Nutze die Zeit!

Karriereplanung

Es galt viele Herausforderungen in kurzer Zeit zu stemmen. In solchen Phasen werden mittel- und langfristige Strategien, zu denen die Nachwuchsförderung gehört, manchmal hintenangestellt. Sandra Volz, FCC-Karrierefabrik ©FCC-Karrierefabrik

Autor: Markus Oess
Sandra Volz berät unter anderem Existenzgründer, junge Menschen, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. Sie macht das schon eine ganze Weile erfolgreich. Doch was macht die COVID-19-Pandemie mit dem Nachwuchs? Sind die Start-ups jetzt zum Scheitern verurteilt? Volz sagt Nein und nennt Beispiele. Auch wenn die Zeit stillzustehen scheint, lautet die Maxime: machen!

WERBUNG

FT: Frau Volz, im Lockdown und auch krisenbedingt greifen viele Arbeitgeber zum Instrument der Kurzarbeit. Das operative Geschäft wurde oft auf Schlafmodus gestellt, so weit es ging. Was hat das mit der Nachwuchsarbeit in den Firmen gemacht?
Sandra Volz:Meiner Meinung nach hatten die Arbeitgeber in der Modebranche viele Herausforderungen kurzfristig zu meistern – Beantragung von Unterstützung, Kurzarbeit, wo es sich anbietet und erforderlich ist, Digitalisierung und damit verbunden Homeoffice sowie Corona-Maßnahmen regelkonform umzusetzen. In solchen Phasen werden mittel- und langfristige Strategien, zu denen die Nachwuchsförderung gehört, manchmal hintenangestellt.“

Wie hat sich Ihre Arbeit verändert?
„Nach Schließung aller Modeschulen und Kreativeinrichtungen letztes Jahr fielen zuerst die Exkursionen mit den Studierenden weg, dann aber wurden alle Lehraufträge an einem Tag abgesagt. Der nächste Unterricht war als Blockkurs zwei Tage später angesetzt und ich habe nachgefragt, wie wir das am besten gestalten. Da ich immer so innovativ und lösungsorientiert wäre, könnte ich als Dozentin mit digitalem Unterricht an der Hochschule für Gestaltung starten. Gesagt, getan, völliges Neuland betreten, danach wieder alle Aufträge akquiriert und zurückbekommen. Zudem biete ich Gründungs- und Krisenberatung im Modebereich an und dies fand in Relation 50 zu 50 statt.“

„Die Konfrontation besteht darin, nicht frei wählen und entscheiden zu können.“

Wie sieht die Situation heute aus?
„Wenn man auf die Portale geht, sieht man eine gute Auswahl an Stellen, auch für Nachwuchskräfte, leider nur in bestimmten Ausrichtungen (Omnichannel, Vertikal, E-Commerce …) und der internationale Zweig der Bewerbungen ist vollkommen eingeschränkt. Durch die Suche nach Praktikanten kann der kurzfristige und etwas flexiblere Personalbedarf gedeckt werden, zudem müssen Designstudierende an vielen Hochschulen den Nachweis eines Praktikums erbringen, im besten Fall ergibt sich hier eine Win-win-Situation.“

Wenn die Aussichten auf Förderung/Ausbildung nach hinten gestellt werden – was passiert mit den Betroffenen? Was, wenn der Karriereknick da ist?
„Ich bekomme sehr häufig mit, dass ein freies Semester gewählt wird, um sich noch besser auf den Bachelor-Abschluss vorzubereiten, oder einige entscheiden sich für einen Master-Studiengang, um die Zeit zu nutzen. Ich denke, die Konfrontation besteht darin, nicht frei wählen und entscheiden zu können.“

Wie sollen die Betroffenen damit umgehen?
„Empfehlen würde ich, die Zeit zu nutzen und sich und seine Stärken zu reflektieren, um dann zielgerichteter in den Markt zu gehen. Ich merke auf der anderen Seite, wie stark der Austausch gesucht wird, die beste moderne Bewerbung und das aussagekräftigste Portfolio zu erstellen, auch das kann wegweisend sein, sich optimal auf eine Bewerbung vorzubereiten.“

Was raten Sie den Firmen? Wir steuern ja auf einen Fachkräftemangel zu und Personal wird als Wettbewerbsfaktor immer wichtiger …
„Ich denke, dass dort Normalität wieder eintritt und dieses Bewusstsein wieder gestärkt wird. Ich kann trotz allem auch aus meiner langjährigen Krisenberatung im Modehandel verstehen, dass die Fortführung der Existenz des Unternehmens erst einmal vorrangig ist. Was mir bei Studierenden in den letzte Monaten extrem auffällt, sind die Wissensaneignung, das Hinterfragen der Branche und das Interesse an Slow Fashion und Corporate Social Responsibility.“

