Autor: Markus OessPorto ist berühmt für seinen Wein und kann mit einem wunderbaren Stadtbild punkten. Jetzt fand in der Stadt die erste und einzige Modemesse nach dem Lockdown auf der Iberischen Halbinsel statt. Auch die portugiesische Modeindustrie wurde von den Schockwellen im Kampf gegen die Ausbreitung von COVID-19 schwer getroffen. Aber es gibt Signale des Aufbruchs. Veranstalter, Besucher und Aussteller zeigten sich mit der diesmaligen Ausgabe der modtissimo zufrieden.
Für die Veranstalter der Messe modtissimo in Porto war es fast eine Rückkehr zur Normalität. Mission erfüllt, melden die Betreiber, die portugiesische Textilindustrie und die die Einkäufer aus dem In- und Ausland seien wieder zusammengekommen. Knapp 200 Firmen präsentierten sich am 23. und 24. September im alten Alfândega do Porto. Zwar fiel der Andrang diesmal pandemiebedingt kleiner aus, dennoch waren laut Messe sogar 25 Prozent mehr internationale Einkäufer angereist als in der Vergleichssaison. In einer von Unsicherheit geprägten Zeit und dem Wunsch nach Normalität sei die modtissimo auch zum Symbol des Vertrauens und der Hoffnung geworden, sagt Manuel Serrão, CEO des Messeveranstalters Associação Selectiva Moda. Positive Signale für einen Industriezweig, der in den zurückliegenden sechs Monaten einen schmerzhaften Umsatzrückgang zu verkraften hatte.
Auch aus Deutschland kamen Einkäufer. Unter anderem Kambis Khederzadeh, Geschäftsführer von EXA MODE & TRENDS, Offenbach. EXA produziert vornehmlich DOB, aber auch Menswear. Normalerweise greift er auf Ressourcen in Rumänien zurück, aber Khederzadeh will das Risiko für Produktionsausfälle aufteilen. Für ihn habe sich der Besuch auf jeden Fall gelohnt und er werde erste Testproduktionen in Auftrag geben. Die drei jungen Designerinnen, Laura Hansen, Christine Maria Metz und Nora Hänska, haben sich erst vor kurzer Zeit mit ihren eigenen Labels selbstständig gemacht und sind ebenfalls auf der Suche nach Produzenten. Während Noras Marke HÄNSKA eigentlich schon zu den etablierten Taschenmarken gezählt werden kann und viel nach Asien exportiert, ist Laura Hansen im vergangenen Jahr mit ihrer Marke SAM LANG gestartet. Christine Maria Metz hat ihren Online-Shop, über den sie ihr Label AFORA.WORLD vertreibt, erst vor wenigen Wochen freigeschaltet. Was sie eint, ist gar nicht so sehr die Mode, für die sie arbeiten. Laura verkauft Streetwear für Mädels, Christine Unisex-Streetwaer-Basics. Vielmehr ist es die Möglichkeit, mit Kleinserien zu starten und in einer Qualität produzieren zu lassen, die den Ansprüchen der Fair Fashion genügt.
Ana Paula Dinis, Executive Director des Industrieverbandes „ATP – Associação Têxtil e Vestuário de Portugal“, berichtet von einem erwartbar schwierigen ersten Halbjahr 2020, in dem die COVID-19-Pandemie die für Portugal wichtige Textilindustrie bis an die Schmerzgrenze gebracht hat. Immerhin stemmt die Textilindustrie 9 Prozent der nationalen Exporte und beschäftigt 19 Prozent der Menschen in der Fertigungsindustrie. Portugal ist einer der großen Textilproduzenten in Europa und zählt nach Verbandsangaben 1.296 Unternehmen mit 138.750 Beschäftigten. Der Branchenumsatz (Bekleidung und Textil) lag im vergangenen Jahr bei 7,8 Milliarden Euro. Von Januar bis Juli dieses Jahres sackte allein der Bekleidungsumsatz gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 19 Prozent ab, die Produktion brach sogar um 37 Prozent ein. Die Beschäftigung ging in diesem Zeitraum um vergleichsweise moderate 4 Prozent zurück. Die Exporte verloren durch die Pandemie im gleichen Zeitraum rund 20,7 Prozent Umsatz (1,51 Milliarden Euro). Nach Spanien und Frankreich ist Deutschland der drittgrößte Abnehmer Portugals. Und während die Geschäfte in Spanien mehr als 29 Prozent einbüßten, lag der Rückgang der Verkäufe nach Deutschland bei 1,8 Prozent. Auch die portugiesische Textilindustrie verlegte sich auf die Produktion von Masken und konnte darüber sogar die Exporte nach Frankreich um insgesamt 4,9 Prozent auf 438 Millionen Euro steigern.
Keine einfache Ausgangslage für die Aussteller und dennoch war die Frequenz verhältnismäßig gut. Serrão denkt, die Tatsache, dass die modtissimo die einzige Messe auf der Iberischen Halbinsel war, habe für zusätzlichen Auftrieb gesorgt. André Medeiros, International Sales & Brand Development Manager von DIELMAR, berichtet von Mut machenden Gesprächen: „Die internationalen Kunden kommen“, sagt er, „und das ist, was zählt.“ Aus Frankreich, aus Spanien und sogar aus Deutschland und der Schweiz seien sie angereist. Die nationalen Kunden seien mit ihren Orders dagegen schon durch. Für sie sei diese Messe kein Thema. Der Manager berichtet von dramatischen Umsatzeinbußen von etwa 40 Prozent. Kein Wunder, DIELMAR fertigt Anzüge; die besondere Problematik der Anzughersteller in der Pandemie ist hinlänglich bekannt. Seine Kunden jedenfalls würden mehr aufs Lager zugreifen und weniger ins Risiko gehen. Medeiros bleibt „zuversichtlich für das nächste Jahr“. Wenn die Infektionszahlen steigen, müssten wir sowieso lernen, mit dem Virus zu leben. Die Hochzeiten würden nachgeholt und modisch habe sich das Label der neuen Situation mit der Verstärkung der Causalisierung schon angepasst. Andere Aussteller seien gekommen, nachdem weitere physische Messen wie die Première Vison in Paris abgesagt wurden.
Cristina Castro kümmert sich um die internationalen Messeauftritte des Institutes citeve. Sie zeigt sich glücklich, überhaupt wieder auf eine Messe gehen zu können. citeve habe alle Hände voll zu tun gehabt, um die Firmen in der Pandemie zu beraten und vor allem die hochgefahrene Maskenproduktion zu zertifizieren. „Trotzdem“, sagt sie, „stehen wir immer noch vor unsicheren Zeiten.“ Ob citeve auch zur NEONYT im Januar anreisen werde, sei noch offen und hänge von der aktuellen Ausbreitung von COVID-19 ab. Verbandschefin Dinis sagt, dass Portugals Textilfirmen gut gerüstet in die Zukunft gingen. Die Digitalisierung schreite voran und auch in Sachen Nachhaltigkeit hätten sich die Firmen positioniert. Auf der Weltbühne sei eine regionale Produktion zu einem echten Wettbewerbsfaktor geworden. Allerdings hänge auch sie in der globalen Lieferkette. Fehlten pandemiebedingt die Rohstoffe, könne auch nicht produziert werden. Die Verbandschefin schätzt, dass die Textilindustrie mit einem Umsatzminus von rund 20 Prozent aus dem Jahr gehe. Sie hoffe, dass die Erholung dann Ende des ersten Halbjahres 2021 einsetze. Dann werden auch die drei Berlinerinnen und ein Offenbacher ihren Anteil daran haben.