Autor: Markus OessDie Deutschen sind Sparfüchse. Tatsächlich ist Deutschland immer noch ein Paradies für Discounter. Der Grund ist recht banal: Wir wollen überleben. Warum das so ist und warum auch Neid hilfreich ist, erklärt der Psychologe und Vordenker des Neuromarketings Dr. Hans-Georg Häusel (Diplom-Psychologe) im Interview.
FT: Herr Dr. Häusel, warum sind wir immer noch Jäger und Sammler?
Dr. Hans-Georg Häusel: „Nicht nur die Freude über Trophäen, auch die Sparsamkeit ist ein Ergebnis der Evolution. Wir wollen mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel erreichen. Der Löwe in der Savanne springt auch nicht auf, wenn er in der Ferne eine Antilope sieht. Ist sie ganz nah, sieht das schon anders aus. Wir freuen uns über Trophäen, weil sie uns unerwartet belohnen und wir nicht viel dafür tun mussten. Sammeln ist Ausdruck des Sicherheitsbedürfnisses. Wir wollen unser Überleben absichern. Und so, wie wir Freude und Lust bei der Trophäe empfinden, bestraft uns unser Schmerzzentrum, wenn wir Geld ausgeben, ganz so wie beim Zahnschmerz.“
Der Preis ist gerade für Deutsche ein wichtiges Kaufkriterium, in keinem anderen Land ist der Discountanteil so hoch wie hier. Haben wir einen besonderen Gendefekt?
„Nein, aber wir haben im Norden härtere klimatische Bedingungen, der Zwang zur Sparsamkeit ist größer. Wir haben eine spezielle genetische kulturelle Disposition und spüren besondere Freude, wenn wir sparen können. In Frankreich oder den USA ist das anders.“
Preisgegenüberstellungen sind besonders beliebt, mit Angeboten zu locken. Kaufen die Menschen dann eher, weil sie besonders viel sparen oder weil sie das Produkt wollen? Im letzteren Fall wäre der Händler ja nicht wirklich schlau, so zu agieren.
„Wenn wir nicht wollen, dass andere das haben, was wir besitzen, sind wir bereit, dafür auch viel auszugeben. Porsche hat Lieferzeiten von einem Dreivierteljahr, die Menschen kaufen für mehrere Tausend Euro Luxusuhren, die auch nur die Zeit messen können, aber ich verschaffe mir mit diesen Produkten eine Sonderstellung. Bei Artikeln, die jeder haben kann, spielt natürlich der Preis eine entscheidende Rolle. Wir belohnen uns damit …“
Wenn ein Mann beim Kauf seiner Jeans 50 Prozent gespart hat, ist er glücklich – so lange, bis er erfährt, dass ein anderer 60 Prozent gespart hat. Warum eigentlich, denn faktisch hat sich ja nichts geändert?
„Auch Neid ist evolutionsbedingt ein Überlebenstrieb. Ich will das haben, was der andere hat, weil ich mir dadurch Vorteile verschaffe. Dann war ich in der Vorzeit auch bereit, dafür zu töten. Habe ich mehr zu essen, steigen meine Überlebenschancen. Ein ganz normaler Vorgang. Geben Sie zwei Kindern 20 Euro und beide freuen sich so lange, bis Sie einem Kind nochmals 10 Euro in die Hand drücken. Dann können Sie sehr schön sehen, was passiert.“
„Nachdenken ist anstrengend und verbraucht Energie, also sucht es sich Mechanismen, die ihm das Nachdenken ersparen.“
Discounter wie ALDI im Lebensmittelhandel oder wie PRIMARK im Modehandel arbeiten mit Vertrauen. Frei nach dem Motto: Der Preis wird schon stimmen. Auch ohne Vergleich im Internet, was bei Eigenmarken sowieso schwierig werden dürfte zu überprüfen. Warum springen die Menschen darauf an?
„Weil das Gehirn ein ziemlich fauler Geselle ist. Nachdenken ist anstrengend und verbraucht Energie, also sucht es sich Mechanismen, die ihm das Nachdenken ersparen, sagt die Erfahrung. Ich kann mich auf die günstigen Angebote von ALDI und Co verlassen und wird mir das mehrmals bestätigt, dann baut sich Vertrauen auf und ich lasse das mit dem Nachdenken schnell sein.“
Welche Mechanismen stecken dahinter, werden wir ausgetrickst?
„Dahinter verbirgt sich das Prinzip, möglichst wenig Ressourcen zu verbrauchen. Der Dauerniedrigpreis ist dagegen der gute Freund des faulen Hirns. Habe ich die Chance, unerwartet ein Schnäppchen zu ergattern, belohne ich mich mit etwas, wofür keine Anstrengung nötig war.“
Corona hat die Welt auf den Kopf gestellt und andere Fragen in den Vordergrund gerückt. Am Anfang wurde etwa Pflegepersonal und Ärzten applaudiert. Als es um das Einlösen von Gehaltsversprechen ging, war das jedoch schnell vergessen. Wir haben die Grenzen der Globalisierung schmerzhaft zu spüren bekommen, einmal wegen der vielen Einschränkungen, die plötzlich da waren, zum anderen waren selbstverständlich gewordene Produkte nicht mehr lieferbar. Fragen nach der Nachhaltigkeit wurden laut. Hat uns Corona diesbezüglich verändert?
„Das Virus macht uns nicht zu besseren Menschen. Wenn wir wieder zu den alten Rahmenbedingungen zurückkehren, kehren wir auch wieder zu alten Verhaltensmustern zurück. Was wir jahrzehntelang so gemacht haben, ändern wir nicht grundlos. Und wenn das Virus seine Gefahr verliert, gibt es auch keinen Grund mehr, sich anzupassen. Und wir diskutieren über Nachhaltigkeit, Globalisierung und Klimaschutz, weil wir das schon vor Corona getan haben. Und es hat lange gedauert, bis das Thema ein solches wurde. Noch als COVID-19 begann, die Schlagzeilen zu beherrschen, waren die Diskussionen um Friday for Future allgegenwärtig.“
Wie nachhaltig ist diese Erkenntnis, wenn es ans Bezahlen geht?
