Autor: Markus Oess Die Herforder Ahlers AG will ihren Online-Umsatz mittelfristig spürbar steigern. Dazu haben die Herforder drei Betätigungsfelder definiert: die eigenen Online-Aktivitäten, Marktplätze und die Shops der Wholesale-Kunden. Aber wie weit sind die Bemühungen gediehen? Einen Überblick geben Vorstand Dr. Stella Ahlers und Quynh Ha-Ngoc, Director E-Commerce im FT-Interview.
pierre cardin war als Erster dran. In Zusammenarbeit mit der Full-Service-Agentur mzentrale hat die Marke ihren Online-Shop neu aufgestellt. Dazu zählen ein Facelift und die Implementierung zahlreicher Features mit verbesserter Nutzerführung und der Einführung von Produktempfehlungen. Dabei steht die mobile Nutzung des Shops im Vordergrund. Auch der Check-out-Prozess wurde erneuert. Zusätzlich zu den Zahlarten Kreditkarte, PayPal und Vorkasse können Kunden ihre Rechnungen künftig auch mit den Bezahlarten Rechnungskauf, Lastschrift, Ratenkauf und PayPal Express begleichen. „Der Online-Shop hat den Charakter eines Flagship-Stores“, postuliert Quynh Ha-Ngoc. Er ist seit März 2020 Director E-Commerce der Ahlers AG. Der eigene Webauftritt ist aber nur eines von drei strategischen Wachstumsfeldern der Ahlers AG. Wo die Herforder stehen und wie mittelfristig ein Online-Umsatz von 10 bis 15 Prozent bis zum Jahr 2022 erreicht werden soll.
FT: Frau Dr. Ahlers, was war das Letzte, das Sie online eingekauft haben?
Dr. Stella Ahlers: „Ich habe zuletzt bei BALDESSARINI einen Hoodie eingekauft. Die Abwicklung der Bestellung läuft seit unserem Dienstleisterwechsel deutlich besser. Aber ich habe mir natürlich auch den neuen pierre-cardin-Shop genau angesehen.“
Konnten Sie die Veränderungen in der Bedienungsführung direkt erkennen?
Dr. Ahlers: „Aber ja, der gesamte Auftritt hat sich spürbar verbessert, sowohl optisch als auch in seiner Funktionalität.“
Corona hat nach allgemeiner Einschätzung die Digitalisierung beschleunigt, wie haben Sie das für die gesamte Ahlers Gruppe erlebt?
Dr. Ahlers: „Das Eintrittsdatum von Herrn Ha-Ngoc am 16. März 2020 werde ich nie vergessen. Die WHO hatte am 11. März die Ausbreitung des Corona-Virus als weltweite Pandemie eingestuft. Am 16. März wurde der Lockdown beschlossen und kurze Zeit später stand Deutschland still. Herr Ha-Ngoc kam zu uns zu einer Zeit, in der sich die Hoffnungen zu einem großen Teil auf den Online-Handel konzentrierten. Doch dann hielten sich die Verbraucher angesichts der allgemeinen Unsicherheit auch online erst mal zurück. Und auf den Marktplätzen wurden zunächst Hygiene-Artikel und später Masken zu Verkaufsrennern. Diese Schockstarre hielt einige Wochen an, bevor die Menschen wieder orderten und die Verkaufszahlen sich zu erholen begannen. Auch der gesamte Auslieferungsprozess war gebremst und die weltweiten Lieferketten unterbrochen. Hoffen wir, dass wir nicht in einen zweiten Lockdown hineinrutschen. Die Digitalisierung hat bei uns sowieso eine hohe Priorität. Um sie weiter voranzutreiben, haben wir die E-Commerce-Abteilung auch personell aufgestockt.“
Herr Ha-Ngoc, gab es besondere Probleme bei dem Relaunch des pc-Shops?
Quynh Ha-Ngoc: „Abseits der üblichen Friktionen traten keine umsatzrelevanten Probleme auf. Wir sind mit dem neuen Shop am 22. Juli wie geplant live gegangen. Normalerweise haben Sie bei einer solchen Umstellung eine Umsatzdelle, die sich langsam glättet, da die Kundinnen und Kunden sich erst einmal an den neuen Auftritt gewöhnen müssen. Wir waren nach wenigen Tagen da durch.“
Wie gut muss man die Marke kennen, um einen Flagship-Store zu konzipieren?
