Autor: Markus Oess Nach dem Lockdown gab es mächtig Lagerdruck bei den Anzuganbietern. War das Segment sowieso schon mit der Casualisierung beschäftigt, sorgten Lockdown und Homeoffice im Grunde zu einem Totalausfall der Nachfrage. Jetzt, im Vorfeld der anstehenden Order, verspürt die klassische Mode auf der Fläche Auftrieb. Bei Création Gross stehen die Zeichen auf Entspannung. „Wir glauben an die Klassik“, sagt Thomas Steinhart, Managing Partner bei den Hersbruckern. Spätestens im nächsten Jahr wird sich der Markt erholen, schätzt er. Was der Menswear-Spezialist für die kommenden Monate erwartet und wohin zur Order Frühjahr/Sommer 2022 modisch die Reise geht.
„Das Jahr 2020 war für uns eine harte Zäsur. Wir haben das Jahr 2020 mit einem Umsatzminus von rund 30 Prozent abgeschlossen und mussten mit spürbaren Kosteneinsparungen gegensteuern.“ Thomas Steinhart, Managing Partner Création Gross, hat die Hochzeit des Anzuges in Hersbruck miterlebt – und auch dessen schnellen Niedergang, wobei nicht ganz klar ist, wie viel Schuld die Corona-Maßnahmen tragen und wie viel einfach der Mode im gesellschaftlichen Wandel geschuldet war. Der Sparkurs war nicht immer einfach, weil auch auf der Produktionsseite kein Partner zusammenbrechen sollte. Dabei schien nach der ersten Welle zunächst das Gröbste überstanden. „Wir hatten uns im ersten Halbjahr 2020 gut erholt. Dann wurden wir von der zweiten Welle kalt erwischt. Wir haben nicht damit gerechnet, dass die Pandemie so verläuft und wir auch noch in die dritte Welle und damit in einen so lange anhaltenden Lockdown schlittern würden“, bilanziert Steinhart. Bei den Anlässen gab es pandemiebedingt einen Totalausfall und auch im klassischen Bereich kam es zu heftigen Verwerfungen. „Aus diesem Grunde konnten wir nur bedingt vom Online-Handel profitieren wie andere Anbieter. Es wurden in Summe einfach kaum Anzüge gekauft. Dennoch haben wir auch in die Digitalisierung investiert, produktionsseitig, aber genauso wie in den Vertrieb und ins Marketing“, sagt Steinhart.
Inzwischen hat sich das Unternehmen intern neu aufgestellt und die Struktur angepasst. „Wir konnten die Kosten spürbar senken, ohne betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen“, betont Steinhart. „Jetzt müssen wir diese Order gut durchbringen.“ Inzwischen zeigen sich wieder erste Anzeichen der Erholung. Die Hersbrucker liegen über einem zugegebenermaßen vorsichtig aufgestellten Plan. „Läuft es weiter wie jetzt, gehe ich davon aus, dass wir dieses Geschäftsjahr 20 bis 30 Prozent unter 2019 abschließen werden, gegenüber 2020 hätten wir damit unseren Umsatz gehalten, was sich natürlich entsprechend auf das Ergebnis auswirkt. Aber wir sind gesund und finanzstark. Hält die Entwicklung weiter an, sind wir noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen, allerdings mit einem sehr blauen“, schätzt Steinhart. Auch er bestätigt, dass die Entwicklungen im Ausland parallel zu den Lockerungsmaßnahmen verlaufen. Wird früher reagiert, haben sich Märkte wie Dänemark oder Frankreich schneller erholt. Länder wie die Niederlande oder Belgien tun sich immer noch etwas schwer.
