Autorin: Tays Jennifer Köper-Kelemen Das rapide Tempo neu erscheinender Kollektionen hat sich mit der Corona-Krise als Fallstrick für die Modeindustrie erwiesen. Wird sich die Branche nunmehr zugunsten der Nachhaltigkeit drehen oder ist nach einem Schreckmoment vielmehr „business as usual“ zu erwarten?
Zwei Kollektionen im Jahr? Das war einmal. Ob High-Fashion-Label oder Marke der Mitte – unlängst haben sich neben den Hauptkollektionen Pre Collections, Limited Editions und Co etabliert. Von Filialisten und Billigmode-Anbietern ist gar nicht erst groß zu reden: Quasi im Wochentakt gibt es neue Ware auf den Flächen. Ein Trend jagt den nächsten Trend. Dazwischen passiert nun die Corona-Krise. Zeitweiser Stillstand. Keine Produktion. Keine stationären Abverkäufe. Wird jetzt alles anders?
Eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey & Company sowie der Medienplattform Business of Fashion deutet: Ja. Bereits vor der Krise äußerten Konsumenten, Brancheninsider und Umweltschützer Kritik an der Überproduktion von Bekleidung und deren unverhältnismäßigem Konsum, es zeichnete sich ein Bedürfnis nach Veränderung ab. Die durch die Pandemie losgetretene „Konsumquarantäne“ könnte nun laut Erhebung einen Wandel noch beschleunigt haben. So sollen 21 Prozent der Befragten in Deutschland, Spanien und Großbritannien angegeben haben, dass sie selbst nach Wiedereröffnung der Läden weniger Kleidung kaufen wollen. Achim Berg, Experte für die Mode- und Luxusindustrie bei McKinsey & Company, kommentiert: „Wir erwarten zwar eine Phase der Erholung, die aber durch eine anhaltende Flaute bei den Ausgaben und einen Rückgang der Nachfrage über alle Kanäle hinweg gekennzeichnet sein wird.“
Dreht sich die Branche nun mehr in Richtung Nachhaltigkeit oder stellt sich nach einem Schreckmoment vielmehr wieder „business as usual“ ein? Fest steht: Nachhaltige Mode an sich geht nach wie vor mit höheren Kosten einher und nicht jeder Konsument verfügt über ein entsprechendes Portemonnaie. Ein Aus für Billigmode scheint höchst fraglich. Und doch ist nicht von der Hand zu weisen, dass aktuelle Umfragedaten und diverse Expertenmeinungen eindeutig für einen Umbruch sprechen. Nach McKinsey & Company steht dieser speziell in Korrelation mit einer wachsenden Antipathie gegen abfallerzeugende Geschäftsmodelle sowie erhöhte Erwartungen an nachhaltiges Handeln im Allgemeinen und digitalen Wandel. Bricht die Schere um die Lager zwischen hochwertiger, womöglich auch regional produzierter Mode und leicht erschwinglicher Bekleidung aus Übersee noch weiter auf?
So oder so, es bleibt zu konstatieren, dass ein geringerer Konsum seitens der Endverbraucher Nachhaltigkeit in den Markt zwingen und fürs Erste wohl eine Neuordnung in Unternehmen nach sich ziehen würde – hin zu weniger Tempo, mehr Digitalisierung und/oder Secondhand-Konzepten. Es stellt sich die Frage, inwieweit das Gewohnheitstier Mensch für eine neue Philosophie und Lebensart langfristig auf sein vertrautes Überangebot zu Billigpreisen verzichten kann und will. Der französische Schriftsteller Jean de La Bruyère (1645–1696) erkannte zumindest bereits: „Zwei ganz verschiedene Dinge behagen uns gleichermaßen: die Gewohnheit und das Neue.“