Autor: Markus Oess Ein harter Lockdown zeichnete sich bereits in den zurückliegenden Wochen ab, als die Infektionszahlen durch den Wellenbrecher aus dem exponentiellen Wachstum geholt wurden, aber die Zahlen auf hohem Niveau eine Seitwärtsbewegung verzeichneten. Also zog das Management der Bielefelder Verbundgruppe EK/servicegroup die Bremse und sagte den physischen Part der EK LIVE, die als Hybridmesse angelegt war, ab und verlegte sich komplett auf die digitale Variante. Daniel Kullmann, Head of Corporate Marketing and Communications der Bielefelder, ist verantwortlich für die Messen. Kullmann sieht die Zukunft der Händlerveranstaltungen im ausgewogenen Mix von physischen und digitalen Elementen, hybriden Messen eben.
FT: Herr Kullmann, wie kommt die EK aus dem Jahr?
Daniel Kullmann: „Die EK Gruppe hat sich in diesem Jahr bisher gut geschlagen. Dabei konnten wir auch von unserer Aufstellung als Mehrbranchenverbund profitieren. Der Rückzug in die eigenen vier Wände und das Homeoffice-Thema haben zum Beispiel die Umsätze in den Business Units EK Home und EK DIY befeuert. In den Geschäftsfeldern Sport und Fashion ist es dagegen schwieriger. Gerade für unsere stationären Fashion-Händler ist 2020 kein einfaches Jahr. Deshalb haben wir im Frühjahr alle Register gezogen, um den Unternehmerinnen und Unternehmern zur Seite zu stehen. Die Palette reichte von der Ausweitung des digitalen Angebots inklusive entsprechender Online-Marketing-Kampagnen über ein Zahlungsmoratorium und die politische Lobbyarbeit zur Stützung der Liquiditäts- und Finanzlage des Einzelhandels bis hin zum täglichen Sondernewsletter mit Tipps für den Umgang mit dem Lockdown und die Zeit danach. Geholfen hat auch die neue Kooperation mit zalando, die zusätzliche Absatzmöglichkeiten über einen Top-Online-Kanal eröffnet hat.
Gerade in diesen Krisenzeiten zeigt sich übrigens einmal mehr, dass unabhängige Mittelständler im EK Verbund deutlich besser fahren als im Alleingang. Apropos: Mit Blick auf die nächsten Monate können wir nach wie vor nur auf Sicht fahren. Aber das machen wir weiterhin sehr kontrolliert.“
Die letzte Messe sollte eigentlich als Blaupause für die kommende Veranstaltung dienen, die als Hybrid ausgelegt war. Welches waren denn die wichtigsten Learnings und wie sollte das Messekonzept weiterentwickelt werden?
„Nach unserem Selbstverständnis als lernende Organisation stellen wir auch unsere Messeaktivitäten immer neu auf den Prüfstand. War das Digitalkonzept der EK LIVE im Herbst noch ganz eng an die Live-Veranstaltung vor Ort gekoppelt, haben wir vor dem Hintergrund einer eventuellen Absage der stationären Januar-Messe den digitalen Konzeptteil deutlich unabhängiger weiterentwickelt. Dabei verfolgen wir den Anspruch, sämtliche Themen, die wir im Normalfall in den Messehallen hier in Bielefeld umsetzen, ins Netz zu übertragen. Das gilt nicht nur für die Warenthemen, sondern auch für die Konzeptleistungen, die digitalen Services und unser Dienstleistungsangebot. Gleichzeitig steht der digitale Raum für Kommunikation und Diskussion ganz oben auf der Agenda.“
Wie gut wurden die digitalen Angebote auf der Messe selbst, also in Bielefeld, genutzt?
„Nach Monaten der Messeabstinenz haben sich Händler, Aussteller und das EK-Messeteam spürbar gefreut, sich wieder einmal direkt in die Augen zu schauen. Und das ist ja trotz Masken zum Glück immer noch möglich. Die Gelegenheit zur realen Face-to-Face-Kommunikation hat die Nutzung der digitalen Angebote im September vor Ort dann auch in den Schatten gestellt. Anders bei den Messegästen, die den Weg nach Bielefeld aus nachvollziehbaren Gründen nicht angetreten haben. Hier kam es zu einer ganzen Reihe neuer Online-Kontakte zwischen Industrie und Handel, die nach der Pandemie sicher persönlich ausgebaut werden. Zufrieden waren unsere Aussteller auch mit der Online-Ordertätigkeit der Händler. Hier werden wir im Januar 2021 ebenfalls noch eine ordentliche Schippe drauflegen.“
Nun ist eine physische Messe leider nicht möglich. Wie gehen Sie damit um und welche Alternative wurde für die Mitglieder geschaffen hinsichtlich Ware und Dienstleistungen?
