Zeichen der Erholung
Der Hunger auf Mode sei da, vermeldete das Deutsche Mode-Institut nach Ablauf der Düsseldorf Fashion Week. Clean Chic und Komfort, starke Statements in leuchtenden Farben und expressiven Drucken, die Lust auf den nächsten Sommer machten. Gleichzeitig gewinne auch die Nachhaltigkeit zusehends an Gewicht. „Auf den zahlreichen Order-Plattformen zeigte sich ein ebenso vielfältiges wie buntes Bild für die Modesaison Frühjahr/Sommer 2022. Auch wenn man auf die während des langen Lockdowns gewonnene Bequemlichkeit der Bekleidung nicht mehr verzichten möchte, ist der Hunger auf Mode wieder da. Die Lust, sich zu zeigen und gesehen zu werden, Freude am Zusammensein in der Gemeinschaft ebenso wie damit verbundene Anlässe. Die Herausforderung für die Einkäufer besteht darin, jetzt die richtigen Teile zu ordern, zumal die Läger teils noch voll sind und die Inzidenz wieder steigt“, heißt dazu weiter. Helfen sollte dabei auch das DMI BUYER’S BRIEFING anlässlich der Gallery FASHION&SHOES auf dem Areal Böhler.
In den Showrooms herrschte aufgeräumte Stimmung. Die Freude, sich wieder persönlich zu treffen, in die Ware greifen zu können und einfach den Austausch zu suchen, war da. Allerdings blieb die Düsseldorf Fashion Week stark von Terminen geprägt, Frequenz fehlte, nicht zuletzt auch, weil im Vorfeld der Veranstaltung nicht ganz klar war, wie weit es mit den Öffnungen der Corona-Maßnehmen bestellt sein würde und die Firmen dann ihr Sicherheitskonzept mit festen Einladungen umsetzten. Die Düsseldorf Fashion Week war in erster Linie national. Händler kamen überwiegend aus den angrenzenden Bundesländern. Die Ausländer, die anreisten kamen zumeist aus den Anrainerstaaten wie den Niederlanden oder Belgien. Russland fehlte wegen der Ausreisebeschränkungen des Landes komplett. Die Order sollte über Vorjahr abschließen, allerdings noch immer nicht das Niveau von 2019 erreichen, so die allgemeine Einschätzung. Wobei beim Referenzjahr 2019 gerne vergessen werde, dass es nicht unbedingt zu den besten der Branche gehört habe, wie ein Marken-Chef gegenüber FT betont. Corona ist wieder etwas in den Hintergrund gerückt. Es wird wieder mehr über Ware gesprochen, der Handel schwimmt nun nicht im Geld, aber er hat sich ein gewisses Level an Liquidität erarbeitet. Neben Nachhaltigkeit sei diesmal auch die Bereitschaft zur Änderung vorhanden, zu einzelnen Tests bis hin zum Neuaufbau, heißt es.
Bei der Ahlersgruppe macht sich nicht allein der Wechsel von Florian Wortmann als Baldessarini-Chef bemerkbar, der mit der neuen Kollektion durchaus für Gesprächsbedarf gesorgt, aber auch gezeigt hatte, dass das Programm auch in der Breite der Marke gerecht wurde. „Mit der Resonanz auf die Neuerungen bei Baldessarini sind wir sehr zufrieden. Es ist erfreulich, dass die neue Kollektion mit ihren Spitzen, aber auch in der Breite so gut besprochen wird“, sagt Vorstands-Chefin Dr. Stella Ahlers gegenüber FT. „Generell fragt der Handel nach Innovation, nach Neuem. Während wir bei Pierre Cardin uns wieder auf die französischen Wurzeln besinnen (facilité et liberté) und die Marke wieder stärker emotionalisieren, gehen wir mit Pioneer in den Weltraum und reisen thematisch zum Mars. Auch hier fallen die Kommentare aus dem Handel durchweg positiv aus. Einen weiteren Schwerpunkt haben wir insgesamt bei der Nachhaltigkeit gesetzt. Zukünftig werden wir bei allen drei Marken immer mehr zertifizierte oder recycelte Produkte anbieten, die zum Beispiel OCS oder GOTS zertifiziert sind.” Der Konzern wird zur nächsten Saison im Medienhafen einen neuen Showroom mit einer Fläche von 750 Quadratmetern beziehen.
Dort hat schon BENVENUTO. seine neuen Flächen bezogen. Marken-Chef Markus Kamsteeg äußert sich sehr zufrieden über die Reaktionen auf den Neustart des Labels. „Ich muss unserem Designer, Christian Fritz, ein dickes Kompliment aussprechen. Die Kollektion ist auf den Punkt: modern und erkennbar BENVENUTO.!“Nun gehe es darum, den Zuspruch auch in konkrete Aufträge umzumünzen. Die Marke habe ihre Marktberechtigung. Auch was die Produktqualität angehe, sieht er sich in der neuen Konstellation im Vorteil. Der Investor sei nachweislich in der Lage auch Topqualitäten abzuliefern, da ebenso für hochwertige Marken gefertigt werde. „Wir beschaffen weltweit, aber weltweit schließt auch Europa ein“, sagt Kamsteeg.