„Wir glauben fest an die Klassik, auch wenn noch nicht sicher ist, ob die Erholung schon dieses oder erst nächstes Jahr eintreten wird. Die Business-Mode kommt zurück und auch im Anlassbereich wird vieles nachgeholt, gerade im Juni haben wir das deutlich sehen können, spätestens aber 2022 wird sich hier viel tun. Wir erhalten auch ein gutes Feedback von unseren Händlern. Wir haben in das Produkt und in die Lieferfähigkeit investiert. Das zahlt sich aus“, sagt Steinhart. Im Augenblick jedenfalls habe der Handel gute Abverkäufe. Überdies kämen mittlerweile auch die Staatshilfen an. Die Ersten spürten sogar wieder Personalmängel: „Viele unserer Händler haben die Krise gut gemeistert, andere brauchten Unterstützung. Wir sehen jetzt daher keine Insolvenzwelle auf uns zurollen. Allerdings hören wir immer wieder von Geschäftsaufgaben, weil in diesen schwierigen Zeiten kein Nachfolger gefunden werden konnte.“ Steinhart ist überzeugt, dass der Handel künftig enger zusammenrücken und stärker kooperieren müsse, um die neuen Herausforderungen meistern zu können. Die Verödung vieler Innenstädte sei nur eine davon.
CARL GROSS
Thorsten Grönlund, Division Head of CARL GROSS, rechnet sogar damit, dass die aktuelle Order besser als erwartet ausfallen könnte, wenn die Nachfrage im Handel weiter so gut läuft wie bisher. Er verspürt so etwas wie Aufbruchsstimmung und das will er auch mit der neuen Kollektion Frühjahr/Sommer 2021 ausdrücken, die Farben sind hell und freundlich. „Wir haben mit 24/7-Flex einen sportiven Part unter anderem mit Jacken und Hemdjacken. Die Mode wird wieder mehr preppy und angezogener. Daneben bleibt unsere BLACK LINE als Toplinie mit neuen Qualitäten und Farben wichtig.“ Slim Fit ist vorbei. Generell werden die Formen wieder lässiger, weicher. Die Hosen werden weiter, die Revers breiter. „Und wir haben uns mit dem Thema Jacken/Sakko beschäftigt mit vier neuen Jackenmodellen und zwei Overshirts. Neu ist auch ein Jersey-Zweireiher. Aufgesetzte Taschen sind stilbildende Elemente des Sakkos“, sagt Grönlund.
Die Einflüsse auf die Kollektion sind vielfältig. Was die Form angeht, sind es Elemente der 1960er- und 1970er-Jahre. Stoffe der 1990er kommen mit neuen Funktionen zurück. „Bequemlichkeit ist Trumpf. Viskose zum Beispiel. Wichtig sind Leinen und Leinenmischgewebe. Strick-Polos und Strick-T-Shirts unterstreichen den neuen Look. Generell sehen wir einen starken Trend zur Elastizität der Stoffe“, sagt Grönlund.
CONCEPT GREEN macht inzwischen 40 Prozent des Umsatzes aus. 60 Prozent steuert CARL GROSS bei. Dazu kommt noch BLACK LINE. Preisänderungen gab es im Großen und Ganzen nicht. Der Schwerpunkt liegt für CARL GROSS weiterhin bei 199 Euro für das Sakko und bei 299 Euro für den Anzug, bei der BLACK LINE sind es 299 Euro bis 499 Euro für den Anzug. Auch CONCEPT GREEN bleibt preisstabil: „Mögliche Mehrkosten sehen wir als Investition ins Produkt, zumal wir die komplette Kollektion nach und nach auf Nachhaltigkeit umstellen werden. Wir spüren derzeit einen Preisdruck, den wir zurzeit jedenfalls noch auffangen können. Rohstoffe werden teurer, auch die Logistik.“
Grönlund will die Händleraktivierung der letzten Jahre weiterführen und modernisieren. Einzelheiten arbeitet das Team aktuell aus und will die Maßnahmen proaktiv mit dem Handel besprechen. Derzeit bietet die Marke drei unterschiedliche Pop-ups an: 24/7-Flex, BLACK LINE und CONCEPT GREEN. Insbesondere für CONCEPT GREEN sollen die Angebote ausgebaut werden. Neu ist außerdem das digitale Lookbook, das dem Handel als Orderunterlage zur Verfügung gestellt wird. Es ist eine Mischung aus diversen Looks und Produktdaten.
