Autor: Markus OessPorto ist berühmt für seinen besonderen Wein, die hoch gelegene Brücke über den Douro prägt das Stadtbild. Sie führt auf die gegenüberliegende Seite zur Vila Nova de Gaia. Dort, wo die großen Portwein-Marken ihren Sitz haben. Auch vom Alfandega blickt man unmittelbar auf den Douro. Dort fand die 58. Ausgabe der Textilmesse für Stoffe und Accessoires, Bekleidungsindustrie und Dienstleistungen, modtissimo, statt – mit Rekordzahlen bei Ausstellern und Besuchern, nachdem im Februar pandemiebedingt nur ein digitales Format drin war. Die heimische Industrie erholt sich zusehends.
„Der Motor ist wieder angesprungen. Wir sind zurück“, sagt Messe-Direktor Manuel Serrão über die 58. Ausgabe der Sourcing-Messe modtissimo in Porto. Headline der Geschichte: „Let’s fly again“. Mehr noch, die Erholung sei förmlich zu greifen. Serrão verweist auf eine für ihn wichtige Zahl: „Im ersten Halbjahr 2021 liegen die Textilexporte 0,2 Prozent über dem Niveau des ersten Halbjahres 2019.“ Das klinge vielleicht wenig, aber 2019 war für die Portugiesen ein Rekordjahr. Allerdings sind die Zuwächse nicht überall gleich. Casual Wear, Sports- und Streetwear legen zu, vor allem aber Hometextile und technische Textilien. Die Menswear tue sich immer noch schwer. Dennoch: Alles in allem öffneten die Einkäufer in Europa wieder ihre Schatullen – „und was für Europa gut ist, ist gut für Portugal“, sagt Serrão. Man habe sogar eine Rekordzahl von Ausstellern und Käufern erreicht, die am 7. und 8. Oktober das Gebäude von Alfandega in Porto besuchten. Die Textilmesse für Stoffe und Accessoires, Bekleidungsindustrie und Dienstleistungen zählte 280 Aussteller. Auch die Zahl der internationalen Einkäufer sei mit mehr als 400 Anmeldungen vor allem aus Europa (Deutschland, Frankreich, Griechenland, Spanien, Italien und Österreich) und Brasilien gut. „Deutschland sollte mit seiner wirtschaftlichen Macht und Größe andere Länder in der EU mitziehen, um zu vermeiden, dass die Abhängigkeit größer wird“, wirbt der Messemacher für Kooperation. Die heimische Textilindustrie habe zwei strategische Trendthemen besetzt: Nachhaltigkeit und technologische Stoffe. Portugal sei in der Lage, schnell und zuverlässig zu produzieren und dank der räumlichen Nähe zuverlässig zu liefern.
Wie schon in den früheren Ausgaben gewinnt das Thema Nachhaltigkeit im Textil- und Modesektor zusehends an Bedeutung. Folglich präsentiert die modtissimo in Zusammenarbeit mit citeve und dem Kuratorium von Paulo Gomes den bislang größten iTechStyle Green Circle. Das Innovationszentrum verleiht auch den iTechStyle Award, der die besten und umweltfreundlichen Innovationen nationaler Unternehmen und Designer würdigt. Nach den digitalen Ausgaben im Februar versammelt die Messe, diesmal wieder live, Forschungs- und Entwicklungsunternehmen von der Spinnerei bis zur Bekleidung, einschließlich technischer Textilien und Accessoires.
Schnelle Erholung
„Business is back“, freut sich Cristina Castro, die sich um die internationalen Messeauftritte der citeve kümmert. Wie auch Serrão berichtet sie von einer erfreulich guten Präsenz im internationalen Umfeld. Das Interesse sei da, gerade nach COVID steige das Bedürfnis, die Wertschöpfung wieder mehr regional auszurichten. „Die Kunden haben konkrete Vorstellungen, was sie wollen“, sagt Castro.
