Nachhaltig doppelt funktional

Im Kielwasser der Formal Wear hatten viele Hemdenanbieter einen ordentlichen Ritt aufgenommen. Was aber, wenn die Welle plötzlich bricht und das Meer sich nicht mehr rührt? ©free creative stuff/pixabay

Autor: Markus Oess
Wenn die Welle gut läuft, ist es für Topspezialisten nicht allzu schwer, auf ihr den anderen davonzureiten. Im Kielwasser der Formal Wear hatten viele Hemdenanbieter einen ordentlichen Ritt aufgenommen. Was aber, wenn die Welle plötzlich bricht und das Meer sich nicht mehr rührt? Auch ohne Corona und Lockdown steht das Anzugsegment nicht nur modisch vor Veränderungen. Die Trageanlässe werden weniger und der formelle Anspruch aufgeweicht. Wir haben drei Hemdenmarken gefragt, wie sie wieder Oberwasser bekommen wollen, welche modischen Antworten sie geben und was sie von der aktuellen Orderrunde erwarten.

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„Wir arbeiten schon seit Jahren täglich daran, unsere Produkte noch nachhaltiger zu machen.“ Mark Bezner

Mark Bezner, Geschäftsführender Gesellschafter der OLYMP Bezner KG, Bietigheim-Bissingen, rückt die Themen Nachhaltigkeit und funktionale Innovation in den Fokus, um eine generell schwierige Order gut nach Hause zu fahren.

FT: Inwiefern haben sich der Trageanlass bzw. die Konsumentenpräferenz bezüglich des Hemdes mit Blick auf den Trend zur Casualisierung und dessen Verstärkung in der Corona-Pandemie verändert und welche modischen Antworten darauf haben Sie gefunden?
Mark Bezner: Die Pandemie hat viele neue Erkenntnisse gebracht. Die nochmalige Erhöhung der Innovationskraft im Business-Segment steht stärker denn je in unserem Fokus, Stichwort: OLYMP 24/Seven. Das All-Time-Shirt gewinnt weiter an Vielfalt – mit Geweben aus nachhaltigen TENCEL™-Lyocellfasern, neuen Farbkombis und Qualitäten aus COOLMAX® – eine Marke der LYCRA Company. Außerdem verzeichnen wir weiterwachsende Sortimentsanteile an Freizeit- und Smart-Casual-Hemden, Pullovern, Polo-, Sweat- und T-Shirts.“

Hat die Bedeutung der Nachhaltigkeit bei der Kaufentscheidung zugenommen und wie gehen Sie mit Ihrer Marke/Ihrem Unternehmen dieses Thema an?
„Das Bedürfnis nach verantwortungsbewussterem Konsum wächst. Wir arbeiten schon seit Jahren täglich daran, unsere Produkte noch nachhaltiger zu machen. Zahlreiche Artikel in unserem Sortiment sind bereits aus zertifizierten Rohstoffen und umweltschonend gefertigt. Diese Produkte erhalten ab sofort als klares Erkennungsmerkmal das OLYMP-Label GREEN CHOICE. In der Herbstkollektion 2021 genügen bereits 63 Prozent aller OLYMP-Hemden einschließlich OLYMP SIGNATURE den GREEN-CHOICE-Anforderungen. Bis 2025 werden es 100 Prozent sein – inklusive Strick- und Wirkartikeln sowie Accessoires.“

Haben Sie neue Segmente/Produkttypen (Hemdjacke et cetera) eröffnet, um den veränderten Konsumentenpräferenzen zu begegnen – wenn ja, welche und wie sehen diese aus?
„Overshirts überzeugen nicht nur in der Nachfrage, sondern innerhalb unserer Kollektion in Varianten aus Real Indigo, Heavy Jersey oder farbintensiven Kombinationen aus Baumwolle, Leinen und Elasthan.“

Hat sich in diesem Zusammenhang der Auftritt auf der Fläche verändert beziehungsweise was empfehlen Sie diesbezüglich dem Handel?
„Die Modernität der Kollektion sollte sich in der Warenpräsentation fortsetzen, die individuellen Produktmerkmale wie Nachhaltigkeit oder Vielseitigkeit in den Verwendungsmöglichkeiten sollten klar herausgestellt werden.“

Im Zusammenhang mit der Pandemie gibt es auch Engpässe bei der Logistik und den Rohstoffen. Ist Ihr Unternehmen davon betroffen und mussten Sie preislich reagieren und wenn ja, in welchem Umfang?
„Wir können uns der brisanten Problematik nicht gänzlich entziehen. Die Auswirkungen lassen sich mit Höchsteinsatz unserer Beschaffungsteams bislang aber in einigermaßen erträglichen Grenzen halten, sodass sich daraus keine Konsequenzen ergeben.“

