Autor: Markus Oess Diesmal holen sich die Macher der beiden Marken von Création Gross Anleihen aus den 1960er- und 1970er-Jahren. Die Modewelt lebt auf Pump, damit stehen sie nicht allein, aber sie verleihen einem allgemeinen Modetrend ihre eigene Handschrift. FT im Videocall mit Stefanie Denk und Florian Wortmann von CG – CLUB of GENTS sowie Thorsten Grönlund von CARL GROSS zur neuen Kollektion Herbst/Winter 2021/2022.
Ein wenig geht es Florian Wortmann, Head of CG – CLUB of GENTS, Hersbruck, wie der griechischen Sagengestalt Sisyphos, die den Felsbrocken gerade oben auf die Spitze zurollt. Er hat der jungen Linie von Création Gross zu neuen Höhenflügen verholfen, mit deutlich zweistelligen Umsatzzuwächsen bei gleichzeitiger Fokussierung der Kollektion. Die Marke kletterte bei Handel und Verbrauchern auf der Beliebtheitsskala kontinuierlich nach oben. Jetzt hat das Coronavirus das Plus der vergangenen Jahre aufgefressen und der Felsbrocken liegt wieder am Fuß des Berges. Wortmann ist nicht der Einzige, der gegen die Folgen des Kampfes gegen die Corona-Pandemie und den inzwischen neuerlichen harten Lockdown durchhalten muss. Die Branche darbt, doch bei dem Videocall mit FT war der Lockdown vielleicht schon abzusehen, beschlossen war er nicht. Es ging um die neue Kollektion Herbst/Winter 2021/2022. „Wir sind immer noch in Los Angeles. Aber jetzt geht es von Downtown und dem Venice Beach in die Traumfabrik Hollywood“, sagt Wortmann, der vor seinem Wechsel zur ahlers-Marke BALDESSARINI nach Herford ein letztes Mal die Kollektion von CG – CLUB of GENTS verantwortet.
Die Kollektion Herbst/Winter 2021/2022 ist mit „Director’s Cut“ überschrieben, eine Verneigung vor dem amerikanischen Kino der 1960er- und frühen 1970er-Jahre. Entsprechend schlichter geht es mit den Mustern und den Farben zu. „Wir haben uns vom Spannungsfeld zwischen Regisseur und Schauspieler, inspirieren lassen“, ergänzt Stefanie Denk, Senior Brand Managerin. Die Marke macht einen großen Schritt in Richtung Casualisierung und greift den Lebensstil, das Lebensgefühl dieser Zeit auf. „Wir gehen vom reinen Split Suit weg, alles kann miteinander kombiniert werden. Die Formal Wear wird in dieser Saison neu interpretiert“, sagt Wortmann und verweist unter anderem auf das neue Modell CG Ave. Der voll gefütterte und auf Anzugstoffen aufgelegte Blouson kann zu allen Hosen der Kollektion getragen werden, selbst mit überraschenden, unkonventionellen Kombinationen wie zur Superstretch-Hose CG Cameron mit Umschlag und Kette, zur Jersey-Hose CG Clow oder mit der Jeans. Es gibt auch wieder ein eigenkreiertes Innenfutter, das das Thema der Kollektion direkt in den Look mit aufnimmt.
Bei den Mänteln haben Denk und Wortmann die Anfangspreislage ausgebaut. Die Mäntel liegen zwischen 199, 229 und 299 Euro. Stehkragen-Mantel CG Mirell mit Fellimitateinsatz oder als CG Mirell-V mit Nylon-Westeneinsatz kommen wieder in diesem Winter zum Einsatz. Zu den neuen Modellen gehört als A-Linien-Modell CG Merwin in extrovertierten Dessins. Die Aktion mit dem Billardtisch wird weitergeführt und die gefeaturten Modelle um weitere Jersey-Stoffe ergänzt. Als Zugabe zu den Chinos gibt es neben der CG Nash in drei Waschungen auch eine Neuauflage der Jeans als Cropped-Variante (CG Ned).
SAVILE ROW BY CG – CLUB OF GENTS greift naheliegenderweise zu den Sternen (Beyond the Stars). „Genau hier entfalten die reichhaltigen Stoffe der Herbst/Winter-Kollektion 2021 ihre Wirkung“, sagt Wortmann. Es geht um bewegte Strukturen, um Tiefe in den Stoffen. Dabei werden die Muster minimalistischer, die Checks tonaler und das Gesamtbild insgesamt homogener. Und: Oversize wird zum „the new in“. Die Revers werden spitzer, die Schultern breiter und die Silhouetten insgesamt voluminöser, weiter und freier. Drei neue Sakko-Modelle folgen dem neuen Oversize-Gedanken. Das Zweireiher-Sakko CG Owen in Spitzfasson, das Einreiher-Sakko CG Oatis, ein Drei-Knopf-Modell mit drei aufgesetzten Taschen und das Hemden-Sakko CG Oatman ohne Futter, mit Hemdenkragen. Auch ein Ledersakko zum VK von 400 Euro ist im Programm. Auch die Hosen werden weiter, etwa CG Orlando mit zwei Bundfalten und einer Fußweite von 37 Zentimetern gibt noch einmal Freiraum. Auch die Mäntel zeigen Weite. Die Strukturen werden fließender und eine neue Länge vom 90 Zentimetern generiert einen neuen Look. Wie bei den Sakkos wird es auch im Strick viel Kaschmir geben. Überschnittene Kurzarm-Pullis, gestrickte Polos oder auch ein Netzhemd visualisieren die Unbeschwertheit der Kollektion.