Zum ersten Mal präsentiert die modtissimo ein Gastland. Initiator war ADVANTAGE AUSTRIA, die Außenwirtschaftsorganisation der Wirtschaftskammer Österreich. „Wir wollen österreichischen Firmen den Zugang zu Portugal erleichtern, sei es als Sourcingmarkt, sei es als Absatzmarkt“, sagt Esther Maca. Gut zehn Firmen hat ihre Kollegin Carla Galhardo für den Auftritt in Porto zusammengestellt, vom Druckmaschinenhersteller bis zum Modedesigner. Serrão ist es zufrieden, diesmal kamen mehr als zehnmal so viele Einkäufer wie sonst. „Eine weitere Initiative, die uns hilft, die Internationalisierung der Messe zu steigern“, sagt er.
Carlos Carepa Figueiras, Produktmanager von der Staatlichen Agentur für Investitionen und Außenhandel Portugals, kümmert sich auch um die Belange der portugiesischen Bekleidungsindustrie und damit der modtissimo in Deutschland. „Es gab eine große Resonanz auf die Messe vonseiten der deutschen Firmen, die bereits Kontakt zu Portugal hatten oder suchen. Nach der pandemiebedingten Absage der physischen Februar-Veranstaltung in diesem Jahr ist es für mich schon bemerkenswert, wie schnell die Erholung eintritt. Auch die Messe selbst hat mittlerweile eine Warteliste von portugiesischen Firmen, die dort ausstellen wollen“, sagt er. „Die deutschen Einkäufer waren sehr angetan. Viele, speziell junge Labels haben nach Nachhaltigkeit gesucht. Das Angebot ist ja da, Portugal ist weit vorne in Sachen Nachhaltigkeit. Das alles spricht für den Stellenwert der Messe.“ Das einzige Problem sei, dass die Firmen im Land an ihre Produktionskapazitäten stoßen. Zwar arbeiteten die Firmen nun enger zusammen, um noch mehr Output herausholen zu können. Gerade in der Konfektion steige die Nachfrage angesichts der aktuell langen Lieferzeiten Asiens.
Die Gänge sind belebt, auf den Ständen wird häufig englisch gesprochen. Nachfrage und Zuspruch auf die 58. Ausgabe seien gegenüber den vorherigen Messen größer, berichten auch die Aussteller. Monica Alfonso ist Geschäftsführerin der portugiesischen Denim-Manufaktur marjomotex. Ihre größten Kunden kommen aus Deutschland und Großbritannien. Die COVID-Krise hat sie nicht zu spüren bekommen, weil viele ihrer Kunden im Online-Handel unterwegs sind, also zu den Profiteuren der COVID-19-Krise zählen. Sie rechnet fest mit weiteren Zuwächsen, vor allem auch mit den nachhaltigen, GOTS-zertifizierten Denims in diesem Jahr, auch wenn sich die Probleme in UK seit dem Brexit mehren. Unter „between parallels“ hat sich eine Kooperative mit mehr als 20 Produktionsbetrieben und Marken zusammengeschlossen, um die Marketingaktivitäten zu bündeln. Auf der modtissimo präsentierten sich einige von ihnen auf einem gemeinsamen Stand. Das Angebot reicht von Schuhen über Bekleidung bis hin zu Schmuck und Heimtextilien. Auch hier ist die Erwartung groß, dass der Aufschwung anhält und die Partnerbetriebe wieder international ins Geschäft kommen. Manche von ihnen planen die Teilnahme an deutschen Messen wie der NEONYT. „Corona hat uns alle ganz unterschiedlich getroffen. Manche hatten das Glück, über die richtige Vertriebsform (online) zu verkaufen, andere das richtige Produkt (Heimtextilien) anzubieten. Manche aber hatten es richtig schwer“, sagt Joana Santos (Joana Santos Jewellery). Jetzt kommt Zuversicht auf, tatsächlich bald wieder fliegen zu können.
Es wird besser
Die portugiesische Textilindustrie erholt sich im ersten Halbjahr 2021 zusehends und hat schon teilweise wieder das Niveau vor Corona erreicht. Träger der Entwicklung sind vor allem Heimtextil und Masken. Die Mund-Nasen-Bedeckung hat inzwischen ihre Bedeutung wieder verloren. Die Entwicklung von Bekleidung ist noch verhaltener. Deutschland ist der drittwichtigste Exportmarkt für das Land auf der Iberischen Halbinsel.