Autor: Markus OessKlingt seltsam, wenn von First Party, Second Party und Third Party die Rede ist. Doch dahinter verbergen sich die Analyse und der Aufbau von guten Datenbanken. Gerade beim ersten Kundenkontakt wird der Umgang mit ihnen zum entscheidenden Faktor. Wie der Curated-Shopping-Anbieter MODOMOTO, der inzwischen mit dem Konkurrenten OUTFITTERY fusioniert ist, beim Aufbau seiner Datenbank vorgegangen ist.
Die Berliner MODOMOTO und OUTFITTERY, dereinst Rivalen im Kampf um die Gunst des Kunden, sind seit Mai 2019 fest liiert. Zu dem Zeitpunkt hatten beide Curated-Shopping-Anbieter ihre Fusion bekannt gegeben. Das neue Unternehmen kam nach eigenen Angaben auf 80 Millionen Euro Umsatz, der 2020 auf 100 Millionen Euro ansteigen sollte. Rund 1 Million Kunden zählte man, hieß es damals. „Kern des Angebots ist das Zusammenspiel aus mehr als 20 Algorithmen und Stylisten. Kunden füllen vor ihrer ersten Bestellung einen umfassenden Fragebogen aus und liefern dem Unternehmen so mehr als 200 Datenpunkte pro Kunde. OUTFITTERY hat durch diesen Prozess mehr Daten als jeder andere Händler oder jede andere Marke. Die Daten und Algorithmen unterstützen die Stylisten dabei, jedem Kunden sein individuelles Wunsch-Outfit zusammenzustellen – zu jeder Zeit und für jeden Anlass“, erklärte das Unternehmen im August 2019. „Im Vergleich zum normalen E-Commerce ist ein Erfolgskriterium des Curated Shopping die Menge und Verfügbarkeit von Kundendaten und deren Analyse. Durch den Zusammenschluss mit MODOMOTO hat sich das Volumen der Daten schlagartig erhöht. Dies wird schneller zu einem besseren Service und einer besseren Kundenerfahrung führen“, sagte die alte und neue CEO Julia Bösch.
Klingt erst mal gut – nur, wie kommt ein Online-Anbieter zu diesen Daten, vor allem, wenn es das „erste Mal“ ist? Zu deren Erhebung und Analyse, insbesondere der First-Party-Daten, hatte MODOMOTO die Dienste des Software- und Beratungsunternehmens elaboratum eingekauft. First-Party-Daten sind Daten, die direkt auf der eigenen Website gesammelt werden. Dazu gehören Bewegungsdaten, Daten also, die über das Nutzerverhalten sowie über Kontaktformulare oder auch Suchanfragen gewonnen werden. Hinzu kommen auch Daten aus dem CRM-System (welche Produkte wurden wann gekauft? Wann gab es einen Kontakt zum Customer Care, zu welchem Thema? etc.).
„Diese Daten werden in erster Linie dafür genutzt, mit Kunden in Kontakt zu treten, Bestellungen abzuwickeln und den Kontakt zu halten beziehungsweise auszubauen. Erst im zweiten Schritt sind First-Party-Daten auch hilfreich bei der Segmentierung und für das gezielte Aussteuern von Kampagnen. So kann zum Beispiel ein Online-Händler mit den richtigen Inhalten die Relevanz der Produktempfehlungen individuell für jeden Besucher verbessern und dadurch sowohl die Qualität in der Ansprache als auch seine Konversionsraten deutlich steigern“, erläutert Joachim Stalph, Principal Consultant bei elaboratum/Leitung Köln. Allerdings könne damit noch kein vollständiges Kundenprofil erstellt werden. Die Datenbank müsse noch mit weiterem Input gefüttert werden, wie Stalph weiter ausführt: „Wichtige komplementäre Informationen, die zunächst nicht verfügbar waren (weil zum Beispiel die Nutzer auf der eigenen Website nur unvollständige Angaben gemacht hatten) und bei Geschäftspartnern oder auch bei professionellen Datenhändlern erworben werden.“ Zu den möglichen Datenquellen zählen der Berater ERP, CRM, PoS (Kassensysteme), der Webshop oder auch das Consent Management, das übergreifend regelt, welcher Nutzer/Kunde überhaupt und wie angesprochen werden darf.
Bei MODOMOTO wurden die persönlichen Daten über einen Fragebogen erhoben, um die individuelle Zusammenstellung von Outfits erst möglich zu machen. „Wichtig hierbei: der eindeutige Consent des Kunden“, sagt MODOMOTO-Gründer Andreas Fischer, der heute als Chefstratege im Management von OUTFITTERY sitzt. Er meint damit das Einverständnis und die Bereitschaft der User, überhaupt Daten herauszugeben. MODOMOTO wurde im Dezember 2011 gelauncht: Ein halbes Jahr ging für die Vorbereitung drauf.