Mit welchen Erwartungen gehen Sie in die kommende Orderrunde und wovon wird es vor allem abhängen, ob diese auch erreicht werden können?
„Der Vorverkauf wird gewiss keine leichte Aufgabe. Jedoch haben wir alles, was wir der durchaus nachvollziehbaren Kaufzurückhaltung des Fachhandels entgegensetzen können, in unserer reichlich mit Innovationen ausgestatteten Kollektion verarbeitet. Jetzt muss es uns nur noch gelingen, die Einkaufsverantwortlichen davon zu überzeugen, dass die Kollektionsinhalte in keinem auch noch so gut bestückten Sortiment fehlen dürfen.“

 

Wir rechnen auch für Frühjahr/Sommer 2022 mit einer Zuwachsrate im zweistelligen Prozentbereich.“ Heiko Storz ©FIL NOIR

Auch Heiko Storz, Geschäftsführer von FIL NOIR, Radolfzell, sieht in der Nachhaltigkeit das Zukunftsthema. Modisch geht es lässiger zu, mit Slow Wear und Leinenhemden. Storz plant in der Order ein zweistelliges Plus.

FT: Inwiefern haben sich der Trageanlass bzw. die Konsumentenpräferenz bezüglich des Hemdes mit Blick auf den Trend zur Casualisierung und dessen Verstärkung in der Corona-Pandemie verändert und welche modischen Antworten darauf haben Sie gefunden?
Heiko Storz: „Der Trend geht klar in eine Richtung: je lässiger, desto besser und desto größer die Akzeptanz. Wir haben diese Tendenz früh erkannt und entsprechende Angebote formuliert. Neben der Kapselkollektion Slow Wear City Shirts, die wir zum Frühjahr/Sommer 2021 vorgestellt und erfolgreich lanciert haben, bieten wir – ebenfalls seit Frühjahr/Sommer 2021 – eine äußerst umfangreiche Leinen-Kapsel an – mit hervorragenden Abverkäufen, die sich im Frühjahr/Sommer 2022 fortsetzen werden.

Zum Frühjahr/Sommer 2022 haben wir die Leinen-Kapsel konsequent weiterentwickelt: Mit Leinenhemden in 25 Farben für Herren und jetzt auch für Damen sind wir der größte Anbieter im europäischen Markt. Jeder Style kann in jeder Farbe und Größe auch in Kleinstmengen bestellt werden.

Weitere wichtige Kriterien im Casual-Trend sind die Stoffe. Weiche Qualitäten werden bevorzugt, darüber hinaus müssen sie pflegeleicht, einfach und unkompliziert sein. Auch hier überzeugen unsere Leinenhemden, die dank eines speziellen Leinenwaschverfahrens besonders weich und ,ready to wear‘ sind.“

Hat die Bedeutung der Nachhaltigkeit bei der Kaufentscheidung zugenommen und wie gehen Sie mit Ihrer Marke/Ihrem Unternehmen dieses Thema an?
„Nachhaltigkeit ist DAS Zukunftsthema schlechthin und hat im letzten Jahr einmal mehr an Bedeutung gewonnen. Bereits seit Frühjahr/Sommer 2020 verzichten wir auf Polybeutel und liefern unsere Artikel in Taschen aus 100 Prozent recyceltem Papier und ,made in Germany‘ aus. Wir waren der erste Hemdenhersteller in Europa, der diesen Schritt gewagt hat. Seit Herbst/Winter 2020 verpacken wir komplett plastikfrei. Auch die Nadeln haben wir durch ein Baumwollband ersetzt. Im Herbst/Winter 2020 folgte ein weiterer signifikanter nachhaltiger Schritt: der Launch von FIL NOIR respect, unsere GOTS-zertifizierte Kapselkollektion. Die Artikel werden in einem GOTS-zertifizierten Baumwollbeutel ausgeliefert, den der Kunde als Goodie weitergeben oder an uns zurückschicken kann. Bei Rücksendung erhält er pro Beutel eine Gutschrift über 2 Euro. In beiden Fällen wird er weiterverwendet. Damit bieten wir – auch als erster Anbieter in Europa – eine Verpackung im Pfandsystem nach dem Vorbild des Zero-Waste-Prinzips an.

