Deutsches Happyland

African Fashion

„Wir brauchen eine Schwarze und eine weiße Perspektive, anders wird es schwierig zu vermitteln, wo Rassismus beginnt." Beatrace Oola alle Fotos ©Klaus Nather

Autor: Markus Oess
Beatrace Angut Oola ist unter anderem Gründerin einer Kommunikationsplattform, hat ihre eigene Kreativagentur. Sie arbeitet als Creative Consultant, Kuratorin, Dozentin und Zukunftsdenkerin. Vor allem aber ist sie Fürsprecherin für African Fashion. Wie es ihr als Schwarze, Geschäftsfrau und Interessenvertreterin im so liberalen Deutschland ergeht und warum Bewusstseinsbildung und fairer Umgang auch in Deutschland mehr sein müssen, als das N-Wort aus dem Wortschatz zu streichen.

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FT: Frau Angut Oola, können Sie mit dem Begriff „afrikanische Mode“ überhaupt etwas anfangen?
Beatrace Angut Oola: „Was bitte ist ‚europäische Mode‘? Ich kann verstehen, dass den Deutschen dieser ‚Sammelbegriff‘ als Erstes in den Sinn kommt, wenn es um Modedesign speziell aus Subsahara geht. Aber der Kontinent und seine Kultur sind so vielfältig und auch voller Gegensätze, dass es dem Ganzen einfach nicht gerecht werden würde.“

Mit „Black Lives Matter“ wurde in der Gesellschaft mehr Sensibilität für die Probleme von Schwarzen in weißen Gesellschaften gesorgt. Aber können „ein Kniefall und eine hochgereckte Faust“ wirklich etwas verändern oder ist es mehr Symbolik?
„Natürlich bringen die Proteste der ,Black Lives Matter‘-Bewegung keine Umkehrung der ,Verhältnisse‘. Der Rassismus ist ein strukturelles Problem, herbeigeführt von der weißen Dominanzgesellschaft. Die Bewegung hat einerseits dazu geführt, dass Weiße sich mit ihrem Weißsein auseinandersetzen und über ihr ,Happyland‘ kritisch reflektieren, und zum anderen, dass wir einen Perspektivwechsel erleben. Es geht nicht mehr nur um eine eurozentrische Perspektive, sondern es geht um Diversität, Inklusivität und Repräsentanz. Es findet ein Umdenken und vor allem eine Umstrukturierung statt, dies ist in Institutionen und kulturellen Einrichtungen stark bemerkbar.“

Brauchen wir eine Schwarze und eine weiße Perspektive, um besser zu verstehen?
„Ja, wir brauchen eine Schwarze und eine weiße Perspektive, anders wird es schwierig zu vermitteln, wo Rassismus beginnt. In der weißen, eurozentristischen Dominanzgesellschaft haben viele Modefirmen nicht verstanden, worum es wirklich geht beim Perspektivwechsel. Rassismus wird einfach ausgeblendet und leider mangelt es an Verständnis und Offenheit gegenüber afrikanischen Kulturen. Hinzu kommen fehlendes Wissen und Ignoranz. Ein Beispiel, bisher war es häufig folgendermaßen: Weiße Kuratorinnen und Kuratoren haben Ausstellungen mit dem Thema ‚Afrika‘ für ein weißes Publikum kuratiert. In den Prozessen waren Künstlerinnen und Künstler afrikanischer Herkunft involviert, aber nicht als Entscheider mit Einfluss auf die konzeptionelle Arbeit.“

„Der Rassismus ist ein strukturelles Problem, herbeigeführt von der weißen Dominanzgesellschaft.“

Wie ist es heute, wo Black Lives Matter nicht mehr täglich in den Nachrichten auftaucht – sind Sie in Deutschland als Schwarze gleichberechtigt in der Modewelt?
„Bildhaft gesprochen, werde ich immer noch nach meinem weißen Mann gefragt, der mir das Leben in Deutschland als Schwarzer einfacher macht und sicher. Dass ich als Geschäftsfrau arbeite und das auch noch unabhängig, scheint in den Köpfen viele Weißer nicht vorstellbar.“

