Autorin: Cordelia Albert Die Jobs in der Textil- und Bekleidungsindustrie wurden in den letzten Jahren immer weniger. Ein Trend, den die Corona-Pandemie noch verstärkt hat. Gleichzeitig aber werden gut qualifizierte MitarbeiterInnen von den Firmen gesucht, oft sogar händeringend.
Es scheint aktuell zwei komplett verschiedene Welten im Stellenmarkt zu geben: Einerseits hört man von völlig verzweifelten BewerberInnen, die im letzten Jahr ihre Arbeit aufgrund der Corona-Pandemie verloren haben und nun keinen neuen Job finden. Gleichzeitig berichten Unternehmen, dass die Suche nach geeigneten MitarbeiterInnen extrem schwierig sei. BewerberInnen würden äußerst wählerisch auftreten, zahlreiche Goodies seien gefordert und selbst nach einem konkreten Einstellungsangebot sei es oft nicht einmal mehr üblich, bei Nichtinteresse abzusagen.
Auch in der Textil- und Bekleidungsindustrie gestaltet sich der Kampf um gute Köpfe nicht einfach, wobei man anderes erwarten würde, da die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung alles andere als rosig ist. „Sämtliche Konjunkturzahlen des Jahres 2020 stehen unter dem Einfluss der Corona-Krise und sind bis auf wenige Ausnahmen rückläufig, oft im zweistelligen Prozentbereich“, fasst es eine Sprecherin des Gesamtverbandes der deutschen Textil- und Modeindustrie zusammen. „Dabei ist Bekleidung durch die Lockdown-Maßnahmen deutlich stärker betroffen als Textil. Die Umsätze sanken im vergangenen Jahr 2020 mit insgesamt 11,4 Prozent deutlich. Bekleidung verzeichnet insgesamt 19,0 Prozent weniger Umsatz als im Vorjahr.“ Diese Entwicklung hat natürlich Auswirkungen auf die Personalpolitik: „Die Beschäftigung in Deutschland sinkt im Jahresdurchschnitt um 5,8 Prozent, zum Ende des Jahres 2020 waren es sogar -6,1 Prozent. Textil verlor im Schnitt 4,4 Prozent der MitarbeiterInnen, bei Bekleidung waren es -8,7 Prozent“, lautet die Erkenntnis.
Genereller Personalabbau ist nicht das Thema
Allerdings scheinen viele dieser Beschäftigten niedrigqualifizierte Angestellte, TeilzeitmitarbeiterInnen oder Aushilfen gewesen zu sein, denn die ‚besseren‘ Jobs waren meist weniger betroffen. Auch Frank Czernio, Geschäftsführer der Firma Headhunting for Fashion (hhff) International GmbH, hat beobachtet, dass zwar manche Unternehmen die Situation auch genutzt haben, um sich zu restrukturieren beziehungsweise neu aufzustellen. Das Thema Personalabbau habe bisher aber nur bei einem ganz kleinen Teil seiner KundInnen eine Rolle gespielt. „Im Gegenteil sogar! Ich war und bin überrascht, wie viele Unternehmen selbst während der Lockdown-Phasen noch eingestellt haben. Speziell im Retail hat vielen Firmen natürlich das Tool ‚Kurzarbeit‘ geholfen, an den MitarbeiterInnen festzuhalten.“ Vieles sei im Wandel, Schlagwörter wie ‚Homeoffice‘ und ‚E-Commerce‘ seien aktuell große Treiber für Veränderungen. „Inwiefern diese Veränderungen die Personalpolitik nachhaltig beeinflussen werden, wird sich allerdings erst zeigen, wenn die Einschränkungen durch die Covid-19-Pandemie nachlassen“, gibt Czernio zu bedenken.
Die Bedürfnisse der MitarbeiterInnen sind dabei ebenso unterschiedlich wie die Ansätze der Unternehmen mit ihren vielfältigen Kulturen. „Hier allen gerecht zu werden, ist eine echte Herausforderung. Aktuell gibt es sogar Firmen, die manche BewerberInnen nicht für sich gewinnen können, weil sie ausschließlich Jobs im Homeoffice anbieten. Umgekehrt natürlich ebenso. Das zeigt, wie sensibel dieses Thema ist.“ Auf alle Fälle schätzt der Fachmann den Stellenmarkt unter den aktuellen Rahmenbedingungen als sensationell ein: „Es gibt sehr viele Unternehmen, die momentan MitarbeiterInnen suchen.“ Die Lage habe sich aktuell in jeder Beziehung deutlich normalisiert und da er das große Glück habe, sehr loyale KundInnen betreuen zu dürfen, schaut Frank Czernio sehr zuversichtlich auf die nächsten Monate.
Diesen Optimismus kann die Sprecherin des Gesamtverbandes der deutschen Textil- und Modeindustrie, der die Entwicklung aller Jobs im Blick hat, nicht teilen: „Die Beschäftigungsaussichten sind aufgrund der anhaltenden Krise getrübt, es wird mit weiterem Beschäftigungsabbau im Laufe des Jahres 2021 gerechnet.“ Positiv zeige sich aber der Ausbildungsbereich, wahrscheinlich auch wegen staatlicher Förderung: „Trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten wollen rund 80 Prozent unserer Unternehmen die Ausbildungskapazitäten aufrechterhalten“, heißt es dazu beim Gesamtverband.