Autor: Dirk MönkemöllerUnser Autor schlüpft jeden Monat in eine neue Haut und probiert textile Trends und Klassiker im Selbstversuch aus. Diesmal: eine Steppjacke als Übergangslösung zwischen Winter und Sommer.
Ich wollte schon immer mal …
… das Kleidungsstück schlechthin für Männer im besten Alter tragen. Eine Steppjacke von Nike zum Beispiel. Die sowohl elegant als auch sportlich daherkommt – und perfekt ist für die Tage, wenn das Winterliche ins Sommerliche kippt. Ein Klassiker, der seit mindestens zehn Jahren zur Garderobe vieler Männer (und auch Frauen) zählt.
Letztes Jahr im Spätsommer habe ich einen Freund auf Sylt besucht. In einer Ferienwohnung, die verrückterweise mitten auf der legendären Whiskymeile von Kampen liegt. Diese nicht besonders lange Straße besteht eigentlich nur aus Gastronomie, ein paar Boutiquen und sehr begehrten Parknischen, in denen vornehmlich Luxuswagen präsentiert werden. Ein Ort, wo schon vormittags Aperol Spritz bestellt und eine für Deutschland untypische Dekadenz ganz selbstverständlich zur Schau gestellt wird. Der perfekte Ort also, um das Phänomen des Michelin-Manns zu studieren.
Dresscode: casual
Den Michelin-Mann findet man vom Tegernsee bis Kampen. Er ist mindestens Inhaber einer gut gehenden Werbeagentur. Meistens sogar mehr. Da er sich im Wochenendmodus befindet, lautet sein Dresscode: casual. Er kombiniert Segelschuhe mit Shorts und Polohemd, die Sonnenbrille locker ins Haar gesteckt. Und weil es am Tegernsee oder auf Sylt ziemlich frisch sein kann, gesellt sich zwingend eine Steppjacke dazu. Dabei ist es dem Michelin-Mann wichtig, nicht so rundlich wie das berühmte Maskottchen zu wirken. Er ist schließlich sportlich, achtet auf seine Figur – und entsprechend schlank ist seine Jacke geschnitten.
Hauch des Mondänen
Zugegeben: Oben genanntes Szenario beschreibt ein Klischee. Die Steppjacke ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Während meines Selbstversuchs möchte ich dennoch das Mondäne herausstellen, das dieses Kleidungsstück immer noch innehat. Ich krame meine ledernen Bootsschuhe hervor, ein grob kariertes Hemd von RALPH LAUREN, eng anliegende Jeans von LACOSTE – und kombiniere dazu eine rote Steppjacke von Nike (Modell „Aeroloft“), die hell in der Kölner Frühlingssonne leuchtet. Kein Meer oder See liegt in der Nähe. Stattdessen sind da: Urbanität, Graffiti, Parkgebüsch und Schmutz auf dem Asphalt. Eine ganz andere Welt also als diejenige, die ich auf der Whiskymeile von Kampen erlebt habe.
Trotzdem fühle ich mich auf Anhieb pudelwohl. Die Nike-Jacke ist federleicht, luftdurchlässig und kuschelig warm. Ein mir unbekannter Passant grüßt mich im Vorbeigehen – und ich frage mich: Ob es daran liegt, dass ich wie ein Mann von Welt wirke, der seine Freizeit auf Sylt verbringt? Vermutlich pure Einbildung …
Gleichzeitig erinnere ich mich an die Zeit, als die Steppjacke wieder in Mode kam. Das ist bestimmt 25 Jahre her und war damals nur eine Randerscheinung. Es waren vornehmlich Hip-Hopper, die sich plötzlich in dicken Daunen von HELLY HANSEN präsentierten und herumliefen wie ein lebendig gewordenes Reifen-Maskottchen.
Seitdem ist aus dem Michelin-Mann ein Männchen geworden. Die Jacken sind dünner, sportlicher und alltagstauglicher geworden. Sie wanderten von Sylt bis in die Mittelschicht. Und sind heute aus der Garderobe nicht mehr wegzudenken. Selbst ich habe nun meinen Steppjacken-Moment gehabt. Mitten in Köln. Im gleißenden Sonnenlicht.
Der Sommer kann kommen!