Autor: Dirk Mönkemöller Unser Autor schlüpft jeden Monat in eine neue Haut und probiert textile Trends und Klassiker im Selbstversuch aus. Diesmal: ein traditioneller Kilt aus Schottland.
Ich wollte schon immer mal …
… einen Kilt tragen. Denn das erscheint mir äußerst zeitgemäß, wie ein Blick auf die Straßen beweist: Das hippe Jungvolk zeigt sogar im Winter 2021 nicht nur gerne Knöchel (das ist ein alter Hut), sondern auch Bein. Sei es in der hautengen Röhrenjeans oder in elastischen Sporthosen, die irgendwo zwischen Jogging- und Yoga-Style pendeln. Dazu gesellen sich meist Hightech-Sneaker in Söcklingen oder derbe Stiefel von zum Beispiel Dr. Martens. Und die ganz Coolen tragen Hochwasser – schlicht fallende Stoffhosen, die mehr als nur die Knöchel zeigen. Hallo, Achtziger! Hallo, Kids! Ihr habt echt schöne Beine! Aber ich bin der Meinung: Wenn schon, denn schon. Also her mit dem Schottenrock! Her mit den erwachsenen Männerbeinen!
Britain never goes out of style
Da der Einzelhandel nach wie vor geschlossen ist, muss ich auch diesen Monat wieder improvisieren. Da trifft es sich gut, dass ein Bekannter von mir eine Koryphäe für britische Schneiderkunst ist und obendrein Mitglied der „Kilt Makers Association of Scotland“ – einer von nur wenigen Deutschen. In seinem Kölner Atelier stellt Carlo Jösch Maßanfertigungen her, arbeitet mit Tweeds und Tartans und hat sogar schon die Rockband Brings stilecht eingekleidet. Von ihm bekomme ich einen Kilt ausgeliehen. Und das Abenteuer kann beginnen …
Schweres Geschütz
Unglaubliche acht Meter Tartan-Stoff wurden für dieses Hüftkleid verarbeitet. Dementsprechend schwer wiegt der Kilt, den ich mir von meiner Freundin umlegen lasse. Fixiert wird er mit Ledergurten, die wie kleine Minigürtel funktionieren. Bestenfalls sollte ein Kilt auf halber Höhe der Kniegelenke sitzen, hat mir Carlo mit auf den Weg gegeben. Passt! Dazu kombiniere ich wollene Kniestrümpfe, beige Clarks und obenrum einen dunkelgrünen Pullover mit rosa RALPH-LAUREN-Hemd. Keine Ahnung, ob ich damit Stilbruch begehe – aber ich fühle mich auf Anhieb wohl in diesem Outfit. Eigentlich erstaunlich. Mann trägt ja nicht alle Tage einen „Rock“.
Luft nach unten
Der Tartan-Stoff um meine Hüfte fühlt sich warm und behaglich an. Gleichzeitig strömt ein leichter Luftzug durch die untere Öffnung des Kilts. Eigentlich ein perfektes Klimakonzept zur Winterzeit, denke ich. Und wegen der Kniestrümpfe liegen ja auch nur ein paar Zentimeter meiner Beine komplett frei. Beschwingt und begeistert schelle ich bei unseren Nachbarn an, um mein Outfit vorzuführen. Ich ernte viele „Ahhhs“ und „Tolls“ – was in Köln, der Hochburg des Verkleidens, sicherlich kein Wunder ist. Am Ende des Tages zählt für mich aber die Erkenntnis: Ein Kilt ist eine besondere und modische Alternative zur Alltagsgarderobe. Und eine gute Möglichkeit, der Jugend in Sachen Beinfreiheit die Stirn zu bieten.
Bleiben Sie gesund und munter.