Tim McMillan & Rachel Snow – Reveries

Gehört – Gekauft

Kleinod für Verehrer der leisen, feinen Folk-Töne. ©Jeanette Atherton

Autor: Christoph Anders

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So reduziert sich diese filigrane Paar-Feinkost gibt, so überraschend voll ist sie in Klang und Wirkung. Tatsächlich ist nicht nur sämtliches zu bestaunende Instrumental- und Gesang-Werk allein von den beiden in der Interpretenangabe genannten Protagonisten geschaffen – so, wie wir die elf Songs hier genießen dürfen, könnten wir sie auch bei jeder sich bietenden Konzert-Gelegenheit dargeboten bekommen, hören wir doch nur zwei perfekt harmonierende, weiche Stimmen und das sich gemeinsam bereichernde Spiel auf Gitarre und Geige – das aber in einer derart kunstvoll-naturnahen Weise, dass es zur bleibenden Folk-Freude gereicht. Sich mit wenigsten Ausnahmen dabei auch allein auf das eigene Songwriting-Können verlassend (nur Jay Ungar & Molly Mason und Johann Sebastian Bach werden coverversionsweise gleichzeitig gekonnt und gefühlvoll zitiert), erschaffen die beiden kongenialen  Kunsthandwerker ihren ganz eigenen Art-Folk-Begriff, verbinden traditionelle Einflüsse von beiden Seiten des großen Wassers, lassen erfahrungsreiche Kenntnis von amerikanischem wie britischem Folk gleichermaßen durchschimmern, wie sie unaufdringlich die klassische Instrumentalausbildung zwischen den Zeilen spüren lassen. Bei der Gewichtung der instrumentalen Beiträge spielt die meisterlich gespielte Gitarre die tragendere Rolle, lässt an ganz große Folk-Saitenmeister denken, wobei immer wieder der späte, akustische Bruce Cockburn am inneren Ohr vorbeizieht, aber die höchst herzvoll-kunstreich gestrichene wie gezupfte Geige ist dennoch weit mehr als nur schmückendes Beiwerk, sondern setzt immer wieder prägende Zeichen und steht in ihrer virtuosen Verspieltheit dem Instrumentalpartner in nichts nach. Und auch wenn den rein instrumentalen Paarflügen erfreulich viel Platz eingeräumt wird, so zählen die Gesangsduette zu den Glanzmomenten dieses Albums, das so ganz und gar dazu angetan ist, dem Freund des rein akustisch dargereichten, artifiziell wie natürlichen Folk-Filigran-Handwerks zur dauerhaft währenden Freude zu gereichen. Ein wahres Kleinod für Verehrer der leisen, feinen Folk-Töne.

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Laura Marling – Song For Our Daughter

Ihre Musik hat sich hier schon etwas verändert. Zum Guten hin! Für meinen Geschmack eines ihrer bisherigen Highlights, wenn nicht sogar ihr bestes Werk. Ich vermeine (wenn auch teils eher unterschwellige und jeweils nur in einem Song), Annäherungen an Leute wie Laura Nyro, Leonard Cohen, Paul McCartney, Stephen Stills, vielleicht kurz Carole King zu hören, am stärksten jedoch sind (in zwei, drei Stücken und ja nicht zum ersten Mal) Parallelen zu Joni Mitchell auszumachen – sowohl der frühen als auch der ab circa Mitte der 1970er (teils in mehrfacher Hinsicht, sogar die Melodik betreffend).

Spät-60er-Edel-Pop und Art Folk Rock als loses Fließen ©Justin Tyler Close

Seventies-Songwriter-Pop-Einfluss (teils ins Zeitlos-Zeitgenössische übersetzt), ungewohnt rhythmisch geprägter Folk Rock, relativ sanfter relaxt pluckernder bis sehr intimer leiser Folk, zarter klassizistischer Spät-60er-Edel-Pop (reduziert mit punktuellem Streicher-Aufbrausen) und Art Folk Rock als loses Fließen in offenen Stimmungen mit ausgreifenden Melodiebögen wechseln sich ab (oder werden kombiniert). Große Teile sind akustisch gehalten und gesanglich liefert sie einige großartige Darbietungen ab (wozu auch diverse sehr schöne eigene Harmony Vocals gehören)! Ein rundum erstklassiges Album, sehr zu empfehlen!

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Fiona Apple – Fetch The Bolt Cutters

2-LP/CD. 20er, 8 Jahre nach der letzten LP (und erst 5 in 24 Jahren!). Und wieder überrascht sie, zelebriert ungemein originäre, eigenständige Musik, die teilweise klingt wie nichts anderes. Was nicht immer ganz leicht zu konsumieren ist, bei näherer konzentrierter Beschäftigung aber immens lohnt. Gesanglich extrem variabel, melodisch, herb oder gar spoken-word- bis rapartig, flüsternd, fordernd oder schroff, experimentierend in hohen Lagen wie sinnliche Momente, gefühlvoll oder emotional übersteigert, teils rhythmisch stark verankert (selbst die mehrfach wunderbar eingesetzten Harmony Vocals). Der instrumentale Teil ist längst nicht mehr so massiv auf das Piano zentriert (manchmal aber doch!), es wird teils von E-Piano oder Synth/Keyboards ersetzt (was zu einem völlig anderen Klangbild führt), anderswo fehlen jegliche Tasten. Und der Gesamteindruck ist ziemlich oft ein ausgesprochen rhythmusbetonter (was, wie schon gesagt, hier und da von den Vocals reflektiert wird), zum Teil innerhalb der Stücke höchst abwechslungsreich, insgesamt sowieso, partiell toll korrelierend mit der Art der Melodik, inklusive tricky/polyrhythmischer Ideen, mit packenden, etwas komplexeren, dabei phasenweise zugleich traditionsbasierten/dezent ethnobeeinflussten Grooves und zeitgenössischen Beats.

Außerweltliche kleiner Chor samt old-timey Folk.©Sony Music

Mehrfach stehen Drums und Percussion (gar mal in fast purer Form) klar im Vordergrund, ohne dass man irgendetwas vermisst. Der stilistische Hintergrund wirkt genauso variabel, verfremdete Folk-Elemente, schwarze Roots-Anleihen (relativ versteckt, inklusive Gospel), Pop absolut eigener unorthodoxer Art, (Modern) R-’n’-B-Tendenzen (ebenso individuell), punktuelle Avantgarde- oder Jazz-Spuren, alte Songwriter-Pop-Anklänge (Sixties-Ursprung), abenteuerlicher „Modern Prog“. Durchaus gibt es auch schwebende Klänge, zärtlich-lyrische Passagen, Balladeskes (teils konventioneller wie eher abgefahren), „spooky Pop“, kurz: einen außerweltlichen kleinen Chor samt old-timey Folk. Und jede Menge unerwartete Kontraste! Gern recht (bis massiv) reduziert, manchmal zeitweise vollmundig. Assoziationen, zwischendurch: zum Beispiel Tom Waits goes Avantgarde, Björk bezüglich ihrer Unberechenbarkeit. Ein außerordentliches Album!

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