„Wir machen wie immer das Beste daraus. Da wir die EK LIVE bis zuletzt als Hybridmesse geplant haben, gibt es für unsere Händler das ganze Programm im Netz. Zum Thema Ware und Dienstleistungen: Neben einer deutlich höheren Sortimentsvielfalt durch die Aufstockung der online orderbaren ZR- und Lagerangebote werden sich die Aussteller und Dienstleister – wir rechnen übrigens mit über 200 teilnehmenden Industriepartnern aus allen Branchen – digital präsentieren. Alle digitalen Aktivitäten schließen übrigens auch die zeitgleich stattfindenden EK Fashion Ordertage ein. Unsere Händler mit textilen Sortimenten können sich auf die neuen Kollektionen und Sortimente aus den Bereichen DOB, HAKA, KIKO, Accessoires, Wäsche und Strumpfwaren für den Herbst und Winter freuen.“
Wie kompensieren die Händler die fehlende Möglichkeit, besonders Ware auch haptisch zu erfahren und sich zum Saisonauftakt auch auszutauschen? Werden spezielle Wünsche an Sie herangetragen?
„Die haptische Seite der Sortimente lässt sich nicht ersetzen. Andererseits liegen die Vorteile des digitalen Handelns in Krisenzeiten wie diesen auf der Hand. Das Feedback unserer Händler und Aussteller auf die Entscheidung für eine reine Digitalmesse war deshalb durchweg positiv. Und wir gehen davon aus, dass die Kritiken nach der Messe noch besser werden. Für die Interaktion der Händler untereinander haben wir ein neues Kommunikationstool entwickelt, das den Netzwerkcharakter einer Vor-Ort-Messe ins Web überträgt. Außerdem bereiten wir spannende Erfa- und andere Händler-Treffen in Online-Messe-Chatrooms vor.“
So, wie es aussieht, werden wir ja im Sommer mit einer Entspannung rechnen können und wieder „Alltag“ haben. Welche Elemente aus der zurückliegenden und der kommenden digitalen Messe werden weiterentwickelt und für künftige Zusammentreffen adaptiert?
„Unabhängig von Krisensituationen: Die Zukunft von Messen und Veranstaltungen ist hybrid. Das heißt, dass Live-Events um einen virtuellen Part ergänzt werden, der es möglich macht, von jedem Ort aus über das Notebook und das Smartphone teilzunehmen, mit Ausrichtern und Teilnehmern zu diskutieren, einzukaufen und Spaß zu haben. Außerdem lassen sich relevante Inhalte auch nach der Veranstaltung noch abrufen und auf Facebook und Co weiternutzen. Die hybride Form der Interaktion wird auch nach der Corona-Zeit spürbaren Mehrwert für Handel und Industrie bringen. Und darauf kommt es an.“
Wird Corona die kommenden Veranstaltungen außer im Januar auch zeitlich tangieren, sodass diese später im Jahr beginnen?
„Wir haben in Corona-Zeiten auch digital Maßstäbe gesetzt, hinter die wir nicht mehr zurückfallen werden. Wir hoffen im Messe- und Eventbereich also auf eine entsprechend neue hybride Normalität ab April 2021.“
Zurück zum Digitalen
Angesichts der anhaltend hohen Infektionsraten in Deutschland und den europäischen Nachbarländern hat sich das Management der EK/servicegroup entschieden, die EK LIVE Frühjahrsmesse und die EK Fashion Ordertage Bielefeld vom 20. bis 22. Januar 2021 ausschließlich als Online-Messen auszurichten. Nun konzentriere man sich auf die Umsetzung eines digitalen Order-Events, das dem Fachhandel trotz schwieriger Rahmenbedingungen alle Chancen für ein erfolgreiches Handelsjahr 2021 eröffne, hieß es dazu.
Die EK LIVE war als Hybridveranstaltung konzipiert gewesen, die Erweiterung des digitalen Messeangebots war ohnehin geplant. Neben der Order von ausgewählten ZR-Artikeln und Sortimenten aus dem eigenen Lagerprogramm soll es auch Möglichkeiten zum Netzwerken geben. Erlauben soll das ein in den digitalen Messeauftritt integriertes speziell für Messen entwickeltes Kommunikationstool, das den Netzwerkcharakter einer Vor-Ort-Messe ins Web überträgt. In Vorbereitung seien auch digitale Erfa-Treffen. Für die rund 200 erwarteten Aussteller öffnen die Bielefelder ein separates Web-Forum für den Messeauftritt und die Präsentation der aktuellen Sortimente.
Daniel Kullmann ist seit 2003 bei EK/servicegroup, als Leiter Corporate Marketing and Communications auch für die Messen der EK verantwortlich. Davor durchlief er verschiedene Stationen in Kommunikation und Marketing, unter anderem bei der BMW AG in München und der DB Cargo AG in Mainz. Kullmann studierte in Berlin, Essen und Edinburgh Kommunikationswissenschaft und Psychologie. Kullmann ist verheiratet und zweifacher Vater.