Ökologische Lösungen gefordert

FREUDENBERG

„Alle Komponenten müssen ressourceneffizient produziert werden und entweder abbaubar oder wiederverwendbar sein“, sagt Andreas Fellenz, Freudenberg. alle Bilder ©FREUDENBERG

Autorin: Yvonne Heinen-Foudeh
„Fokus Bekleidung/Mode“ – hatten Andreas Fellenz und FT als Themenspektrum für ein Tête-à-Tête über die drängendsten Fragen entlang der gesamten textilen Lieferkette bis hin zum Endprodukt verabredet. Hier ist die Essenz des Austauschs mit dem europäischen Vertriebsleiter von Freudenberg Performance Materials entlang von vier Schlüsselfragen.

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Als weltweit führender Hersteller von Vliesstoffen, darunter Einlagestoffe und Wärmedämmstoffe für die Bekleidungsindustrie sowie ein umfangreiches Sortiment an technischen Textilien mit unterschiedlichen Leistungsmerkmalen, stellt Freudenberg Performance Materials hohe Ansprüche an sich selbst. Gemeinsam mit internationalen Kunden arbeiten die globalen Entwicklungsabteilungen in Teams mit unterschiedlichen Schwerpunkten an Innovationen und Produktentwicklungen für eine Vielzahl von Industriezweigen, darunter neben der Bekleidungsindustrie auch die Bereiche Bau, Energie, Medizin und Mobilität.

FT: Wir leben in einer Zeit der Ungewissheit – der Verbrauchermarkt ist erschüttert wie nie zuvor, die globale Lieferkette schien noch nie so instabil. Welchen Anteil an den aktuellen Herausforderungen der Modebranche hat aus Ihrer Sicht die Pandemie und wie viel Prozent waren bereits bestehende Probleme, denen sich die Branche nun schnell stellen musste?
Andreas Fellenz:
Insgesamt gab es fast alle aktuellen Herausforderungen in der Textilindustrie schon vor der Pandemie. Aber die globale Reaktion auf die Pandemie hat einige von ihnen deutlicher gemacht und den Übergang zu neuen Lösungen beschleunigt.

Spezifisch für die Pandemie war jedoch der schnelle und fast unmittelbare Rückgang der Nachfrage aufgrund der Lockdowns in fast allen relevanten Märkten. Die damit verbundenen unmittelbaren Liquiditätsprobleme lösten eine Schockwelle aus über die gesamte Branche hinweg und wirken sich noch immer auf viele Akteure aus, während andere nicht überlebten. Da viele Menschen von zu Hause aus arbeiten und es nach wie vor eher wenige Veranstaltungen gibt, wurde die Verlagerung von der Geschäftskleidung hin zu Freizeit-Outfits stark begünstigt.“

Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Trends, die die nahe und fernere Zukunft der Mode beeinflussen – im Design, in der Herstellung und anderswo – und woran arbeitet FREUDENBERG in letzter Zeit, was Ihrer Meinung nach sinnbildlich für die Entwicklung der gesamten Branche ist? „Insgesamt sehen wir drei sehr wichtige Trends, die die Modeindustrie in der unmittelbaren und langfristigen Zukunft beeinflussen werden: Digitalisierung, Nachhaltigkeit und ein Umdenken in der globalen Lieferkette.

Innerhalb der Digitalisierung sind die wichtigsten Bereiche erstens die Verlagerung vom Einzelhandel hin zum hybriden oder reinen Online-Geschäft, zweitens Effizienzsteigerungen entlang der Wertschöpfungskette (zum Beispiel ist 3-D-Design eine wichtige Technologie mit großem Potenzial, indem sie zu reifen beginnt) und drittens die Kommunikation mit Kunden und Verbrauchern (einschließlich datengesteuerten Marketings). Wir unterstützen unsere Kunden bei der Digitalisierung ihrer Geschäfte, indem wir die richtigen Daten bereitstellen und die Bemühungen der Branche (etwa das Global Textile Scheme) bei der Entwicklung eines entsprechenden Standards unterstützen. Darüber hinaus testen wir derzeit einen B2B-Webshop und haben im Oktober 2021 unseren neuen Online-Showroom gestartet, in dem wir unter anderem unsere Lösungen in Bezug auf Nachhaltigkeit vorstellen.

Nachhaltigkeit entwickelt sich von einem ,Nice-to-have‘ zu einem ,Must-have‘ für alle Akteure in der Textilindustrie. In Anbetracht des breiten Spektrums dieses Themas werden wir zahlreiche Anstrengungen vieler Unternehmen erleben und der Druck des Marktes wird dazu beitragen, dass sich herausstellt, was Greenwashing ist und was einen echten Beitrag zu einer besseren Umwelt darstellt. Bei FREUDENBERG konzentrieren wir uns bei unseren Produktinnovationen auf dieses Thema und sind fest entschlossen, einen massiven Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten. Unser gesamtes Programm geht weit über die reine Produktentwicklung hinaus und ist in unserem ,Haus der Nachhaltigkeit‘.