„Daten, und zwar insbesondere First-Party-Daten, spielten bei MODOMOTO schon immer eine sehr wichtige Rolle. Kern des Serviceversprechens ist es schließlich, dem Kunden ein perfekt auf seine individuellen Bedürfnisse abgestimmtes Outfit zusammenzustellen. Dafür bedarf es vieler Informationen und Daten über den Kunden: Stilvorlieben, Größe, Gewicht, Anlass et cetera müssen erfasst werden, damit der Stylist den Kunden individuell bedienen kann“, sagt Fischer. Das sei entscheidend für die Qualität der Outfits, die Retourenquote und damit den Return on Invest gewesen. Schickte der Kunde zum Beispiel ein Foto von sich, sank laut Fischer die Retourenquote deutlich, da der Stylist das Outfit passgenauer abstimmen konnte. „Die Herausforderung bestand insbesondere darin, die vom Kunden erhaltenen Daten mit den richtigen Kleidungsgrößen abzustimmen. Durch die große Varianz bei den Herstellern – M ist bei Weitem nicht immer gleich M – fehlte anfangs ganz einfach eine gute Datengrundlage. Über die Zeit haben wir uns aber hier durch die weitere Anreicherung von Produktdaten (Größenvarianz der Hersteller), also Third-Party-Daten, weiter optimiert“, führt Fischer weiter aus.
Um die Kunden dazu zu bringen, ihre Daten preiszugeben, müsse man sich auch immer in sie hineinversetzen und sich fragen, warum sie Informationen von sich offenbaren sollen. „Über diesen Perspektivwechsel kommt es schnell zu der Frage, welchen inhaltlichen Mehrwert man dem User gibt, für den es sich lohnt, Daten und Informationen herauszugeben. Eine gute Daten-Strategie wird somit auch immer von einer guten Content-Strategie flankiert. Durch die Ergänzung weiterer Datenpunkte (First-Party-Daten und Third-Party-Daten) und die Anwendung von Machine-Learning-Algorithmen konnten die Outfits immer passgenauer zusammengestellt und um inspirierende Empfehlungen ergänzt werden“, sagt Fischer.
Auch unabhängige mittelständische Modehändler könnten von einer datengetriebenen Ausrichtung profitieren, sagt Stalph. Ein sauberes Datenmanagement sei das A und O, schließlich müssten unterschiedliche Datenquellen zusammengeführt und die User-Informationen zusammengefasst werden. „Wer eine Vielzahl von User-Identitäten schaffen will, braucht qualifizierten Traffic auf seiner Seite. Die Nutzer sollten den Cookies zustimmen und sich idealerweise dank inhaltlichem Mehrwert registrieren. Hierfür bedarf es einer klaren Content- und Mehrwert-Strategie für die User“, sagt Stalph. Dann erst könne der Aufbau eines umfassenden User-Verständnisses, die Customer Intelligence, folgen. Sie bilde die Grundlage zur Segmentierung von Kunden, um sie personalisiert ansprechen zu können. Stalph spricht in dem Zusammenhang von der Customer Journey: „Die neue Ära der Customer Journeys wird stärker das Kanal- und Device-Zusammenspiel berücksichtigen und neue Content-Strategien hervorrufen. In der ersten Phase werden die neuen Segmente mit konkreten Typologien der Customer Journeys gekoppelt und darauf basierend wird die Datenaktivierung erfolgen. Der damit oft gleichzeitigen und inflationären Ansprache der User über viele Kanäle wird ein Ende gesetzt: Marketing-Orchestrierung statt Marketing-Automation ist das neue Gebot.“
Um stationäres Geschäft und Online-Handel klug verbinden zu können, sollten die Daten nicht nur über beide Kanäle hinweg vorhanden sein, sondern auch einheitlich gepflegt werden: „Für uns ist es der Kern und das, woran die meisten schon scheitern. Außerdem gilt es, voneinander zu lernen: online genauso serviceorientiert handeln wie ein guter Verkäufer im Ladengeschäft und offline auch Daten nutzen (zum Beispiel über Kundenkarten) und diese für das Verkaufserlebnis einsetzen“, betont Stalph. Nach der Fusion mit OUTFITTERY wurde mit „DEIN SHOP“ 2020 ein neues Angebot gelauncht, bei dem die Kunden Artikel in Echtzeit mithilfe von Algorithmen auswählen und mit bereits gekaufter Ware kombinieren können. „Bislang war es so, dass die Stylisten die Hemden, Hosen und Shirts gemeinsam mit den Algorithmen ausgewählt haben. Nun können das die Kunden selbst tun“, sagt Fischer. Ganz so wie im Laden auch.