Ha-Ngoc: „Die Marke spielt eine Hauptrolle. Natürlich ist das Produkt im Zentrum des Geschehens, aber jede einzelne Maßnahme muss auf die Marke einzahlen, ganz egal, ob wir von einem physischen Store sprechen oder von einem Online-Auftritt. Es geht auch um die Positionierung der Marke und darum, sie mit den richtigen Inhalten aufzuladen. Wir haben das Glück, dass der Namensgeber als letzter großer Designer seiner Ära noch lebt. So können wir eine Geschichte erzählen, die authentisch und aus dem Leben gegriffen ist.“
Dr. Ahlers: „Pierre Cardin ist eine große Persönlichkeit. Alles, was er erreicht hat, beruht nicht nur auf seiner einzigartigen Kreativität, sondern auch auf sehr harter Arbeit. Als Pierre Cardin in Paris ankam, hatte er nichts außer ein paar Empfehlungsschreiben. Das ist einfach eine großartige Geschichte. Wir prüfen gerade, ob und wie wir zumindest Teile des neuen Films über sein Lebenswerk mit dem Titel ,House of Cardin‘ in unseren digitalen Auftritt einbinden können.“
Welche Learnings konnten Sie aus dem Projekt ziehen?
Ha-Ngoc: „Der pierre-cardin-Shop wurde 2016 gelauncht. Nun wurde es Zeit für einen Reset. Wir haben in den zwei Monaten vom Start bis zur Umsetzung dieses Projekts die Erfahrungen unserer E-Commerce-Abteilung und der Agentur gebündelt und uns auf die konsequente Umsetzung unserer Vorgaben konzentriert. Von der Produktpräsentation bis zum Check-out muss der gesamte Auftritt fashiongerecht sein. Der Shop ist gewissermaßen ein ,Best-of‘. Wir dürfen jetzt nicht stehen bleiben, sondern werden den Shop kontinuierlich weiterentwickeln. Optimierte Services und die Präsentation von kompletten Looks setzen wir als Nächstes um. Wir sind nicht amazon, wir müssen inspirieren.“
Wie hoch ist der Durchschnittsbon?
Dr. Ahlers: „Der durchschnittliche Bestellwert bei pierre cardin liegt bei 150 Euro, bei BALDESSARINI beträgt er knapp 200 Euro.“
Was sagen die Endkunden?
Ha-Ngoc: „Wir wurden bereits vorher gut bewertet, also konnten wir keine Riesensprünge erwarten. Die Zahlen sprechen für sich. Der Durchschnittsbon blieb stabil, wobei wir die Conversion Rate, also die Zahl der Besucher, die auch tatsächlich ordern, spürbar verbessert haben.“
Frau Ahlers, wieso wurde zuerst pierre cardin angefasst?
Dr. Ahlers: „pierre cardin ist unsere größte Marke und wir wollten da beginnen, wo wir mit dem größten Return on Invest rechnen konnten.“
Ist die IT- und Online-Landschaft im Konzern harmonisiert?
Dr. Ahlers: „Die IT haben wir schon immer hier in Herford gehabt, folglich sind die Systeme auch harmonisiert. Wir haben keine Systembrüche zu beheben.“
Wie sieht es mit der Internationalisierung aus?
Dr. Ahlers: „Wir möchten den Shop mittelfristig auch in den Ländern freischalten, in denen wir eigene Stores haben, also Polen und Russland. Wir wollen ihn weiter internationalisieren, aber das muss in Abstimmung mit dem Lizenzgeber in Paris geschehen. Kurzfristig ist es für uns einfacher, digital über Marktplätze zu internationalisieren. Über zalando sind wir inzwischen in den Niederlanden, Frankreich und Österreich vertreten, über ABOUT YOU zusätzlich in Belgien. Wir werden in Kürze mit pierre cardin bei La Redoute in Frankreich starten und mit BALDESSARINI bei WILDBERRIES in Russland.“
Herr Ha-Ngoc, wird die Umstellung der übrigen Shops jetzt einfacher sein?
