Larkin Poe – Self Made Man

GEHÖRT – GEKAUFT

2020er Voll-, Kraft-, Druck- und Prachtwerk, das sich zu seiner packenden Reife entwickelt hat. Larkin Poe ©Aloysius Lim

Autor: Christoph Anders

WERBUNG

Es ist wirklich ein wahres Geschenk, wenn man die Entwicklung einer Band haut- und zeitnah erleben darf, zumal, wenn es sich dabei über die Jahre mehr und mehr herausstellt, dass es die eigene Lieblingsband geworden ist. Trotz einiger zarter Verbindungsversuche in dieser Richtung werde ich die Schwestern wohl doch nie beim Festival-Auftritt im Glitter-Garten erleben, so bleibt aber – uns allen – die Hoffnung, Rebecca und Megan möglichst bald wieder in einem der gastfreundlicheren Clubs hierzulande begrüßen zu können, wo sie beweisen, dass ihr über die Jahre gewachsener und gereifter, elektrisierend eigener Blues-Roots-Rock nicht nur perfekt auf Platte, sondern mindestens ebenso gut auf der Bühne zündet. Bis dahin haben wir neben dem herrlich wachsenden Backkatalog (wohl dem, der all die Alben sein Eigen nennen darf, ist das Spät-Nachkaufen bei solch prachtvollem Hör-Gut gerade hierzulande doch ein mitunter unmögliches Unterfangen) jetzt das 2020er Voll-, Kraft-, Druck- und Prachtwerk, welches sich aus der natürlichen Folge der beiden Vorgänger Peach und Venom & Faith zu seiner packenden Reife entwickelt hat. Im Laufe der beiden wuchtigen Wurzel-(Vor-)Werke haben die beiden himmlisch harmonierenden Schwestern ihre eigene, derb-deftige, vehement verzerrte, griffig-groovende, energisch-elektrisierende, schillernd-schöne Roots-Rock-Sprache weiterentwickelt, gepflegt und perfektioniert und legen jetzt mit dieser elf Lovell-Originale umfassenden Strom-Song-Sammlung die Krönung ihrer Heavy-Southern-Boogie-Blues-Country-Garage-Glam-Rock-Kunst vor. Als Sängerin wächst Rebecca kraftvoll und verführerisch über sich hinaus und in den Slide-, Steel- und Twang-Saiten-Spielen sind die Schwestern ohnehin Meisterinnen ihres Fachs. In elf auf den groovend kochenden Punkt gespielten Energie-Attacken werden vehement verzerrte White-Stripes-Riffs und hart-heftige Led-Zeppelin-Leidenschaft, Joan-Jett-Hymnen, T.-Rex-Glam und gleißend-griffiger, selig-silbriger Cooder-Slide-Segen, laszive Alannah-Myles-Macht und edel-erfahrungsreiche Bonnie-Raitt-Roots-Eleganz zur einzig wahren Wurzel-Wucht vereint, dass dem Verehrer nur noch das Verneigen und Niederknien bleibt. Die Lovell-Schwestern legen ihr griffig-gereiftes Glanzstück vor. (cpa)
Obacht: Megan und Rebecca haben sich die Mühe gemacht, in Handarbeit 51 Larkin-Poe-Wimpel mit ihrer Unterschrift zu vergolden, und sie trotz Corona-Krise auf den weiten Weg zu uns gebracht. Diese dürfen und werden wir gern den 50 ersten Bestellern des Albums kostenfrei beilegen.

LP/CD im Glitter Shop kaufen (21,95 Euro/13,95 Euro)

Chelsea Williams – Beautiful And Strange

Was hier zunächst galant und glatt, dabei nahezu ungehörig eingängig in der köstlichen Country-Pop-Mitte zwischen Twain und Twang beginnt, entwickelt sich zu einer ungemein vielschichtigen Kostbarkeit der gehoben-gefälligen Singer-Songwriter-/Americana-Kunst der wohlgestalten Sorte und vereint vor allem in der klaren, warmen, weichen Stimme der Protagonistin eine Vielzahl von positiv besetzten Vergleichsmöglichkeiten und in den herrlich klangfarben- und spielideenreichen Arrangements eine derartige Fülle an angenehmen akustischen Momenten, dass es eine einzige Freude wird, ist und bleibt. Die von Chelsea (göttlicher Gesang, Saiteninstrumente und Songwriting) gemeinsam mit ihrem Gatten Ross Garren (Mellotron, Piano, Rhodes, Wurlitzer, Toy Piano, Bass-, Chord-, Chromatic- und Polyphonia-Harmonicas, Streicher-Arrangements und Programming) produzierte Elf-Song-Schmuckstück-Sammlung wird getragen von einer lückenlosen Kette vom ersten Moment an fesselnder, bleibend wirkender Melodien, die sich dauerhaft im musikalischen Gourmet-Gedächtnis festsetzen. Einen gehörigen Anteil an der harmonischen Hartnäckigkeit haben, neben Chelseas betörender Stimme zwischen Brandi Carlile, Norah Jones, Sara Bareilles, Karen Carpenter, Ane Brun und Kacey Musgraves (ich hätte nicht gedacht, dass ich diese sechs Namen in voller Überzeugung einmal in einer einzigen Vergleichslistung versammeln würde), auch die himmlische, zum Teil leidenschaftlich-vollmundige Arrangementfülle und Vielfalt der Instrumentierungen, die neben den genannten Tastenzaubereien auch zahlreiches Saiten-Spiel-Werk von zitternden Mandolinen bis hin zu singend-schwebenden Steel-Gitarren, Glockenspiel, Streicher- und Bläser-Ensemble-Einsätzen bieten.