YOUR OWN PARTY BY CG – CLUB OF GENTS schließlich folgt dem Ruf von „Las Vegas“. Für italienische Eleganz sollen die Anzugstoffe in einem tiefen Mitternachtsblau und klein gemustertem Design von FRATELLI TALLIA DI DELFINO sorgen. Passend zum Anzugsakko CG Paul gibt es die Schalkragen-Weste CG Paddy und die Anzughose CG Paco als klassische Variante als Zwei- oder Dreiteiler zur Hochzeit. Wer es schmuckvoller mag, greift zur Samtvariante in den Farbtönen Petrol, Offbrown und Dusty Grey von CERRUTI.
FRENCH CONNECTION
Für Thorsten Grönlund, Head of CARL GROSS, führt DER WEG ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT zum neuen Minimalismus, wie er bei der Vorstellung der Kollektion sagt. Grönlund ist sicher: Der Anzug kommt wieder. Wenn die Pandemie ihre Fesseln fallen lasse, wollten die Menschen wieder feiern und es sich gut gehen lassen. Dazu gehöre auch: „Sie wollen wieder gut aussehen und gut gekleidet sein.“ Auch die Innenstädte würden sich wieder füllen und der stationäre Handel dürfte von dieser Sehnsucht nach Vertrautem, nach Halt profitieren. „Gerade auch in der Mode kehren Farben, Formen und Dessinierungen in einem stetigen Rhythmus neu interpretiert und mit neuen Inhalten zurück“, sagt er. Veränderung und Weiterentwicklung haben als Gegenpole Geborgenheit und Altbekanntes. Unter dieser Prämisse hat Grönlund die Kollektionen von CARL GROSS, CONCEPT GREEN und BLACK LINE formuliert: ein Beziehungspaar von Vergangenheit und Zukunft. „Naturtöne und Muster aus den 1960er-Jahren werden gepaart mit minimalistischen Silhouetten und Designs, die gerade durch ihre Schlichtheit überzeugen. Über allem stehen der Komfort und ein entspannter, aber trotzdem angezogener Look“, betont Grönlund im Kollektionsbericht. Farblich hält der Trend zu Braun- und Erdtönen. Schwarz und Grau kommen zurück, in Kombination mit Blau. Helligkeit sei das saisonübergreifende Thema, sagt Grönlund. Sie zeige sich in Flanellen und Cord-Stoffen in Beige und Hellgrau. Die Stoffjacke aus Tweed- und Jersey-Stoffen ist zurück. Lockere Field- und Blouson-Optiken dienen als Sakko-Ersatz. Stehkragen und Sakko-Varianten in Jersey-Qualitäten runden das Programm ab. „Stilvoll angezogen sein, ohne dabei zu steif oder förmlich zu wirken“, bescheibt Grönlund die Modell-Überarbeitung mit weichen Schulterlinien und „neuen“ Klassikern wie dem Zweireiher.
24/7 FLEX, unter der hochelastische Sakkos und Anzüge bei CARL GROSS laufen, hat weiter massiv an Bedeutung gewonnen. Neu sind hier unter anderem eine Hose mit elastischen Einsätzen im Bund sowie neue Mantelformen aus bielastischen Qualitäten. Auch im Premium-Segment BLACK LINE gibt Grönlund Sportivität und Bequemlichkeit mehr Raum. „Neben neuen Modellen, wie einem Field Jacket und einem Jacken-Style als Sakko-Ersatz, bieten wir auch erstmalig Jersey-Qualitäten im Premium-Segment an. Zudem setzen wir verstärkt auf reinen Kaschmir in Sakko und Mantel“, sagt er. Er hat überdies CONCEPT GREEN verdoppelt: „Neu ist hier eine Auswahl von Mänteln, die nach den Vorgaben unserer Nachhaltigkeitsphilosophie hergestellt werden. Auch das Thema Jersey haben wir mit recycelten Stoffen und Innenverarbeitungen umgesetzt. Um die Kollektion entsprechend präsent auf der Fläche darzustellen, haben wir außerdem ein Pop-up-Konzept entwickelt, das sich je nach Einkaufsvolumen an den PoS anpassen lässt.“ Grönlund sagt, er sei dem Ziel, die gesamte Kollektion von CARL GROSS nachhaltig und grün zu machen, einen weiteren Schritt näher gekommen. Beide Marken des Hersbrucker Anzugspezialisten Création Gross leiden unter der aktuellen Situation und der nun beschlossene Lockdown wird im Handel zu weiteren Verwerfungen führen. Hollywood hat in aller Regel viel übrig für ein gutes Ende.