Autor: Markus Oess Komplett-Looks, Frauen auf dem Katalogtitel und der Abschied von Fremdmarken. walbusch modernisiert sich, will aber angestammte Felder deswegen aufgeben. Warum Tradition den Solingern derzeit in die Hände spielt und was Poloshirts über die Gesamtstrategie aussagen. Ralph Hürlemann, walbusch-Geschäftsführer Einkauf, im FT-Interview.
FT: Herr Hürlemann, ist Ihr Kunde alt?
Ralph Hürlemann: „Ganz klar: nein! Rein nach der Definition des Lebensalters ist unser Kunde 60 plus. Aber es geht in der Mode ja lange nicht mehr um das biologische Alter, es geht vielmehr um Lebensstil und um Lebenseinstellung. Mir gefällt es besser, wenn wir von Kunden sprechen, die was vorhaben, die fit und beweglich sind, im Kopf, aber auch körperlich.“
Wie definieren Sie Ihren Kunden?
„Unser Claim beschreibt ihn treffend: ‚Für alle, die etwas vorhaben.‘ Unsere Kunden haben hohe Anforderungen an ihre Bekleidung, sind dabei bereit und in der Lage, bewusst für Qualität und Passform Geld auszugeben. Wir sprechen nicht ohne Grund eine Garantie von fünf Jahren für unsere Bekleidung aus. Unsere Kunden kaufen nachhaltig ein und denken dabei insbesondere an Langlebigkeit, Transparenz und Regionalität. Beim Produkt liegt unsere Schlüsselkompetenz. Wir arbeiten eng mit unseren Produzenten zusammen, zum Teil holen wir die Produktion auch zurück nach Deutschland. Wir verkaufen Strick und Anzüge aus Deutschland und wir produzieren zusammen mit der Firma Haupt hierzulande auch Hemden.“
Mit welchen Methoden ermitteln Sie sein Profil inzwischen und wie halten Sie ihn bei Laune?
„Wir kommen aus dem klassischen Distanzhandel: Die meisten unserer Kunden kaufen telefonisch aus dem Katalog oder online. Daher können wir ziemlich genau analysieren, wer unsere Kunden sind, welche Präferenzen sie haben und wie sich diese über die Zeit verändern. Je besser wir unsere Kommunikation auf die Bedürfnisse des Kunden einstellen, umso mehr Interesse wecken wir bei ihm. Kern unserer Botschaft ist aber Innovation. Damit meine ich nicht nur technische, funktionelle Innovationen wie Fleckenschutz, Stretch oder Klimafunktionen, sondern auch modische wie zum Beispiel neue Farben und Outfits.“
Wer sind Ihre Trendscouts?
„Unsere Produktmanager arbeiten klassisch und nutzen die üblichen Quellen wie Messen, Trendberichte, Store Checks et cetera. Und sie haben eine feine Nase für das, was angesagt ist. Es ist schließlich ihr Beruf. Als ich vor zweieinhalb Jahren nach Solingen gekommen bin, habe ich begonnen, die eigene Produktentwicklung im Haus walbusch deutlich zu stärken. Heute brauchen wir uns sicher nicht hinter der Markenindustrie zu verstecken – und der Prozess geht bei uns noch weiter.“
Wie lange dauert es, bis sich Trends aus den Messen oder der High Fashion auf die Straße und Ihre Sortimente niederschlagen?
„Wir gehen die Trends der Saison zwar mit, aber wir machen ja keine Fast Fashion, sondern Mode, die den Anspruch hat, auch in drei Jahren ihren Träger stilvoll und gut einzukleiden. Für uns sind die hochmodischen Trends der Schauen nicht so wichtig.“
Der Trend zur Casualisierung und Sportswear ist ungebrochen. Wie setzen Sie das für walbusch um?