CG – CLUB of GENTS
Bleibt der Blick auf CG – CLUB of GENTS. Diesmal machten die Londoner Mods Urlaub in Biarritz, wie Ralf Klute, Division Head CG – CLUB of GENTS bei der Vorstellung der Kollektion Frühjahr/Sommer 2022 erklärt. „Das elegante Seebad wird zur Kulisse der neuen Kollektion: mehr Lebensfreude als Rock ’n‘ Roll. Mehr Ökologie und Natur als Nachtleben, das aber auch nicht zu kurz kommen darf“, sagt Klute. Farblich geht es ins Orange, Sandfarbene und Olive. Die Stoffe sind leicht und luftig: Baumwolle, Leinen, Strick und Jersey sowie Mischgewebe mit Tencel oder Lyocell. Die Qualitäten sind oft gewaschen oder überfärbt. Karo verliert zugunsten von Streifen merklich. Druck bleibt. Die Hosen erhalten oben herum mehr Volumen mit Zwei- und Dreibundfalten (CG). „Da ich Hosen mit sichtbarer Kordel etwas schwierig finde, haben wir eine eigene Interpretation der ,Kordelhose‘ entworfen. Neben unserer sehr erfolgreichen Hose mit Gummizug gibt es eine neue Interpretation mit seitlichem Dehnelement im Hosenbund und aufgesetzten Cargotaschen. Auch diese Saison haben wir uns für eine fokussierte Kollektion entschieden“, sagt Klute.
„Nachhaltigkeit wird auch bei uns ein Fokusthema. Wir haben einen Dreiteiler aus Öko-Baumwolle im Programm. Neu im Programm ist unsere Collab mit ,Waste 2 Wear‘, eine Kapsel mit insgesamt zehn Teilen, darunter T-Shirt, Badehose, Hoodie, Hemdjacke und Kurzmantel“, betont der Designer. Das Programm wird ausgebaut und hat unter „Waste 2 Wear“ einen eigenständigen Auftritt, der auch so auf die Fläche kommen soll. „Generell bewegen wir uns weg vom Sakko und bieten Alternativen wie Hemdsakko oder Overshirt. Wir haben auch das Strickangebot weiter ausgebaut. Neu ist zudem eine Bomberjacke in Jersey mit Seersucker-Effekt“, geht Klute ins Detail.
Gut angenommen werde weiterhin Your own Party. Bei den Produktmanagern herrscht noch mehr Optimismus als bei Steinhart. „Wir gehen davon aus, dass auch in diesem Jahr noch viele Hochzeiten/Feiern nachgeholt werden und entsprechend Nachfrage am Markt ist. Aber die Leute wollen nicht mehr bloß chic sein, sondern bevorzugen mehr die Vintage-Hochzeit, Lockerheit statt Förmlichkeit. Entsprechend sind die Materialien: Leinen, Baumwolle. Sonne und Meer sind auch hier das passende Ambiente“, führt Klute dazu aus. Das Accessoire-Programm wurde erweitert. Neben den Hosenträgern, Fliegen und Schleifen sind jetzt auch Schuhe und Gürtel als NOOS dabei. Die Schuhe produziert GORDON & BROS. Der VK liegt bei 149 Euro bei einer Spanne von 2,6. Dazu hat CG – CLUB of GENTS ein komplett neues Shopsystem für alle drei Linien entwickelt, das sich nur über die Logos CG, Savile Row und Your own Party unterscheidet. Den passenden Schuhpräsenter wird es auch geben.
Savile Row ist mit „Hôtel du Biarritz“ überschrieben. „Der Chic eines mondänen Seebades wird mit einer gewissen Entspanntheit kombiniert. Die Drucke auf den Anzügen sind von Matisse inspiriert. Highlights sind auch hier ein Bomber in Woll-Seersucker sowie der Zweireiher mit superbreitem Revers und ultrasofter Schulter“, sagt Klute über die Kollektion. Der Anzug sei jedenfalls nicht tot, betont Klute. Im Gegenteil: „Your own Party und NOOS sind zurzeit sehr erfreuliche Umsatzgaranten im Handel. Der Anzug ist das CG-Produkt, das dem Handel sehr viel Freude macht.“