Was die globale Lieferkette betrifft, so werden wir in naher und ferner Zukunft einige bedeutende Veränderungen erleben, um die Prozesse und die Leistung der Supply Chain zu stabilisieren. Viele Hersteller werden, wo immer möglich, von Single Sourcing auf zumindest Dual Sourcing umsteigen. Wir werden auch eine starke Verlagerung der Produktion von Asien zurück nach Europa beobachten (insbesondere in die Türkei, aber auch nach Osteuropa, Nordafrika und Portugal). Dieser Trend wird derzeit vor allem von Fast-Fashion-Herstellern vorangetrieben. Aber auch andere Akteure werden darüber nachdenken, näher an ihren Märkten zu produzieren, da sie so insgesamt einen besseren ökologischen Fußabdruck erzielen, ferner flexibler und schneller auf dem Markt sein können.“

Angesichts Überproduktion, Umweltschädigung, Abfallverursachung und Ressourcen-Verschwendung wird der Ruf aus allen gesellschaftlichen Gruppierungen an die Modebranche, sich neu zu erfinden, deutlich lauter. Angesichts der immensen Volumina weist wahrscheinlich die Wiederverwendung von Textilrohstoffen die einzig denkbare sinnvolle Lösung auf. Die Bewältigung insbesondere der Textilabfälle aus Haushalten wird in ganz Europa zu einer politischen Priorität. Dies erfordert natürlich die Infrastruktur und die Technologien zur Umsetzung der Kreislaufwirtschaft. Eine Herstellerabgabe zur Finanzierung einer verbesserten Sammlung und des Recyclings von Kleidung steht auf der Tagesordnung. Was erachten Sie für ein realistisches Szenario in Bezug auf Ziele und wie lange kann es aus Ihrer Sicht dauern, bis Bekleidungs-Recycling auf eine breite, relevante Basis im Sinne der Nachhaltigkeit gestellt ist?

„Abfall ist ein großes Thema in der Textilindustrie und wir bei FREUDENBERG wissen, dass die Produkte unserer Kunden umso nachhaltiger sein können, je nachhaltiger wir unsere eigenen Produkte herstellen. Freudenberg Performance Materials Apparel stellt heute mehr als 500 verschiedene Einlagestoffe und Wärmedämmstoffe aus recycelten Fasern her, wodurch jedes Jahr etwa 45 Millionen PET-Flaschen von der Mülldeponie ferngehalten werden und unsere Kunden eine große Auswahl an nachhaltigen Optionen haben. Darüber hinaus haben wir erhebliche Ressourcen in die Entwicklung von Einlagestoffen gesteckt, die dazu beitragen, die Lebensdauer von Kleidungsstücken zu verlängern.

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Neben einem geringeren Verbrauch, mehr Recycling und der Erhöhung der Qualität von Kleidungsstücken, damit diese länger getragen werden können, sind innovative ökologische Lösungen für das Ende des Lebenszyklus von Kleidungsstücken dringend erforderlich. FREUDENBERG ist Vorreiter auf diesem Gebiet und hat im Jahr 2020 mit comfortemp® TencelTM die weltweit erste zu 100 Prozent biologisch abbaubare Wattierung auf den Markt gebracht. Sie ist innerhalb von 57 Tagen vollständig biologisch abbaubar, ohne den Boden zu belasten. Null Abfall schnellstmöglich – das Ziel ist klar.“

September 2021: Mit dem weltweiten Launch des neuen House of Sustainability tritt Freudenberg Performance Materials an, Kunden weltweit dabei zu unterstützen, die Nachhaltigkeit ihrer Produkte zu verbessern und so gemeinsam mit FREUDENBERG den Grundstein für eine nachhaltigere Zukunft zu legen.

Die EU plant, bis 2025 Haushaltssammlungen von Textilien einzuführen. Derzeit gibt es noch keine klare Vorstellung davon, was mit diesen Textilien nach der Sammlung geschehen soll. Es gibt zahlreiche Beispiele für die mechanische Aufbereitung zur Rückgewinnung von Fasern, die dann zu neuen Produkten verarbeitet werden können – wie Filze zur Schalldämmung und Isolierung. Es gibt auch erste Beispiele für kommerzielle Kleidungsstücke, die ganz oder teilweise aus recycelten Fasern bestehen. Welchen nützlichen Beitrag können Weltmarktführer wie Sie, die Organisation, die Sie vertreten, leisten, um auch in dieser Hinsicht einen Wandel herbeizuführen?