„Für uns ist die Casualisierung von Haus aus ein Riesenthema. Der Beruf hat für die meisten walbusch-Kunden nicht mehr die dominante Stellung im Leben. Wir verkaufen auch Anzüge und die übrigens sehr viel stärker im stationären Geschäft als im Versandhandel. Auch arbeiten wir die modischen Trends aus, etwa bei Hosen mit einem Tunnelzug. Aber wir gehen dabei dezent vor. Tunnelzug ja, aber schreiende Muster oder enge Bündchen? Nein. Auch unsere Schnitte und Stoffe fallen weicher. Wir sehen einen deutlichen Zuwachs bei Jeans, Strick und bei Sweatshirts. Unser Kunde will sich lässig kleiden, aber korrekt aussehen. Ein Beispiel: Wir verkaufen kaum T-Shirts, dafür aber eine Menge Poloshirts.“
Inwiefern hilft es, dass walbusch außerhalb der Formal Wear unterwegs ist?
„Wir haben eine starke Heritage, die unsere Kunden in der Casual Wear verorten, und wenn der Trend in diese Richtung geht, hilft uns das natürlich. Wir müssen uns diesbezüglich nicht verbiegen und unsere Kunden nehmen uns unsere Kompetenz bei komfortablen Jeans und gut ausgestatteten Jacken ab. Wir verkaufen nebenbei gesagt auch Lederjacken, einfach weil es zu unserem Stil gut passt.“
Wie hat sich die Mode auch bei walbusch verändert? Schließlich unterliegt der Modegeschmack Ihrer Kunden ja auch dem Zeitgeist.
„walbusch hat über die Jahre ein eigenes modisches Profil entwickelt und ist so zur relevanten Modemarke für eine starke Zielgruppe geworden. Heute entwickeln wir zum Beispiel alle unsere Modelle selbst. Wir sind ein klassischer Komplettanbieter und zeigen das auch konsequent in der Außendarstellung. Die Fremdmarken von früher sind weitgehend verschwunden, da sie für unsere Kunden nicht mehr wichtig waren.“
Wo hat die klassische Männermode Chancen?
„Der klassische Anzug wird bleiben und auch die klassische Männermode wird nicht verschwinden. Jeder Trend löst auch wieder einen Gegentrend aus. Elemente der klassischen Männermode wie der Dehnbund werden von jüngeren Segmenten neu interpretiert und dann als Tunnelzug übernommen. Ich bin überzeugt, die Anlassmode wird im nächsten Jahr wieder anziehen, weil viele Hochzeiten verschoben wurden und die Menschen einiges nachholen wollen. Auch die klassische Mode wird sich neu erfinden, zum Teil mit Neuinterpretationen – siehe Tunnelzug –, zum Teil auch mit neuen Qualitäten und Funktionalitäten. ‚Bequemlichkeit‘ ist hier das Stichwort der Stunde.“
Wie hat sich die Positionierung von walbusch verändert?
„Wir treten kompetenter im Markt auf als noch vor ein paar Saisons. Früher wurden wir, ich überziehe jetzt mal, auf den Hemdenanbieter im Aktionsgeschäft (zwei für eins), das wir zur Neukundenakquise verstärkt eingesetzt hatten, reduziert. Heute nimmt uns der Markt mehr und mehr als Anbieter guter Outfits wahr, der wir auch sind. So haben Hosen und Strick inzwischen das Hemd im Umsatz eingeholt. Zum Zweiten bauen wir kontinuierlich die DOB aus und kommen mittlerweile auf einen Umsatzanteil von rund 35 Prozent.“
Woran zeigt sich das gegenüber dem Kunden?
„Wir heben in der Kommunikation sehr viel stärker auf die walbusch-Welt ab als früher und verzichten weitgehend auf Aktionswerbung. Wir gehen auch sehr viel offensiver mit der DOB um und zeigen auf den Titeln unserer Kataloge Paare und nicht mehr ausschließlich Männer. Unser Markenbotschafter, der ,Tatort‘-Darsteller Klaus J. Behrendt, steht für lässige Eleganz und transportiert die neue Wertewelt von walbusch ganz herausragend.“
Wie kommt walbusch durch die Krise? Vergangenes Jahr stand ja noch ein Plus von 8,2 Prozent in den Büchern und die neue Brand-Strategie zeigte Erfolge …
„Der Lockdown hat in unseren 42 Filialen natürlich seine Spuren hinterlassen. Dafür konnten wir die Ausfälle im Online- und Versandgeschäft zu großen Teilen kompensieren. Alles in allem kommen wir ganz gut durch und werden unsere angepassten Ziele in diesem Jahr auch sicher erreichen. Wir schauen verhalten optimistisch auf die kommenden Monate. Ein zweiter Lockdown aber darf nicht kommen …“
Was läuft stabiler, DOB oder Menswear?
