Messen allein reicht nicht

OEKO-TEX®

Bislang, sagt Georg Dieners, Generalsekretär von OEKO-TEX®, gab es eine Datenlücke, weil die Firmen den Ausstoß von CO2 und ihren Wasserverbrauch nicht systematisch erfassen konnten und Vergleichswerte fehlten. ©pixabay

Autor: Markus Oess
Die Zertifizierungsgesellschaft OEKO-TEX® hat ein neues Tool entwickelt, das Firmen dabei hilft, Daten über ihren tatsächlichen Wasserverbrauch und ihre CO2-Emissionen zu erfassen und sie zu verstehen. Erst dann können im nächsten Schritt dort Maßnahmen ergriffen werden, um nachhaltig Wasser- und CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Anfang 2022 soll es losgehen.

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Zeit bleibt nicht. Dabei ist es nun auch kein Geheimnis, dass der Bekleidungssektor maßgeblich zu den globalen Emissionen beiträgt. Folglich muss die Modebranche für den Klima- und Umweltschutz aktiv werden, um ihren Teil zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius beizusteuern. Textile Produktionsanlagen spielen eine entscheidende Rolle bei der Erreichung der Branchenziele, den Wasserverbrauch und die CO2-Emissionen bis 2030 um 30 Prozent zu reduzieren. Sauberes Wasser wird knapp. Doch der Bekleidungssektor schneidet bei der Messung und Überwachung der Wasserauswirkungen nur unterdurchschnittlich ab – noch. Gleichzeitig entscheiden sich Verbraucher und Marken mehr und mehr für Produkte und Unternehmen, die Umweltthemen als strategische Schlüsselfaktoren begreifen und sich auf konkrete Nachhaltigkeitsziele verpflichten. Und die diese auch angehen. Nun bringt OEKO-TEX® ein neues Tool auf den Markt, das den CO2– und Wasser-Fußabdruck misst und Produktionsbetriebe dabei unterstützen soll, beides zu reduzieren. Anfang 2022 soll es losgehen.

Schritt für Schritt zu aussagekräftigen Ergebnissen.

Bislang, sagt Georg Dieners, Generalsekretär von OEKO-TEX®, gab es eine Datenlücke, weil die Firmen den Ausstoß von CO2 und ihren Wasserverbrauch nicht systematisch erfassen konnten und Vergleichswerte fehlten. Um diese Lücke zu schließen, hat OEKO-TEX® in Kooperation mit dem Beratungsunternehmen Quantis ein transparentes Life Cycle Assessment (LCA) Tool für Textilproduzenten entwickelt. Auf Basis anerkannter Material-, Wasser- und CO2-Standards sowie Datensätzen aus geprüften Branchendatenbanken wurden Best-of-Branchendurchschnittswerte ermittelt, die durch die kontinuierliche Dateneingabe aktueller Produktionsstätten ergänzt und laufend optimiert werden. Die Ergebnisse dieses Tools liefern den Produktionsstätten erste Einblicke in ihre CO2-Emissionen und ihren Wasserverbrauch pro Kilogramm produziertem Material. Auf dieser Basis können sie ihre größten Emissionstreiber identifizieren und schließlich ihre Betriebsprozesse und Einkaufspraktiken entsprechend optimieren“, erklärt Dieners. Das Tool soll anwenderfreundlich sein und möglichst selbsterklärend genutzt werden können. Aus dem Grund hat OEKO-TEX® zunächst in fünf Märkten Pilottests durchgeführt. Aktuell lassen wir das Feedback von Produzenten aus Indien, Italien, Ungarn, Deutschland und der Schweiz in die weitere Programmierung einfließen, um Anfang 2022 optimal starten zu können. Nach der Markteinführung werden wir im Rahmen unseres kontinuierlichen Qualitätssicherungsprozesses weiterhin das Kundenfeedback in die Prozessoptimierung einfließen lassen“, sagt Dieners.

Zeit zum Handeln, denn die Uhr läuft.