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Unsere Kunden haben die Papierverpackung von Anfang an befürwortet und haben FIL NOIR respect durchweg positiv aufgenommen. Seit Frühjahr/Sommer 2021 ordert fast jeder unserer Kunden FIL NOIR respect. Bereits zum Herbst/Winter 2021 konnten wir zusätzliche Styles anbieten, doch zu Frühjahr/Sommer 2022 werden wir unsere nachhaltige Kapsel signifikant erweitert haben und mehr Stoff- und Style-Variationen für Damen und Herren anbieten können.“

Haben Sie neue Segmente/Produkttypen (Hemdjacke et cetera) eröffnet, um den veränderten Konsumentenpräferenzen zu begegnen – wenn ja, welche und wie sehen diese aus?
„Im Herbst/Winter 2021 haben wir Hemdenjacken und Overshirts – in hochwertigen Baumwoll- und Cordqualitäten – erfolgreich verkauft. Im Frühjahr/Sommer 2022 haben wir das Programm stark ausgebaut und bieten Modelle auch in Leinen an.“

Hat sich in diesem Zusammenhang der Auftritt auf der Fläche verändert beziehungsweise was empfehlen Sie diesbezüglich dem Handel?
„Generell empfehlen wir dem Handel eine verbraucherfreundliche Präsentation, das heißt, Hemden und Blusen sollten möglichst offen präsentiert werden. Für unsere Kapselkollektionen Slow Wear City Shirts, FIL NOIR respect und FIL NOIR vintage unterstützen wir unsere Kunden mit eigenen PoS-Formaten – bis hin zu hochwertigen gebrandeten Kleiderbügeln und Warenträgern –, die wir kostenlos zur Verfügung stellen. Der Kunde erhält sie mit der ersten Auslieferung. Die Bestellung der PoS-Programme kann einfach und unkompliziert mit der saisonalen Order platziert werden.“

Im Zusammenhang mit der Pandemie gibt es auch Engpässe bei der Logistik und den Rohstoffen. Ist Ihr Unternehmen davon betroffen und mussten Sie preislich reagieren und wenn ja, in welchem Umfang?
„Wir haben die Saison Frühjahr/Sommer 2021 pünktlich und zu 100 Prozent ausgeliefert und erwarten auch für Herbst/Winter 2021 keine Verzögerungen. Da wir passives Lohngeschäft betreiben, sind wir jederzeit in der Lage, unsere Logistikkette selbst zu steuern und flexibel zu reagieren. Wir betreiben kein Vollgeschäft und sind deshalb völlig unabhängig von Agenturen und Produzenten.“

Mit welchen Erwartungen gehen Sie in die kommende Orderrunde und wovon wird es vor allem abhängen, ob diese auch erreicht werden können?
Wir durften uns im Frühjahr/Sommer 2021 über ein Umsatzplus von 30 Prozent freuen. Aufgrund guter Abverkäufe sind wir äußerst optimistisch und rechnen auch für Frühjahr/Sommer 2022 mit einer Zuwachsrate im zweistelligen Prozentbereich.“

 

Bei ETERNA werden  die Übergänge zwischen Freizeitgarderobe und Office-Look immer fließender. ETERNA-Chef Henning Gerbaulet ©ETERNA 

Für Irmgard Leiter, Senior Product Manager Hemd bei ETERNA, lösen sich die Grenzen zwischen Business und Freizeit auf. Hybride ersetzen das „Entweder-oder“. Neben Nachhaltigkeit dreht sich auch hier vieles um Bequemlichkeit und Funktion. Die Orderrunde ist schwer einzuschätzen, findet Sylvia Scherrer, Chief Product Officer bei den Passauern.

FT: Inwiefern haben sich der Trageanlass bzw. die Konsumentenpräferenz bezüglich des Hemdes mit Blick auf den Trend zur Casualisierung und dessen Verstärkung in der Corona-Pandemie verändert und welche modischen Antworten darauf haben Sie gefunden?
Sylvia Scherrer: „Die Übergänge zwischen Freizeitgarderobe und Office-Look werden immer fließender. Folglich müssen die Kleidungsstücke viel mehr können, denn sie lassen sich nicht mehr in eine klare Schublade einordnen.