„Wir können nicht erwarten, dass sich die Menschen einfach so ändern. Wir brauchen dafür politische Leitplanken, die im gesellschaftlichen Konsens stehen. Die Menschen akzeptieren dann, dass die Jeans 10 Euro mehr kosten oder der Flug nach Mallorca 650 Euro statt 65 Euro, wenn das für alle gilt. Und dann funktioniert das nur über Belohnung, sprich Förderung zum Beispiel durch niedrigere Preise und eine Umweltprämie und Bestrafung zum Beispiel durch höhere Preise und Besteuerung. Dann wirken Umlenkungsmechanismen. Ohne solche Instrumente gibt es für die Menschen keinen Anlass, etwas zu ändern, denn sie sind auch große Egoisten.“
Gibt es überhaupt nachhaltige Veränderungen oder beschleunigt die Pandemie nur schon vorhandene Entwicklungen in der Gesellschaft und auch auf individueller Ebene?
„Nein, durch die Pandemie ändert sich nichts. Es wird zwar eine Weile dauern, aber irgendwann beginnen sich die Menschen wieder bierselig zu umarmen. Hier spielt der kulturell-gesellschaftliche Kontext eine größere Rolle.“
Andererseits machen sich auch Verschwörungstheorien breit, die ganz offenbar auch über soziale Medien verbreitet werden. Jeder wird zum Nachrichtenmann beziehungsweise zur Nachrichtenfrau. Ohne jetzt über die Sinnhaftigkeit solcher kruden Theorien zu sprechen – was machen soziale Medien in der Pandemie mit den Menschen und deren Umgang mit Fakten?
„Was machen die sozialen Medien? Sie machen mich erstens prominent, ich habe etwas mitzuteilen. Zweitens habe ich gerade in der Pandemie mehr Zeit, mich mit diesen Themen zu beschäftigen. Drittens gibt es nicht nur das Urvertrauen, sondern genauso das Urmisstrauen. Wir müssen nur auf den Aberglauben in der Hochzeit der katholischen Kirche blicken, auf die Wunderheiler. Wir erzeugen Widerspruch. Das wird dann in der eigenen Bubble und den Echokammern der sozialen Netzwerke wiederholt und verstärkt. Früher gab es Gottesbeweise, jetzt eben Verschwörungstheorien. Es sind nicht Themen der Zeit, sondern Themen des Menschen.“
Haben dann nicht auch Unternehmen in dem Moment ein Problem, wenn sie gewissermaßen ungewollt zum digitalen Spielball werden?
„Früher holten sich die Unternehmen bei Katastrophen Krisenberater ins Haus, die darauf geschult waren, mit den klassischen Medien zu interagieren. In der Tat können Sie in den sozialen Medien nicht alles beeinflussen, schon gar nicht beherrschen. Es gibt immer Menschen, die sich moralisch überlegen fühlen und das auch zum Ausdruck bringen wollen.“
Heißt das, wir müssen mit der Lüge oder besser gesagt mit einer multiplen Wahrheit leben lernen?
„Mit dem Begriff der Wahrheit tue ich mich etwas schwer. Selbst in der Wissenschaft ist der Wahrheitsbegriff problematisch, spätestens dann, wenn lange etablierte Naturgesetze plötzlich widerlegt werden. Ich würde eher von multiplen Einschätzungen sprechen.“
Zur Person
Dr. Hans-Georg Häusel (Diplom-Psychologe) ist Vordenker des Neuromarketings und zählt international zu den führenden Experten in der Marketing-, Verkaufs- und Management-Hirnforschung. Er hat beim früheren Direktor des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie, Prof. Dr. mult. Johannes Brengelmann, über neuropsychologische Aspekte des Geld- und Konsumverhaltens promoviert. Im Jahr 2000 hat er seinen ersten Bestseller „Think Limbic! Die Macht des Unbewussten verstehen und nutzen für Marketing, Management und Motivation“ veröffentlicht. Das von ihm entwickelte Limbic®-Modell gilt heute als wissenschaftlich fundiertes Instrument zur Erkennung bewusster und unbewusster Lebens- und Kaufmotive sowie zu einer neuropsychologischen Zielgruppensegmentierung und Persönlichkeitsmessung. Er ist Dozent an der Hochschule für Wirtschaft in Zürich und arbeitet als Seniorpartner projektbezogen für die Gruppe Nymphenburg Consult AG.
Life Code:
Was dich und die Welt antreibt
Vielleicht kennst du diese kleine Geschichte? Ein junger Fisch schwimmt gemütlich vor sich hin. Er trifft einen alten Fisch. Der fragt ihn: „Hey Kleiner, wie ist das Wasser heute?“ Der kleine Fisch guckt den Alten verständnislos an und fragt: „Was ist Wasser?“ Obwohl sich der kleine Fisch den ganzen Tag im Wasser bewegt und sein ganzes Leben davon abhängt, hat er sich noch nicht eine Sekunde Gedanken darüber gemacht. Manche lächeln über den kleinen Dummkopf. Zu Unrecht. Die Wahrheit ist, dass auch wir Menschen durchs Leben schwimmen und nicht bemerken, dass dieses von einer unsichtbaren Macht, dem Life Code, vollständig beherrscht wird. Dieses emotionale Programm, das im Laufe der Evolution entstanden ist, ist einfach genial und genial einfach.
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