Senthil Nathan ist Manager der indischen ATLAS EXPORT ENTERPRISES. Er ist verantwortlich für Nachhaltigkeit & Compliance. ATLAS ist eines der Unternehmen, die bei einem solchen Pilotprojekt beteiligt waren. Das LCA Tool ist sehr nützlich, um Hotspots zu identifizieren und zu verstehen, auf welche Aspekte wir uns mehr konzentrieren müssen. Wir erhalten so eine glaubwürdigere Berechnung und spezifische CO2-Emissionsfaktoren. Auch können wir die tatsächlichen Umweltkosten unseres Energie- und Wasserverbrauchs ermitteln und herausfinden, wo wir Maßnahmen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit ergreifen müssen“, lobt Nathan. Der Manager betont, dass tatsächlich ein sehr leichtes und einfach zu bedienendes Tool entstanden sei. Die Daten würden lediglich gesammelt und in das Tool eingetragen. Dann würden der CO2– sowie der Wasser-Fußabdruck berechnet. Auch ohne Kenntnisse in diesem Bereich kann eine Person (das heißt jeder in der Fabrik) dies innerhalb eines Tages erlernen, durchführen und den CO2-/Wasser-Fußabdruckwert erhalten“, sagt Nathan. Das Tool helfe Produktionsstätten dabei, nachhaltiger zu werden und so das Wachstum abzusichern. Auch die Anforderungen der Marken an die Nachhaltigkeitsberichterstattung könnten leichter erfüllt und der Kundenservice verbessert werden, ist Nathan überzeugt. Überdies könne ausfindig gemacht werden, wo weitere Kostensenkungen möglich seien. Dank der Umstellung auf saubere und grüne Technologien ließen sich auch die gesetzlichen Umweltauflagen leichter erfüllen.

Nachdem die Größe des CO2-/Wasser-Fußabdruckwertes seines Unternehmens feststand, wurden konkrete Ziele definiert, diesen einzudämmen. So soll in erneuerbare Energien wie Wind- und Solarenergie investiert werden. Es wurden Maßnahmen zur Reduzierung des Wasserverbrauches festgeschrieben und auch Überlegungen angestellt, um den Energieverbrauch zu drücken. Gleiches gilt für den Verbrauch von Kraftstoffen. Außerdem werden mehr Bäume in der Anlage gepflanzt und ein Regenwasserauffangsystem gebaut. Als Letztes sollen alle Lebensmittelabfälle mit einer Biogasanlage zur Energiegewinnung genutzt werden. Nathan wünscht sich für die Zukunft, auch Daten über den Verbrauch und die tatsächlichen Kostenauswirkungen auf Mikroebene zu erhalten: So könnten wir für jedes Produkt herausfinden, wie viel Energie und Wasser es uns kostet und wie auch der entsprechende Fußabdruck des Produktes ist.“

 „Datenlücke schließen“

Die richtigen Daten zu messen, ist wichtig, sie zu verstehen, unverzichtbar. Georg Dieners, Generalsekretär OEKO-TEX®, über Fußabdrücke und wie das neue Tool funktioniert.

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Das Tool bietet den Produktionsstätten die Möglichkeit der Ermittlung ihrer CO2-Emissionen und ihres Wasserverbrauchs, ohne einen vollständigen Corporate Footprint erstellen zu müssen. Das spart Zeit und Geld.“ Georg Dieners, Generalsekretär von OEKO-TEX®