Ha-Ngoc: „Technisch auf jeden Fall. Aber wir dürfen nicht die Shops eins zu eins multiplizieren, sondern müssen immer die Marke über alles stellen. Daraus ergeben sich zwangsläufig Unterschiede.“
Frau Dr. Ahlers, welcher Shop ist als Nächstes dran?
Dr. Ahlers: „Wir werden als Nächstes BALDESSARINI umstellen und im kommenden Jahr Pionier WORKWEAR.“
Was hat sich bei den Marktplätzen getan?
Ha-Ngoc: „Der Wettbewerb hat sich coronabedingt noch mal verschärft und wir registrieren generell mehr Aktivitäten. Während ein amazon unbehelligt und für den Augenblick auch uneinholbar vorne wegfährt, haben auch Anbieter wie zalando oder OTTO ihre Bemühungen, das Geschäft auf den mittelständischen Handel auszuweiten, erfolgreich verstärkt. Der Kuchen wird also größer, aber es wächst auch die Anzahl derer, auf die er verteilt wird. Unterm Strich haben wir für alle Marken von der Entwicklung profitiert, aber weniger stark als der Gesamtmarkt.“
Frau Dr. Ahlers, werden Sie die mittelfristige Zielmarke für den Online-Umsatz im Konzern nun früher erreichen oder sogar übertreffen?
„Ob wir unsere Ziele nun schneller als geplant erreichen, kann ich heute noch nicht sagen, wohl aber, dass wir bis 2022 rund 10 bis 15 Prozent unseres Umsatzes digital machen werden. Darin sind dann unsere eigenen Aktivitäten, die Marktplätze und die Online-Aktivitäten unserer Wholesale-Kunden wie zum Beispiel Peek&Cloppenburg eingerechnet. Aktuell sind wir in Gesprächen mit breuninger und mit GALERIA KARSTADT KAUFHOF. Wir stehen aber auch im stationären Geschäft vor großen Herausforderungen und strukturellen Veränderungen im Markt, die Corona zusätzlich befeuert hat, und dürfen unsere Präsenz im stationären Geschäft und am PoS auf keinen Fall vernachlässigen.“
Herr Ha-Ngoc, wie viel macht die Marke, wie viel machen die Algorithmen am Erfolg aus?
„Das ist eine Frage, die ich eigentlich nur philosophisch beantworten kann. Ich würde sagen: 60 Prozent Marke, 40 Prozent Algorithmen.“
Was wird sich digital für den stationären, mittelständischen Handel ändern?
Dr. Ahlers: „Wir haben uns entschieden, unsere B2B-Shops künftig über den Anbieter Fashion Cloud zu betreiben, der im Grunde wie eine Plattform funktioniert. Mit pierre cardin sind wir in Deutschland, Frankreich, Polen, Belgien und Holland seit einigen Wochen am Start und mit der bisherigen Entwicklung sehr zufrieden. In den nächsten Monaten sollen BALDESSARINI und PIONEER dann folgen
Mit drei spiel eins
Bis zum Jahr 2022 sollen die Online-Aktivitäten einen Umsatzanteil von 10 bis 15 Prozent am Gruppenumsatz beisteuern. Dabei hat das Management drei Handlungsfelder definiert: die eigenen Online-Shops der Marken, Marktplätze und die Aktivitäten der Wholesale-Kunden. Die Herforder haben ihre IT-Abteilung personell verstärkt. In einem ersten Schritt werden die E-Shops der ahlers-Marken optimiert. Ein Job für Quynh Ha-Ngoc. Er ist seit März 2020 Director E-Commerce der Ahlers AG. Ha-Ngoc war zuletzt Berater und Interim-Manager. Zuvor arbeitete er in leitenden Funktionen für adidas, den baur Versand, TOM TAILOR und Google Deutschland. Neben pierre cardin verantwortet Quynh Ha-Ngoc die Online-Shops der ahlers-Marken BALDESSARINI und Pionier WORKWEAR sowie alle Marktplatzaktivitäten. Er berichtet direkt an Dr. Stella A. Ahlers, Vorstandsvorsitzende der Ahlers AG.