„Mit dieser Frage sprechen Sie einen weiteren wichtigen Aspekt in Sachen Nachhaltigkeit an: die Rückverfolgbarkeit und Transparenz der gesamten Herstellungskette. Alle Komponenten müssen ressourceneffizient produziert werden und entweder abbaubar oder wiederverwendbar sein. Darüber hinaus unterstützen wir den Global Recycled Standard und sind vollständig GRS-zertifiziert. Dies untermauert unsere Nachhaltigkeitsstrategie, unsere langfristigen Ziele der Abfallreduzierung in der Bekleidungsindustrie und das Engagement für die Kreislaufwirtschaft. Seitens FREUDENBERG bieten wir auch Erzeugnisse an, die es einigen unserer Kunden ermöglichen, Produkte herzustellen und anzubieten, die den Cradle-to-Cradle-Standard erfüllen.

Neben dem Fokus auf Produkte umfassen unsere Bemühungen auch die Überwachung des Energieverbrauchs in der Produktion, die Überprüfung der Energieeffizienz, die kontinuierliche Reduzierung des CO2-Ausstoßes und die Rückgewinnung von Abfällen als Rohstoff, um nur einige Beispiele zu nennen. Es ist ein kontinuierlicher Prozess, der Konzentration, Ausdauer und ein starkes Engagement aller Beteiligten – einschließlich der Kunden – erfordert. Der konsequente Weg zu mehr Nachhaltigkeit ist eine Reise – und es gibt keine einzelne Strategie, die für alle Unternehmen funktioniert. Letztendlich wird die Summe vieler Verbesserungen und Initiativen entlang der gesamten Wertschöpfungskette ein Unternehmen und seine Produkte nachhaltiger machen und zu einer umweltfreundlicheren Textilindustrie insgesamt beitragen müssen.“                                    

Unser Gesprächspartner

Andreas Fellenz bewegt sich tagein, tagaus am Puls der Bekleidungsindustrie: Als Europa-Verkaufsdirektor im Segment Bekleidung bei Freudenberg Performance Materials fließen auch sein Wissen und seine Rückmeldungen um Marktbedarfe und Machbarkeit in die Produktentwicklung mit ein. Fellenz engagiert sich zudem im Vorstand des Internationalen Verbandes für die technischen Bekleidungsdesigner und Modellmacher, IACDE, was ihm zusätzliche Einblicke gewährt, wo die Reise hingehen kann bei Textilien und damit beim Endprodukt – der Mode.

Die Schlüsselrolle

In der FREUDENBERG-Mission spielt heute Nachhaltigkeit eine Schlüsselrolle als integrierter Bestandteil des gesamten Produktlebenszyklus: „Dies vom Rohstoff- und Energieeinsatz über die Herstellungsprozesse bis zur Anwendung unserer Produkte durch den Konsumenten und schließlich der Entsorgung“, erläutert mein Gesprächspartner. Anschauliche Belege zur Umsetzung: Produktreihen, die bereits zu 70 Prozent oder gar 97 Prozent aus recyceltem Polyester bestehen, gewonnen aus gebrauchten PET-Flaschen, und „selbstredend“ auch den OEKO-TEX®-Standard 100 erfüllen.

Und wir sprechen über den seitens FREUDENBERG im Sommer dieses Jahres vorgestellten Öko-Rechner. In der Anwendung ist dieses Modul zunächst für einen Produktbereich (Multifilament-Stoffe zur Allergie-Prävention im Objektbereich, ergo in Krankenhäusern, Hotels, unter dem Produktnamen Evolon®): Wie richtungsweisend können solche unterstützenden Instrumentarien de facto sein? Auch hier ist Andreas Fellenz überzeugt von der Notwendigkeit zur Betrachtung des gesamten Lebenszyklus eines Bekleidungsteils, wenn es um die zeitnahe Entwicklung von nachhaltigen Lösungen geht: Von Experten durchgeführte Life Cycle Assessments versorgen hier die Kunden mit Daten zu allen umweltrelevanten Kriterien rund um ihre Anwendung von Evolon®-Produkten, versetzen sie so in die Lage, ihre Klimabilanz zu validieren und somit zu verbessern.

Freudenberg Performance Materials

Im Jahr 2020 erwirtschaftete das Unternehmen einen Umsatz von mehr als 1 Milliarde Euro, hatte 33 Produktionsstandorte in 14 Ländern weltweit und beschäftigte rund 5.000 Mitarbeiter. Freudenberg Performance Materials legt großen Wert auf soziale und ökologische Verantwortung als Basis für seinen Geschäftserfolg. Weitere Informationen finden Sie unter www.freudenberg-pm.com.

Der Geschäftszweig gehört zur FREUDENBERG GRUPPE, die in 2020 weltweit mehr als 48.000 Mitarbeiter in 60 Ländern beschäftigte, und erwirtschaftete einen Umsatz von mehr als 8,8 Milliarden Euro.