Frankfurt holt aus

Kommentar

Andreas Grüter ©Peter Zembol

Autor: Andreas Grüter
Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber ich kann mich nach knapp zwei Jahren Pandemie nur noch dunkel an die Zeit des Berliner Modemessenzirkus erinnern. Leide ich etwa unter Corona-Spätfolgen? Als Geimpfter und vielfach negativ Getesteter eher unwahrscheinlich, weshalb ich auf ein qua Branche erlerntes Schnelllebigkeitssyndrom tippe. Aus den Augen, aus dem Sinn sozusagen. Gut für die FRANKFURT FASHION WEEK, wenn man sich keinen Vergleichen stellen muss …

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… und das ist mitnichten negativ gemeint. Es gibt doch keinen besseren Start als den von null auf hundert. Kein „Phönix aus der Asche“, kein „Neu“ vor „Anfang“, sondern die Möglichkeit, Modemessengeschichte auf schneeweißes Papier zu schreiben. Und die FRANKFURT FASHION WEEK hat dafür mit den bekannten Formaten PREMIUM, NEONYT und SEEK sowie den Neuzugängen val:ue und The Ground ein ganzes Sortiment an Federn gezückt, die nur darauf warten, in Aktion zu treten. Lassen wir einmal die alte Grundsatzdiskussion über den generellen Sinn und Unsinn von Messen in digitalen Zeiten außen vor, die sich meiner Meinung nach spätestens mit den ernüchternden Realitäten der vergangenen Saisons eh erledigt hat, ist das zunächst mal eine ziemlich Erfolg versprechende Ausgangsposition …

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Das Vorstufen-Dilemma

… die aber täuschen kann. So hat sich die messe frankfurt dazu entschlossen, im Segment val:ue nicht nur „Quality und Lifestyle Fashion im Mainstream-Bereich“ zu präsentieren, sondern gleich auch noch die Apparel-Sourcing-Vorstufe mit zu integrieren. Ein unbestritten wichtiges Thema, das es, einmal angefasst, jedoch verdient, wirklich breit und facettenreich aufgestellt zu werden. Wie und in welchem Umfang hier wirklich geliefert wird, bleibt abzuwarten. Andererseits verfügen die Frankfurter Messeveranstalter genau in diesem Segment über reichlich Erfahrung und dürften die Knackpunkte kennen.

Zwickmühle Konsument

Ganz anders, aber nicht weniger kniffelig: The Ground, das als „A three-day consumer-facing festival“ angekündigt wird. Moment mal, werden hier möglicherweise einige alte Branchenhasen anmerken, war da nicht schon einmal was? Ach ja, die Bread & Butter, die in ihren letzten Zügen lag, dies jedoch nicht wusste, sondern höchstens ahnte und sich mit einem B2C-Konzept ein wenig Frischluft zu verschaffen suchte. Statt als Business-to-Consumer läuft das Endverbraucher-Format der FRANKFURT FASHION WEEK unter dem Subtitel Business-to-People (B2P). Wo die entscheidenden Unterschiede liegen, werden wir zwischen dem 18. und 20. Januar erfahren. So oder so verspricht der Versuch, den Konsumenten mit Partys, City Festivals, Pop-ups und Runways in das Fashion-Week-Geschehen einzubinden, ein spannendes Experiment zu werden, auf das ich mich freue.