Beim offenen Rassismus ist die Angelegenheit ziemlich klar. Aber was ist mit den versteckten Abneigungen, den kleinen Vorurteilen, die nicht offen zutage treten und die wir vielleicht auch unbewusst pflegen können, obwohl wir uns doch so klar gegen Rassismus stellen?
„Genau die sind ja das Problem. Viele haben es sich gemütlich gemacht in der scheinbar liberalen Welt, im ‚Happyland‘, wie es die Antirassismus-Trainerin Tupoka Ogette nennt. Weiße reflektieren Rassismus nicht wirklich und bringen ihn nicht mit sich selbst in Verbindung, weil sie meinen, sie hätten kein Problem damit. Und dann kommen zum Beispiel Diskussionen auf, wie Rassismus sich in der deutschen Sprache niederschlägt und sie verändert werden muss. Manchem Freigeist geht es dann doch zu weit, wenn in Kinderbüchern das N-Wort ersetzt wird. Um es klar zu formulieren: Mit Design und qualitativ guter Mode aus der Subsahara sind ganz sicher nicht Ethno-Shops, Henna und bunte Gewänder gemeint. Es geht um Design und Mode, die sich international nicht verstecken müssen. Es geht ums Geschäft, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und es geht um Nachhaltigkeit, die speziell mit der afrikanischen Handwerkskunst untrennbar verbunden ist, um Slow Fashion. Viele, und da rede ich von Einkäuferinnen und Einkäufern, von Modejournalistinnen und Modejournalisten genauso wie von den Managerinnen und Managern in den Topetagen, haben nicht nur einen hohen Nachholbedarf beim Wissen um afrikanische Kultur, um Mode und die Leistungsfähigkeit der Menschen dort, sie haben auch die Pflicht, mehr über die Menschen eines Kontinents zu erfahren, die über Jahrhunderte von den Europäern ausgebeutet wurden und heute immer noch Spielball der Mächtigen dieser Welt sind. Vielleicht sollte ich mein Seminar ,Einführung: Dekoloniales Denken – Perspektiven in Mode und Design‘, das ich an der HFK leite, einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen.“

Sie hatten 2012 den Africa Fashion Day Berlin als Teil der BERLIN FASHION WEEK initiiert, als Business-Plattform. Damals, sagen Sie, waren die Einkäufer nicht mutig genug. 2015 wurde das Projekt dann eingestellt. Hat sich heute diesbezüglich etwas geändert?
„Die Szene hat sich weiter professionalisiert, aber noch immer ist vielen Designerinnen und Designern sowie Modeschaffenden afrikanischer Herkunft der Zugang zur Modewelt, besonders der deutschen, versperrt. Sei es durch Bildung, sei es in der Wahrnehmung oder eben in den Köpfen der Einkäufer. Sehen Sie, wenn eine Weltmarke wie LOUIS VUITTON die Farben der Flaggen Jamaikas und Äthiopiens nicht auseinanderhalten kann oder eine Kette wie H&M einen dunkelhäutigen Jungen im Kapuzenshirt mit der Aufschrift ‚Coolest Money in the Jungle‘ ablichtet, ist das keine Bagatelle, sondern bezeichnend für das Desinteresse an Afrika. Ich komme unter anderem aus der Werbung, da schauen viele Köpfe drauf und keinem fällt das auf? Als Women of Coulor in der Diaspora regt mich das maßlos auf!“

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Fallen Ihnen spontan Händler ein, die mutiger geworden sind, also afrikanische Mode und Design verkaufen?
„Es gibt leider zu wenige Ausnahmen. zalando hat Platz für Schwarze Designerinnen und Designer. Auch im KaDeWe oder im Lafayette gibt es immer wieder Aktionen. Aber das ist viel zu wenig. Subsahara-Afrika hat mehr zu bieten. Wir können die wirtschaftliche und politische Instabilität des Kontinents nicht wegdiskutieren, es gibt viele Unsicherheiten, aber es gibt Brands, die wirklich sehr gute Qualitäten liefern. Wir sollten endlich mal anfangen, Geschäfte zu machen und nicht immer wieder passiv auf eine bessere Zukunft warten.