FT: Herr Dieners, der Carbon and Water Footprint steht ja schon länger auf der Agenda, warum kommt ausgerechnet jetzt das neue Tool?
Georg Dieners: „Um zu den Verpflichtungen des Pariser Klimaabkommens beizutragen, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, hat sich die Modeindustrie das Ziel gesetzt, ihre CO2-Emissionen bis 2030 um 30 Prozent zu reduzieren. Gleichzeitig spielen die Themen Wasserverbrauch und Umweltbelastung im Bekleidungssektor eine immer dringlichere Rolle, die entsprechender Handlung bedarf. Diese ehrgeizigen Verpflichtungen erfordern schnelle und messbare Maßnahmen entlang der textilen Wertschöpfungskette, die über die Anforderungen freiwilliger Initiativen hinausgehen. Dabei besteht die Herausforderung, Daten zu erfassen, zu verstehen und melden zu können, bevor sie ausgewertet und verbessert werden.
Um diese Datenlücke zu schließen, hat OEKO-TEX® in Kooperation mit Quantis eine führende, wissenschaftsbasierte Nachhaltigkeitsberatung, ein transparentes Life Cycle Assessment (LCA) Tool, für Textilproduzenten entwickelt. Die Anwenderfreundlichkeit steht hier im Vordergrund und das Tool soll möglichst selbsterklärend genutzt werden können, weswegen wir zunächst in fünf Märkten Pilottests durchgeführt haben. Aktuell lassen wir das Feedback von Produzenten aus Indien, Italien, Ungarn, Deutschland und der Schweiz in die weitere Programmierung einfließen, um Anfang 2022 optimal starten zu können. Nach der Markteinführung werden wir im Rahmen unseres kontinuierlichen Qualitätssicherungsprozesses weiterhin das Kundenfeedback in die Prozessoptimierung einfließen lassen.“

An welche Unternehmen ist das neue Tool gerichtet und was müssen die Unternehmen mitbringen, um sich zertifizieren zu lassen?
Das Carbon and Water Footprint Tool wird Unternehmen angeboten, die STeP-by-OEKO-TEX®-zertifiziert sind, und richtet sich damit an Produktionsstätten der internationalen Mode- und Textilindustrie. Sie haben freien Zugriff auf das Tool. Die Nutzung ist zunächst eine freiwillige Ergänzung zu STeP. STeP-zertifizierte Produzenten bringen bereits gute Voraussetzungen für die Berechnung des Footprints mit. Darüber hinaus werden wir evaluieren, ob wir das Tool auch Unternehmen anbieten können, die keine STeP-Zertifizierung halten.“

Was sind die größten Vorteile?
Das Tool bietet den Produktionsstätten die Möglichkeit der Ermittlung ihrer CO2-Emissionen und ihres Wasserverbrauchs, ohne einen vollständigen Corporate Footprint erstellen zu müssen. Das spart Zeit und Geld. Anhand ihrer ersten Ergebnisse können sie identifizieren, welche Prozesse und Produkte die höchsten Umweltauswirkungen haben, daraufhin interne Benchmarks definieren und ihre zukünftigen Klimaschutzaktivitäten daran ausrichten. Darüber hinaus können sie ihre Ergebnisse mit ihren Kunden teilen, um deren Vertrauen zu stärken sowie ihren Wettbewerbsvorteil gemeinsam auszubauen. Marken können mit STeP-by-OEKO-TEX®-zertifizierten Produktionsstätten zusammenarbeiten, um die Ergebnisse in ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung und in ihre Kundenkommunikation einfließen zu lassen.

 Was haben die Bekleidungsmarken davon?
„Endverbraucher entscheiden sich zunehmend für Unternehmen und Produkte, die sich für wichtige Umweltthemen engagieren. Auch vor dem Hintergrund der kommenden deutschen und europäischen Sorgfaltspflichtengesetze werden das Verständnis und die Berichterstattung über CO2-Emissionen und Wasserverbrauch immer wichtiger. Modemarken können schon jetzt dazu beitragen, ihre Transparenz und damit ihre Kundenzufriedenheit mit entsprechenden Maßnahmen zu erhöhen.“

Wie geht es weiter?
Die Markteinführung des Carbon and Water Footprint Tools ist Anfang 2022 geplant. Mit der ersten Version des Tools konzentrieren wir uns zunächst auf die Auswirkungen von Kohlenstoff (CO2) und Wasser, da hier nach ausgiebiger Branchenanalyse der größte Handlungsbedarf besteht. Andere LCIA-Methoden (Life Cycle Inventory Assessment) wie menschliche Gesundheit, Versauerung, Ökotoxizität und so weiter können in Zukunft einbezogen werden. Auch hier werden wir uns an den dringlichsten Themen der Branche orientieren, um übergeordnete Klimaziele erreichen zu können.“