Business-Looks werden deutlich moderner und verlieren ihren ,Uniform‘-Charakter, sie werden individueller und zeigen mehr Persönlichkeit. Es werden keine Kompromisse mehr gemacht. Neue Materialien und Funktionalitäten für einen maximalen Tragekomfort sind wichtige Verkaufsargumente, um den Alltag flexibel zu gestalten. Das zeigt auch die zunehmende Bedeutung der Hybrid-Styles in der Kollektion. Diese klar herausgearbeiteten Hybride lassen die Grenzen einer klaren Zugehörigkeit zu einer Produktgruppe oder einem Department bewusst hinter sich. Aus unserer Sicht ist dieses Denken in Kategorien ohnehin überholt.“

Hat die Bedeutung der Nachhaltigkeit bei der Kaufentscheidung zugenommen und wie gehen Sie mit Ihrer Marke/Ihrem Unternehmen dieses Thema an?
 „Nachhaltigkeit ist bei ETERNA seit jeher ein wichtiges Thema. Grundsätzlich haben wir an alle Materialien und Produktionsverfahren einen sehr hohen Nachhaltigkeitsanspruch, da alle Hemden bei ETERNA das Produktlabel MADE IN GREEN by OEKO TEX® tragen. Im Premiumsegment kommt außerdem die CO2-neutrale Produktion hinzu und im Casualsegment wird dies durch Upcycling-Materialien und eine plastikfreie Verpackung ergänzt. Wir setzen verstärkt auf gute Alternativen zur Baumwolle, die bei ETERNA ohnehin immer mindestens BCI-Standard hat. Leinen und Tencel bieten sich dabei für die Sommerkollektion perfekt an und tragen einen deutlich höheren Kollektionsanteil als noch vor einem Jahr. Das Thema Upcycling bauen wir weiter aus und bringen auch Strick und Jersey in neuen, nachhaltigeren Garnzusammensetzungen.“

Haben Sie neue Segmente/Produkttypen (Hemdjacke et cetera) eröffnet, um den veränderten Konsumentenpräferenzen zu begegnen – wenn ja, welche und wie sehen diese aus?
„Wie erwähnt, sind Hybride enorm wichtig. Auch Overshirts und Jacken sind ein Thema: Unser Lieblingslook in der Saison ist ein Fieldjacket aus 100 Prozent Leinen im Safari-Style, das lässig über einem Sommerstreifen mit Strickkrawatte getragen wird. Auch mit dem Ausbau unseres Polo-Angebotes und mit unserem exklusiven Sommerstrick gehen wir auf die veränderten Konsumentenpräferenzen ein.“

Hat sich im Zusammenhang mit neuen Segmenten/Produkttypen der Auftritt auf der Fläche verändert beziehungsweise was empfehlen Sie diesbezüglich dem Handel?
„Wir empfehlen den Kunden, auf neue Qualitäten und Themen zu setzen, die ihren Schwerpunkt im Bereich Casual einerseits und Innovation andererseits haben: garment-dyed oder garment-washed Hemden und Blusen beziehungsweise Polos auf nachhaltigen Materialien. Aber auch Highlight Pieces wie Overshirts, Kleider und Röcke sind neu und anders. Der Look ist immer entspannt und premium, die Qualität supersoft und pflegeleicht. Zum Thema Innovation setzen wir stark auf das PERFORMANCE SHIRT für Hemd und Bluse und haben das Angebot ausgebaut, sowohl für die Vororder als auch für die Nachversorgung über das NOS-Lager.“

Im Zusammenhang mit der Pandemie gibt es auch Engpässe bei der Logistik und den Rohstoffen. Ist Ihr Unternehmen davon betroffen und mussten Sie preislich reagieren und wenn ja, in welchem Umfang?
„Im Rohstoffbereich sind wir durch unseren Fokus auf wenige Grundqualitäten und damit verbundene Rohwarenblöcke gut aufgestellt und in der Lage, die Bestände wieder hochzufahren. Aufgrund der Nichtplanbarkeit bezüglich der Wiederöffnungen über die Märkte hinweg allerdings nicht ohne Engpässe. Das Thema der knappen Transportkapazitäten und gestiegenen Transportkosten wird uns wohl noch länger begleiten. Bislang haben wir dadurch bedingt noch keine Preisanpassungen vorgenommen.“

Mit welchen Erwartungen gehen Sie in die kommende Orderrunde und wovon wird es vor allem abhängen, ob diese auch erreicht werden können?
„Wie diese Orderrunde letztendlich verlaufen wird und welches Ergebnis dabei rauskommt, ist extrem schwer einzuschätzen. Jeder Ordertermin bringt neue Erkenntnisse. Produktseitig sind wir sehr gut aufgestellt und hoffen, dass wir mit dem Angebot das Beste aus der aktuellen Lage machen können.“