Cha Wa – My People

GEHÖRT – GEKAUFT

Letztlich klingt es hier, wie wenn Parliament die Musik von Dr. John spielt oder Funkadelic, Mother’s Finest und die Meters miteinander jammen. ©Zach Smith

Autor: QK

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Dieses Album ist eine schöne Überraschung und setzt eine Idee um, die eigentlich schon lange auf der Agenda war. Nämlich, dem klassischen New Orleans Second Line Funk ein frisches Update zu verpassen. Das macht die vielköpfig-multikulturelle Truppe Cha Wa aus der Crescent City mit Wucht und Eleganz. Denn letztlich klingt es hier, wie wenn Parliament die Musik von Dr. John spielt oder Funkadelic, Mother’s Finest und die Meters miteinander jammen. Oder doch wie die NOLA-Version der Menahan Street Band? Boo-Yaa T.R.I.B.E. im Mardi-Gras-Karneval? Selten so einen druckvollen, mächtigen Groove gehört. Höllisch funky, mit messerscharfem Gebläse angereichert und dazu mit dicken, psychedelischen Gitarren verstärkt. Auch die Tastensounds passen ins Bild: Hammondorgel und Fender Rhodes prägen den Sound. So entsteht ein schwerer, stampfender und doch unwiderstehlich eleganter Groove variantenreich zwischen fast lupenreinen Professor-Longhair-Reminiszenzen, deepem Soul und sogar Afro-Beat à la Fela Kuti oszillierend. Auch die Vokalkraft ist umwerfend: sonorer Bariton, raue Girlstimmen, vielstimmiger Chorgesang. Oft auch perkussiv angereichert mit Steeldrums und creolischem Voodoo-Beiwerk. Wem die Neville Brothers zu glatt produziert waren, wird hier viel Freude haben: Selten klang der Sound des Big Easy druckvoller und dynamischer. Oder um es mit einem Songtitel zu sagen: „Second Line Girl You Rule My World!“ Inklusive gelungener Coverversion von Dylans „Masters of War“. (Joe Whirlypop)

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Tample – Glory

Im heimischen Frankreich haben Tample bereits ordentlich Erfolg und auch mir gefällt ihr zweites Album ganz hervorragend. Das Genre ist kühler Wave Pop, teils auch mit Twang-Gitarre, ästhetisch deutlich verwurzelt in den 1980ern. Der Vibe ist ein wenig verdunkelt, die Stimmung meistens melancholisch. Aus der Asche von The Human League, Wall of Voodoo und Ultravox zaubern die Franzosen klar strukturierte Darkpop-Songs mit schönen Melodien, teils in schwermütigem Midtempo, mehrfach aber auch dynamisch tanzbar.

Die französischen (aber auch englischen) Vocals heben die Band deutlich von handelsüblichen 1980er-Mutanten ab, die Gitarre sorgt zum Sequencer Beat für Bodenständigkeit.
Die französischen (aber auch englischen) Vocals heben die Band deutlich von handelsüblichen 1980er-Mutanten ab, die Gitarre sorgt  für Bodenständigkeit.©Titouan Masse

Die französischen (aber auch englischen) Vocals heben die Band deutlich von handelsüblichen 1980er-Mutanten ab, die Gitarre sorgt zum Sequencer Beat für Bodenständigkeit. Songs wie „Idées blanches“ sind cooles Futter für den 1980er-Dancefloor und verbinden Synthie-Pop mit Darkwave-Hymnen. Im Weiteren beweisen Tample dann auch eine kontrollierte Funkiness: „Last September“ verbreitet mit verhalltem House-Piano latenten Disco-Charme, die coole Gitarre schafft ebenfalls angenehme Distanz zu etablierten Vintage-Pop-Formaten. Highlight ist die lässige Disco-Nummer „Criminal“, die mit Nile-Rodgers-Gedächtnisgitarre aufs Angenehmste an Chic und Daft Punk („Get Lucky“) erinnert. Rundum gelungenes Pop-Album, das gekonnt 1980er-Pop, Disco und Synthie-Pop unter einen Hut bringt. (Joe Whirlypop)

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PeterLicht – Beton und Ibuprofen

„Freunde, kommt alle und bringt eure grauen Wolken mit!“ „PeterLicht Beton und Ibuprofen“ – das neunte Album von PeterLicht. Er hat das Ende des Kapitalismus besungen, sein iPhone an der Biegung des Flusses begraben und das absolute Glück gesucht. Er hat Worte geworfen und das Geworfene gelesen. Er hat die Gegenwart umkreist, beschworen, geatmet und intoniert. Seit acht Alben sucht und findet PeterLicht Worte und Klänge. Worte und Klänge für uns. Für unser Taumeln zwischen Wachstum und Erschöpfung, zwischen Systemkritik und Schnäppchenmarkt. Jetzt und hier, Ende 2020, hat der Zustand der Welt PeterLicht eingeholt: „… Yeah yeah yeah, mmhh, je mehr ich darüber nachdenke, merke ich: Ich habe eine schlechte Zeit und ich habe den Eindruck, dass auch die Gesellschaft eine schlechte Zeit hat. Oder die Welt. Sie ist erkrankt an einer Krankheit mit dem Namen Krankheit. Und es ist einerlei, ob diese Krankheit ,Depression‘ heißt oder ,Leistungsgesellschaft‘ oder ,Erschöpfung‘ oder ,Klima‘ oder ,Rassismus‘ oder ,Nationalismus‘ oder ,Mauer‘.“

Melancholie ist nicht länger privat, Melancholie ist der Zustand der Welt. Der Prophet ist zum Zeitdiagnostiker geworden. In „Beton und Ibuprofen“ reicht er uns zärtlich die Hand und zeigt uns die Wege durch seine Realität, die nun die unsere ist: „Wenn du was hast, musst du was nehmen.“ „Wenn die Dämonen kommen, ist jeder, der ein Mensch ist, ein Freund.“ Beton und Ibuprofen: ein Album, das um den dunklen Grund kreist, die Katastrophe besingt. Und das mit jedem Song die Welt rettet. Und sich selbst. Und uns. Weil PeterLicht davon singt. Von den Zuständen, in denen wir leben. Mit seinem Gesang drehen wir uns hinaus und schweben. Und wenn es nur für einen Song ist. Für die Dauer eines Songs rettet uns das Vinyl. Oder Spotify. Oder die Liebe. Oder PeterLicht. tapete records proudly presents: „PeterLicht – Beton und Ibuprofen“, ein dunkel-schillerndes Meisterwerk vom und zum Zustand der Welt. (Traudl Bünger)

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