„Das Geschäft mit der DOB ist stärker gewachsen als mit der Herrenbekleidung. Allerdings machen sich generell Zuwächse bei kleineren Umsatzzahlen schneller bemerkbar. Aber wir sind auch mit der Produktivität bei den Herren nicht unzufrieden. Hier machen sich unsere Investitionen in das Produkt, in die Qualität und in die Kommunikation bezahlt.“
Wie haben sich die Kräfteverhältnisse stationär zu Versand verändert?
„Stationär tritt in Zeiten von Corona natürlich auf der Stelle. Das Distanzgeschäft hat dem allgemeinen Trend folgend vom Lockdown profitiert. Vor allem Print, das immer noch unser größtes Geschäftsfeld darstellt, entwickelt sich aktuell sehr erfreulich.“
Gibt es Unterschiede zwischen dem Distanzhandel und dem stationären Geschäft?
„Auf jeden Fall! Wir verkaufen Anzüge überproportional im stationären Handel, rund 50 Prozent der Umsätze laufen hierüber. Der Anzug ist eben ein beratungsintensives Produkt, die Kunden wollen ihn anprobieren, bevor sie ihn kaufen. Ansonsten zeigen wir im Laden so etwas wie ein ,Best of‘ unseres gesamten Programms und setzen verstärkt auf Herrenkleidung. Die DOB ist gemessen am gesamten Programm etwas unterrepräsentiert.“
Wenn digital gewinnt, werden wir jetzt auch im „Alter“ alle Onliner – oder sind wir es schon?
„Onliner sind wir alle schon mehr oder weniger. Corona ist ein Boost für die Digitalisierung, ganz klar. Umgekehrt rechne ich aber auch fest mit einem Gegentrend. Stationär wird sicher wieder gewinnen, wenn die Maskenpflicht aufgehoben wird und der Stadtbummel entspannter wird. Der Mensch ist ein soziales Wesen und sucht die Gesellschaft mit anderen.“
Wann kommt das erste Model mit Tattoos und langen Haaren?
„Bei walbusch kann ich das aktuell nicht sehen, denn ein solches Model würde momentan nicht zu unserer Marke passen. Zur Wertewelt und Tradition von walbusch passen andere Typen – und die sind mindestens genauso aktiv und interessant.“
Hintergrund
Im Dezember 2017 übernahm Ralph Hürlemann das Ressort Einkauf in der Geschäftsführung von walbusch in Solingen. Der Schweizer arbeitete zuvor für strellson, P&C und ESPRIT. Zuletzt verantwortete der diplomierte Schnittmacher große Teile des Herrensortimentes bei TOM TAILOR.
walbusch erzielte im abgelaufenen Geschäftsjahr 2019 einen Gesamtumsatz von 346,5 Millionen Euro Umsatz und wuchs laut Unternehmensmitteilung „nach intensiver Beschäftigung mit Marke, Sortiment und Kunden“ um 8,2 Prozent. Die Gruppe habe für alle Marken und Vertriebskanäle deutliche Fortschritte erzielt, die von den Kunden honoriert würden. Die Strategie, mehr in die Marke und Kommunikation zu investieren, habe sich bezahlt gemacht, hieß es bei Bekanntgabe der Zahlen. Unter anderem hat walbusch 2019 erstmalig TV-Werbung mit dem „Tatort“-Darsteller Klaus J. Behrendt als Markenbotschafter geschaltet. Auch für 2020 war ein Wachstum geplant. Für die Hauptmarke walbusch setzt das Unternehmen auf modernisierte Sortimente und emotionalisierende Kommunikation sowie den Ausbau der DOB.