Eine verlockende Sternstunde des gehobenen Singer-Songwriter-Pop ©Chelsea Williams

Und so entsteht in einem unglaublich ohr-, herz- und gefühlfreundlichen, betörend-verlockenden Melodien-Meer eine magische Melange aus mal schlicht-akustischem, mal elegantem Folk-Pop, seligmachender Singer-Songwriter-Kunst, beschwingtem Country Waltz, Beach-Boys-Ideen-Fülle, artistischen Arrangements, traumgleichen Schwebstoffen, melancholischen Mary-Hopkin-Balladen-Momenten und gefühlvollem Gospel-Soul-Segen eine ebenso eigene wie verlockende, perfekte Roots-Pop-Mischung, die nicht nur durch ein perfekt (um-) gesetztes While-My-Guitar-Gently-Weeps-Zitat auch die Nähe zu den Glanzmomenten der britischen Popgeschichte betont. Eine verlockende Sternstunde des gehobenen Singer-Songwriter-Pop, getragen, geprägt und gesegnet von einer ebenso natürlich schönen wie bleibend betörenden Stimme.

WERBUNG

LP/CD im Glitter Shop kaufen (19,95 Euro/15,95 Euro)


Trixsi – Frau Gott  

LP/Ltd. col. LP/CD. „Bisschen Keller, bisschen dreckig, bisschen Rock, ganz viel Hamburg!“ Das sagen Trixsi auf Facebook über Trixsi und es beschreibt das erste Album dieser alles andere als jungen Band ziemlich treffend. Was dieses Debüt ganz natürlich von klassischen Erstlingswerken unterscheidet, ist die jahrzehntelange Banderfahrung, die alle fünf Trixsis aus den genannten Kapellen mitbringen. Paul Konopacka, Bassist bei Herrenmagazin, spielt hier die Drums, Torben Leske, ebenfalls Herrenmagazin, die eine, Kristian Kühl, ehemals Findus, die andere Gitarre, am Bass der frühere Jupiter-Jones-Bassist Klaus Hoffmann und am Gesang Jörkk Mechenbier, bekannt von Love A und Schreng Schreng & La La. Beim Versuch einer Verortung des Resultats schreckt Jörkk nicht einmal vor der Schublade Deutschrock zurück, die Indie-/Alternative-/Punk-/Post-Irgendwas-Anhänger*innen ja eher schwarz vor Augen werden lässt.
Dabei ist „Frau Gott“ viel bunter, als ihr Pressesprecher uns weismachen will. Die elf Songs sind so vielfältig und -schichtig wie ihre fünf Komponisten; von der stinknormalen Alltagsverzweiflung („Menschen“) über den zum Scheitern verurteilten Versuch sinnloser Anpassung („Stetig/Redlich“ oder „Ab Morgen“) bis hin zu infantilsten Albernheiten („7 Oder 9“) ergießen sich Trixsi instrumental und textlich facetten- und abwechslungsreich.

„Bisschen Keller, bisschen dreckig, bisschen Rock, ganz viel Hamburg!“
©Lucja Romanowska

Das Leben wurde ja auch ein bisschen erfunden, um immer wieder daran zu scheitern, wenn man gerade dachte, man könnte die Kurve doch noch irgendwie bekommen. Das ist es, worüber Trixsi spielen und singen. An manchen Stellen kann man auf Pavement stoßen („Menschen“), dann begegnen wir Momenten von Brit Pop der zweiten Welle à la Arctic Monkeys oder Maxïmo Park („Autobahn“), fühlen uns an Sebadoh („Stetig/Redlich“) oder Built to Spill („Ab Morgen“) erinnert. Und auch bei drohender Endteilzeitstimmung verlieren Trixsi nicht den Humor und bewahren sich ihre Selbstironie. Die Absurdität und Unzulänglichkeit des menschlichen Seins zu vertonen, nichts Geringeres ist diesem Debüt gelungen. Ein feucht-melancholisches Hoch auf Trixsi und jetzt: „Für immer liegen bleiben!“

LP/CD im Glitter Shop kaufen (17,75 Euro/18,75 Euro/15,75 Euro)