN als „Two-Mile Wear“ bezeichnen: die Art von Kleidungsstücken, die von der Couch ins (reelle) Büro, zum Fitnessstudio oder zum Freundetreffen getragen werden, wobei hier Komfort und Bewegungsfreiheit im Vordergrund stehen. Hier kommen einfache Qualitäten zum Einsatz, die durch einladende Texturen und Farben das Wohlbefinden fördern. Außerdem sind sie sehr fotogen und sehen in der digitalen Welt noch besser, attraktiver und begehrenswerter aus. Die Kernidee in zeitgemäßer Bekleidung besteht immer häufiger aus einem High-Performance-Outerwear-Kleidungsstück, das mit weichen, kuscheligen Komfortschichten darunter kombiniert wird.“