„Noch immer ist vielen Designerinnen und Designern sowie Modeschaffenden afrikanischer Herkunft der Zugang zur Modewelt, besonders der deutschen, versperrt.“

Leider habe ich nur wenige deutsche Einkäufer auf afrikanischen Modemessen oder auf den Schauen gesehen. Einkäufer fungieren als Gatekeeper in den Markt, viele von ihnen sind sich einfach ihrer besonderen Verantwortung nicht bewusst. Dabei muss man nicht gleich nach Afrika fliegen, um afrikanische Mode und Design zu entdecken, dafür gibt es auch Dienstleister wie uns. Wird aber afrikanische Mode verkauft, müssen nebenbei gesagt auch die Kunden dafür angesprochen und überzeugt werden. Das zeigt, dass die Sache weitere Kreise zieht.“

Sie selbst betreiben die Kreativagentur APYA und die digitale Plattform Fashion Africa Now, die Kreative aus Afrika und der Diaspora präsentiert. Wo steht afrikanisches Design auf dem deutschen Markt?
„Leider findet das so gut wie gar nicht statt. Im Gegensatz zu anderen Ländern wie Frankreich oder England, wo sich afrikanische Designerinnen und Designer einen festen Platz erkämpft haben. In Italien zum Beispiel war auf der letzten Ausgabe der Pitti Uomo der südafrikanische Thebe Magugu Guest Designer. Mir persönlich gefällt auch der Modebegriff ‚Black-Owned Brands‘ überhaupt nicht, denn der funktioniert wieder genau nach dem gängigen Muster ‚die und wir‘.“

Welche Labels/Designer führen Ihre persönliche Hitliste an?
„Ganz aktuell mag ich MERCI ME aus Uganda, LARRY JAY aus Ghana, buki akomolafe hier aus Berlin, SHEKUDO aus Nigeria und MASA MARA aus Südafrika.“

In Frankfurt kommt es zu einem Neustart der Fashion Week. Werden Sie mitwirken?
„Tatsächlich würden wir das sehr gerne tun. Es gab eine Anfrage von einem weißen Mann, der mit seinen weiteren weißen Kollegen etwas plante, da hat sich eine Zusammenarbeit aus unterschiedlichen Gründen nicht ergeben. Vielleicht greife ich doch mal zum Telefon und melde mich direkt bei der FRANKFURT FASHION WEEK …“ 

Fashion Africa Now

Beatrace Angut Oola ist unter anderem Gründerin von Fashion Africa Now, einer digitalen Informationsplattform, die sich zum Ziel gesetzt hat, Schwarze Menschen in der Modeindustrie dort sichtbar zu machen, wo sie nicht sichtbar sind. Vor einem Jahr startete sie den Fashion Africa Now Podcast. Beatrace betreibt die Kreativagentur APYA und arbeitet als Creative Consultant, Kuratorin, Dozentin, Zukunftsdenkerin und Fürsprecherin für African Fashion. Beatrace gilt als globale Pionierin der African-Fashion-Bewegung und steht für Inklusion und Repräsentanz in der Modebranche. In Deutschland hat sie mit dem Auftakt vom Africa Fashion Day Berlin im Jahr 2012 der African Fashion einen breiteren Zugang zur Modeindustrie verschafft, dazu zählten Fashion Shows, Ausstellungen, Pop-up-Formate und Talks. Sie organisierte auch in afrikanischen Ländern Netzwerk-Veranstaltungen.