Autor: Markus OessMode geht schon lange, auch als Folge des gewachsenen Wohlstands, längst über unsere rein funktionalen Bedürfnisse hinaus. Und sie ist tief mit unserem Alltag verwoben. „Die Strategien der Verführung in Gestaltung und Vermarktung werden immer raffinierter und statten Kleidung und Accessoires mit einer emotionalen Qualität aus, wodurch sie viel mehr werden als bloße Mittel zum Zweck“, schreibt die STIFTUNG AHLERS PRO ARTE zur aktuellen Ausstellung „FETISCHE DES BLICKS – MODE UND VERFÜHRUNG“. Der Begriff Fetisch soll die „komplexe Beziehung zwischen den Menschen und ihrer Dingkultur erfassen“ und so ist der Begriff Fetisch zu einem Schlüsselbegriff geworden.
Die Ausstellung „FETISCHE DES BLICKS – MODE UND VERFÜHRUNG“ der STIFTUNG AHLERS PRO ARTE in Herford wurde von Wiebke Hahn konzipiert und kuratiert. Sie thematisiert die Mystifizierung und kultische Überhöhung als Bühne der Modewelt. Die Ausstellung hinterfragt das Spannungsverhältnis zwischen der Geschichte, die den Dingen zuerkannt wird, und ihren Besitzenden. Die Schau erkundet, wie Objekte Bedeutung erschaffen, und sie macht Mode als ein zentrales Element unserer theatralen Kultur erfahrbar.
Gezeigt werden bis auf wenige Ausnahmen rund 60 Werke aus der ahlers collection. Anhand von Arbeiten von der frühen Moderne bis in die Gegenwart wird ein Erfahrungsraum erzeugt, der eine vielfältige Auseinandersetzung mit lebenspraktischen Fetischen aus den Bereichen der Religion, des Aberglaubens, der Waren- und Geldkultur sowie der Erotik und Sexualität erlaubt. Werke der Objektkunst, der Fotografie, der Zeichnung und der Malerei geben Impulse, sich mit der Theatralisierung der Warenwelt und unserer Verstrickung darin auseinanderzusetzen. Die Schau findet in Kooperation mit dem Museum Marta Herford statt, das gleichzeitig mit der eigenen Ausstellung „Look! Enthüllungen zu Kunst und Fashion“ weitere Facetten dieses Themas beleuchtet.
Ursprünglich war der Fetisch um das Jahr 1750 im religiös-ethnologischen Kontext entwickelt worden, um die Rituale in afrikanischen Stammeskulturen zu beschreiben. Im 19. Jahrhundert dann wurde die Bedeutung in einen neuen Kontext übertragen. Jetzt wurde der Fetisch in dem Gespinst von Wünschen und Projektionen verortet, das sich in die Konsumwelt einschrieb, zu einer Zeit, als die Kaufhäuser zu Kathedralen der Waren aufstiegen. Schon Karl Marx warnte in „Das Kapital“ (1867) vor ihren verführerischen Illusionen. Heute meint der Fetisch vor allem die Art und Weise, wie sich Menschen von mystisch aufladbaren Gegenständen aus ihrer Lebenswelt faszinieren lassen. „Denn es ist die Mystifikation und Emotionalisierung, die den besonderen Reiz und die ,Erlebbarkeit‘ von Dingen ausmacht. Die ihnen zugeschriebene überhöhende Bedeutung im Sinne von Exklusivität, Schönheit oder Macht hat sich längst zu einem wesentlichen Antrieb der Konsumgesellschaft entwickelt und ist seit den 1960er-Jahren auch zum Thema in der bildenden Kunst geworden“, schreibt die Stiftung weiter. „Künstler*innen eigneten sich die Dingkultur der erfüllungsverheißenden Scheinwelt an und treiben ihren Anbetungscharakter auf die Spitze, sie entschlüsseln die Strategien von Vermarktung und Verführung, erschaffen Sinnbilder oder konfrontieren ihr Publikum mit dem eigenen Überfluss.“ Die Ausstellung läuft noch bis zum 16. Januar 2022.
„Look! Enthüllungen zu Kunst und Fashion“
Mit künstlerischen Beiträgen der letzten 20 Jahre entwirft die Themenausstellung „Look! Enthüllungen zu Kunst und Fashion“ ein lebhaftes Panorama aktueller Phänomene in der Modewelt. Im Zentrum stehen dabei nicht künstlerisch inspirierte Modeschöpfungen, sondern die kritische Befragung der Fashionwelt und ihrer Funktionszusammenhänge.
„Die Künstler*innen produzieren keine ‚Waren‘, sondern Ideen, Situationen und Statements, mit denen sie kritisch Stellung beziehen zu den vielfältigen Auffassungen von der zeitgenössischen Mode, ihren Wertesystemen und den sozialen Geflechten, die daraus hervorgehen“, zitiert das Museum Marta Herford die Kunsthistorikerin Dobrila Denegri.
Anhand von rund 90 Fotografien, Malereien, Videos, Skulpturen und Installationen werde die Perspektive zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler präsentiert, die das politische Potenzial von Fashion ausloten, unterschiedliche Identitätsentwürfe vorstellen und dadurch Vielfalt als etwas Positives erlebbar machen, heißt es weiter. Mode präsentiere sich hier als ein globales System, das nahezu alle betreffe und offenlege, nach welchen Strukturen die Welt heute funktioniert: „Die Marta-Schau eröffnet eine faszinierende Expedition in den gesellschaftlichen Alltag und präsentiert Mode als schillernde Erzählung über unsere komplexe Gegenwart.“ Die Ausstellung läuft noch bis zum 6. März dieses Jahres.