Autorin: Tays Jennifer Köper-Kelemen In der Modewelt treten Transgender Models nicht erst seit heute in Erscheinung, doch erfahren sie aktuell einen besonderen Hype. Fashion Today hat Benjamin Melzer (geboren als Yvonne Melzer) als deutsches Model unter anderem gefragt, wie er über die Modeindustrie denkt.
Transgender Models finden sich nicht erst seit jüngster Zeit auf Laufstegen und in Hochglanzmagazinen der Modewelt wieder. Bereits in den 1950er-Jahren tauchte mit April Ashley ein erstes Modell dieses Typs auf. Sie erschien in Magazinen und Filmen, dabei behielt sie ihr Geburtsgeschlecht für sich. Nicht ohne Grund: Nachdem sie 1961 über Boulevardblätter unfreiwillig geoutet wurde, brach ein Skandal um ihre Person los, ihre Karriere wurde abrupt beendet. Ähnlich erging es Tracey „Africa“ Norman. Ab 1971 wurde sie für Magazine wie Essence, Vogue Italia und Harper’s Bazaar India fotografiert, sie lief Schauen für BALENCIAGA. Als ihre intergeschlechtliche Identität bekannt wurde, war – abermals aufgrund der fehlenden gesellschaftlichen Akzeptanz – ihre Karriere sofort beendet. In den kommenden Jahrzehnten änderte sich die Einstellung großer Modeinstitutionen und -häuser allmählich. In den 1980er-Jahren erreichte die New Yorker Nachtclub-Legende Teri Toye Musen-Status für den Pop-Art-Designer Stephen Sprouse, in den 1990er-Jahren arbeiteten die Transgender Models Connie Fleming und Roberta Close offiziell mit Designern wie Thierry Mugler, Vivienne Westwood und Jean Paul Gaultier zusammen. Heutzutage ist Diversität – gerade in der Mode – ein viel beachtetes Thema. Ob Hautfarbe, Religion oder auch diverses Geschlecht – in Kampagnen und auf Laufstegen sind augenscheinlich immer selbstverständlicher Menschen zu sehen, die nicht einem glatten Idealbild entsprechen. Die Liste der Namen ist lang, ob Andreja Pejić, Laith Ashley oder Valentina Sampaio als Transgender-Modelle, Halima Aden als kopftuchtragendes Model oder Winnie Harlow als von der Hautkrankheit Vitiligo gezeichnetes Model. Schöne neue, diverse Modewelt? Nicht zwangsläufig. Kritiker merken an, dass an den Hype um Diversität weniger höhere Moral- und Wertevorstellungen seitens der Industrie geknüpft sind, sondern vielmehr das Bestreben, gezieltes Marketing zu betreiben, um neue Märkte und Zielgruppen zu erobern.
„Ich möchte als Mensch gesehen werden!“
Benjamin Melzer, 1987 als Yvonne Melzer in Recklinghausen geboren, arbeitet erfolgreich als deutsches Transgender Model. Er war der erste Transmann auf dem Cover des Lifestyle- und Fitness-Magazins Men’s Health, wirkte mitunter in einer Kampagne des Automobilherstellers Mercedes-Benz mit und hat zudem jüngst ein Buch mit dem Titel „Endlich Ben. Transgender – Mein Weg vom Mädchen zum Mann“ veröffentlicht. Fashion Today hat ihm ein paar Fragen gestellt:
FT: Wie reagieren Menschen auf deine Person?
Benjamin Melzer: „Ich bin offen anderen Menschen gegenüber und so wird es mir in der Regel auch entgegengebracht. Ich bin kein Paradiesvogel, sondern ein ganz normaler Kerl. Manchmal hält man mich für arrogant, weil ich viel Wert auf mein Äußeres lege. Mode ist mir wichtig, dabei achte ich vor allem auf Qualität. Understatement ist mein Ding, keine großen Prints, nichts ,in your face‘, Trend hin oder her.“
Was denkst du über die Modeindustrie, die sich ja oftmals als open-minded deklariert?
„Open-minded oder wohl eher Diversity für gutes Marketing. Nach außen hin divers, letztendlich hat es jemand, der anders ist, dennoch schwer. Leider habe ich mehr als einmal die Erfahrung machen müssen, dass ich super für die Message und Werbung hinter der Kampagne bin, jedoch nicht für die eigentliche große Kampagne. ,Schade‘, sage ich dazu, denn einer muss immer der Erste sein und sich einfach einmal trauen. Ein Transgender Frau zu Mann hat bisher keinen wirklichen Platz in diesem Business.“
Siehst du dich als Transgender-Aktivist?
„Ich mache eigentlich einfach mein Ding und scheinbar bewege ich damit etwas und helfe anderen. Grundsätzlich würde ich ,Nein‘ sagen, die Presse und die Community allerdings sagen ,Ja‘.“
Warum denkst du, haben Menschen mitunter Probleme mit Mitgliedern der LGBT Community?
„Das liegt einfach an der altmodischen Angst vor dem Unbekannten. Aufklärung ist wichtig und Geduld – und zwar von beiden Seiten!“
Wie möchtest du am liebsten gesehen werden?
„Als Mensch!“
Wie wichtig ist Mode für dich?
„Ich liebe Mode. Ein cooler Style spiegelt meiner Meinung nach deine Persönlichkeit wider. Gut gekleidet zu sein, gibt mir Sicherheit und Selbstbewusstsein. Das hilft nicht nur dabei, auf andere Menschen zuzugehen, sondern auch im Job.“
Wie bist du eigentlich dazu gekommen, Model zu werden?
„Ganz ehrlich? Ich bin da irgendwie reingerutscht. Man hat mich über Instagram angeschrieben und zu einem Fotoshoot eingeladen. Ich hatte null Erfahrung, aber fand den Gedanken spannend. ,Du hast doch nichts zu verlieren, probier es einfach mal‘, habe ich mir gesagt. Als ich dann vor der Kamera stand, gab es plötzlich nur noch die Linse und mich. Alle anderen im Raum habe ich ausgeblendet. Ein tolles Gefühl und ich dachte bei mir: ,Krass, das ist voll dein Ding, deine Berufung.‘“