Auch Gerhard Kränzle, Chef des Hosenanbieters Hiltl, berichtet von einem grundsätzlich positiven Orderauftakt und auch dort gab es Neuerungen, die es in den Ordergesprächen eingehender zu besprechen galt. „Wir haben Corona genutzt, uns neu aufzustellen. Die Aussagen der Einkäufer zeigen, dass wir nicht am Markt vorbei gearbeitet haben, sondern das Gegenteil der Fall ist.“ Hiltl plant mit einem zweistelligen Plus. Neben dem überarbeiteten Programm und der Neueinführung von Denims, die es bald auch GOTS-zertifiziert geben soll, setzt der Manager auf die Anpassung der Preisstruktur, die zwar die Eckpreislagen nicht antastet, aber deren Schwerpunkt innerhalb diese Grenzen nach oben gewandert ist.
Erstaunlich gut gestartet ist indessen der Anzug. Die Hochzeiten würden nachgeholt, sagt Jochen Digel, Chef des gleichnamigen Anzugspezialisten. Und die Nachfrage steige. Der Juli 2021 sei sogar stärker als der 2019 gewesen. Auch Digel spricht davon, dass im Handel die Läger halbwegs geräumt wurden und mehr Geld für die Order verfügbar sei als noch letzte Saison. Mit den Schuhen (130.000 Paare wurden 2019 verkauft) und Ceremony steht das Unternehmen zusammen mit Digel und Move auf vier Säulen. Wie das Gesamtjahr ausgeht, lasse sich nicht abschätzen. Je nach Basis (2020) sei ein dickes Plus oder ein Minus von 25 Prozent bis Pari (2019) möglich. Das speziell im Anlassbereich der Trend wieder nach vorne geht, bestätigen auch der scheidende Vertriebschef von Création Gross, Dieter Gambke, und sein Nachfolger Philipp Pinger. Auch hier das gleiche Bild: An den Tischen wird gearbeitet, aber darüber hinaus kommen kaum Einkäufer in den Showroom. Von Zuversicht und Wachstum ist auch bei den beiden Holy-Marken windsor. und JOOP! zu hören. Der Total-Look wird für windsor. zur Stellgröße. Es gehe darum, die Kollektion weiter zu modernisieren, ohne den Kern der Marke zu verwässern, sagt Marken-Chef Jan Mangold. Moderne Konfektion, Funktion, neue Qualitäten und Bequemlichkeit seien hier die Stichwirte. Mangold schätzt, dass seine Marke den Umsatz gegenüber 2021 mindestens halten kann. Sollen dann wieder die Umsätze anziehen. Thorsten Stiebing, Markenchef JOOP! kann für das zurückliegende Jahr im Wholesale indessen sogar ein zweistelliges Wachstum vermelden. Und auch in diesem Jahr liege man aufgelaufen bei 34 Prozent. Marke und Mode seien wieder in den Mittelpunkt gerückt, sagt Stiebing. Der Handel sei derzeit stark in Bewegung.
Noch ist der Schwung aus dem Nachholbedarf der Anlassmode nicht bei den Hemden angekommen. Henning Gerbaulet, Chef des Passauer Hemden- und Blusenspezialisten ETERNA, sieht aber die Talsohle durchschritten. Zwar habe ETERNA Ertragskraft in der Corona-Krise eingebüßt, „aber wir haben operativ immer schwarze Zahle geschrieben“, sagt Gerbaulet. Nun gelte es, die noch verbliebene Altware bis Ende des Jahres abfließen zu lassen, um dann wieder auf ein normales Niveau einschwenken zu können. Das Auslandsgeschäft ziehe schon an und auch im Onlinehandel sei ein Wachstum zu verzeichnen. Eterna habe in den zurückliegenden Monaten die Kosten massiv heruntergefahren und das Working Capital reduziert. Auch das Maskengeschäft habe geholfen. „Wir haben uns schlanker, moderner aufgestellt“, sagt Gerbaulet, allerdings habe das Unternehmen auch weiterhin ins Produkt investiert, in Funktionalität und in Nachhaltigkeit. Diese Order will Gerbaulet wenigstens auf dem Niveau des Vorjahres abschließen. Vor allem Kurzarm-Hemden seien saisonbedingt vom Lockdown kaum betroffen. Thematisch setzt ETERNA zusehends auf nachhaltige Inhalte und bietet auch im Businesshemd Alternativen, die mit Attributen der Casualwear versehen sind. Auch bei der der Anleihe und der noch offenen Einigung mit den Gläubigern sieht sich der ETERNA-Chef einer Einigung sehr nah.