Eine Alternative zum nächsten Karriereschritt ist die Gründung eines eigenen Unternehmens. Spüren Sie derzeit eine verstärkte Aktivität in dem Bereich?
„Ja, klingt erst einmal überraschend, hat aber ein paar nachvollziehbare Gründe: erstens die Angst um den Arbeitsplatz und Perspektive des Unternehmens, zweitens in einer Krise seinem Leben und seinen Ideen Sinn zu geben und drittens die Möglichkeit, die Zeit zu nutzen und die bestehende Idee zu reflektieren.“

Was sind die wichtigsten Kriterien, um diesen Schritt auch erfolgreich zu absolvieren?
„Ich setze beides, die Idee und die Unternehmereignung, als wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Gründung an, zudem fachliches Know-how oder Unterstützung in dem Bereich, auch professionelles Market Research, einen überzeugenden USP und den Nutzen für die Zielgruppe. Crowdfunding ist ein gutes Modul, um Feedback vom Markt zu bekommen und bei geringerem Investitionsvolumen so zu starten. Des Weiteren Crowdinvesting, Investoren oder der klassische Bankkredit.“

Raten Sie auch von der Selbstständigkeit, vom eigenen Unternehmen ab
„Ja, dafür habe ich zu viele Krisenberatungen betreut, um mir dieser Verantwortung bewusst zu sein.“

WERBUNG

„Es gibt Vorgründungsberatungen, die gefördert sind, es wird in manchen Bundesländern Förderungen für Notfallgründungen geben und das Thema Digitalisierung wird finanziell am meisten unterstützt, gefolgt von innovativen Ideen und Nachhaltigkeit.“

Was beschäftigt die jungen Menschen aktuell am meisten?
„Die Zukunft, die Globalisierung, die Umweltverschmutzung, die Mode und ihre Auswirkungen.“

Wie hat Corona den Weg in die Selbstständigkeit verändert?
„Es gibt Vorgründungsberatungen, die gefördert sind, es wird in manchen Bundesländern Förderungen für Notfallgründungen geben und das Thema Digitalisierung wird finanziell am meisten unterstützt, gefolgt von innovativen Ideen und Nachhaltigkeit.“

Wie kommen die Leute an Geld?
„Es gibt staatliche Soforthilfen gegen die Auswirkungen der Pandemie für bestehende Unternehmen, für neue Unternehmen gibt es Zuschüsse oder eine anteilige Förderung für Digitalisierung, Design- oder Start-up-Wettbewerbe oder Crowdfunding.“

Geld von „Freunden und wohlwollenden Investoren“ einzusammeln, wird gerade von Kneipen und Restaurants genutzt. Aber wie läuft das Crowdfunding in Verbindung mit einer Unternehmensgründung wirklich ab? Haben die Geldgeber Mitbestimmungsrechte?
„Nein, man bekommt einen Gegenwert (Rewards), wenn die Idee umgesetzt wird, das heißt, man gibt Geld für einen bestimmten Gegenwert oder gibt eine freie Unterstützung und wenn die Summe erzielt wird, bekommt man die Produkte dafür.“

Wie hoch ist die Erfolgsquote?
„Das variiert je nach Plattform und Branche – Startnext beispielsweise hat eine Realisierungsquote von 56 Prozent und kickstarter.de von 36 Prozent.“

Was, wenn das Unternehmen scheitert?
„Dann kann es statt Erteilung des Fundinglevels auch eine Kampagne durchführen, man nimmt den Betrag, der zusammenkommt, oder man kann auf die Resonanz der Zielgruppe noch besser eingehen und seine Idee optimieren beziehungsweise man versucht es dann selbst zu finanzieren.“

Sie beraten auch im Bereich Ethical Fashion. Geht es in der grünen Mode wirklich fairer zu?
„Ja, es gibt so viele „Greenwashing“-Themen, über die man diskutiert und auch diskutieren kann, aber ich habe wirklich ernsthafte Gründer, die sehr verantwortungsvoll und konsequent mit dem Thema ,Ethical Fashion‘ umgehen, aber dabei kann man auch an seine Grenzen kommen. Richtige Kommunikation und Transparenz sind hier zielführend.“

Letzte Frage: Was werden Sie als Erstes kaufen, wenn die Läden wieder öffnen?
„Neue coole Sneaker, auf die freue ich mich richtig!“

Long Train Running

Sandra Volz ist CEO von FCC-Karrierefabrik und Fashion Coaching Consulting.

Sie arbeitet als Coach, Consultant, Dozentin und blickt auf über 25 Jahre Praxiserfahrung für die Bereiche Einkauf, Führung und Marketing. Nach ihrer Ausbildung bei breuninger, Stuttgart, arbeitete sie unter anderem für Admont, Ochsenfurt, heine, Karlsruhe, KLiNGEL, Pforzheim, und OTTO Versand, Hamburg. Seit 2002 ist Volz im Fashion Coaching Consulting zu Hause. Ihr Angebot richtet sich in erster Linie an Existenzgründer aus dem Bereich Mode, Textil, Ethical Fashion, Accessoires, Design, die sich selbstständig machen wollen oder selbstständig sind, aber feststellen, dass es nicht so richtig anläuft.