Die Order ist angelaufen, aber noch läuft bei Weitem nicht alles rund. Musterteile kommen zu spät und die Nachfrage könnte deutlich besser sein. Klar. Aber bei Tageslicht betrachtet ist die Lage deutlich besser, als noch während des Lockdowns befürchtet. Die Zahlungsmoral und die Liquidität im Handel bieten Anlass zur Hoffnung. Wer hätte gedacht, dass dereinst Umsatzverluste von 10 und 15 Prozent noch als Werte durchgehen, die oberhalb des Marktdurchschnitts laufen? Das nämlich sind die Rückgänge, die KATAG-Vorstand Knut Brokelmann im FT-Interview für die anstehende Order veranschlagt. Industrie und Handel sind jetzt gefordert, kluge Lösungen zu finden, die einen Spagat zwischen realistischen Planzahlen für Neuware und der Integration der Restbestände dieses Sommers möglich machen, gleichzeitig aber auf der Fläche ein neues Bild schaffen und die Verbraucher zum Kauf animieren. Natürlich haben auch wir nach Trends und Bildern gefragt, die die Designer bei der Erstellung der aktuellen Kollektion Frühjahr/Sommer 2021 in sich tragen.
Es ist an der Zeit, sich neu zu ordnen. Covid-19 hat uns gelehrt, bescheidener zu werden und nicht blindlings der Wachstumsökonomie mit allen Konsequenzen hinterherzulaufen. Zuwächse wird es in der Branche in den nächsten Monaten kaum geben. Und auch der Globalisierungswahn, in dem sämtliche Lieferwege weltweit als Lager umgewidmet wurden, um Kosten zu minimieren auf Teufel komm raus, ist keine langfristige Lösung, selbst wenn die Unternehmen nach FT-Recherchen bei der Beschaffung recht gut durchkommen und eher beim Export rudern. Manche Produktionswege werden neu überdacht. Nachhaltigkeit und regionale Produktion wie zum Beispiel in Italien gewinnen weiter an Bedeutung. Das soll nun nicht heißen, Produktion aus Schwellen- und Entwicklungsländern wegzuverlagern und die Krise dort weiter zu verschärfen, sondern fairer zu gestalten. Da hilft die Ablehnung des Lieferkettengesetzes, das die Bundesregierung durchbringen will, wenig, denn wenn es nicht freiwillig passiert, müssen die Anreize, muss auch der Handlungsdruck steigen. Bei den Verbrauchern wird eine Zweiteilung sichtbar: Jene, die am liebsten wieder zurückwollen zum Status ante Corona mit Billigkäufen und Ballermann, und jene, die in der Pandemie ein deutliches Warnsignal sehen zu handeln. Und es bleibt jedem selbst überlassen, welche Gruppe er zu seinen Zielkunden zählen will. Zumal die Verbraucher es in der Hand haben, welche Produktionsbedingungen der Preis zulässt, den sie zu bezahlen bereit sind. Und hier schließt sich der Kreis. Wir brauchen nicht alles möglichst billig, sondern möglichst viel zu einem fairen Preis, von dem alle etwas abbekommen. Das heißt Verzicht beim Lieferanten und beim Händler, um bessere Preise in der Produktion zu bezahlen, und Verzicht beim Verbraucher, wenn er statt zwei, drei T-Shirts nur eines kaufen kann, das aber fair produziert wurde. Auch eine Art neue Bescheidenheit.
Aber wir haben dafür auch schöne Dinge im Überfluss, die wir unbedingt genießen sollten. Unser Musiktipp zum Beispiel. Viel Spaß beim Reinhören und vor allem den richtigen Riecher bei der Order wünscht
Ihr
Markus Oess