Autor: Andreas Grüter
Mit seiner Mode für Kleinwüchsige hat sich das Berliner Label AUF AUGENHOEHE längst über die Grenzen Deutschlands hinaus einen Namen gemacht. Ob und wie das Business aus der Nische in Zeiten von Corona funktioniert, beantwortet Gründerin Sema Gedik im Interview.
FT: Corona hat den Alltag ordentlich durcheinandergebracht. Wie wirkt sich die Krise auf ein Nischenlabel wie eures aus?
Sema Gedik: „Uns hat es auch erwischt. Im AUF-AUGENHOEHE-Team sind zwar alle gesund, trotzdem ist die aktuelle Krise für uns sehr beängstigend und bedrückend. Wir sorgen uns um unsere Familie, Freunde, aber auch um unsere Community, die Kundschaft und unsere Partnerinnen und Partner, mit denen wir eng zusammenarbeiten. Und natürlich um die Leute, die unsere Produkte herstellen. Wir treffen alle nötigen Maßnahmen, um sie zu schützen, und nehmen unsere Verantwortung als Unternehmen hier sehr ernst. Wir sind natürlich in einer privilegierten Situation: Unser Kernteam gehört nicht der Risikogruppe an, wir können unsere tägliche Arbeit fast vollständig von zu Hause erledigen und Meetings oder Teamsitzungen lassen sich wunderbar auch online abhalten. Allerdings wissen wir auch, dass Krisenzeiten immer viel Kreativität, einen Plan B oder C und natürlich den Erhalt der Gesundheit erfordern. Die Unterstützung, das Vertrauen und der Zusammenhalt vom Team und der Community sind dabei unabdingbar und wir schätzen uns glücklich, dies Tag für Tag zu spüren.“
Ihr produziert ausschließlich lokal. Gab es Engpässe bei den Stoffen oder in der Produktion?
„Wir produzieren mit lokalen Partnern in Berlin. Auf kurzen Lieferwegen und in enger Absprache. So können wir auch unsere ‚Made to Order‘-Bestellungen weiterhin anbieten und es kann wie gewohnt alles im Online-Shop bestellt werden. Hier ändert sich also nichts weiter. Bisher hatten wir keine Engpässe bei Materiallieferungen. Sollte es bei einzelnen Produkten doch zu verzögerten Lieferzeiten kommen, setzen wir uns umgehend direkt mit unseren Kundinnen und Kunden in Verbindung. Wir vertrauen auch hier auf eine transparente und offene Kommunikationskultur, die wir auch in Krisenzeiten weiter pflegen wollen.“
Wie haben sich die Verkäufe entwickelt?
„Unsere Verkaufszahlen steigen stetig. Es ist aber auch ein neuer Markt, den wir erobern. Stück für Stück gewinnen wir Kunden aus der ganzen Welt und bleiben dabei ambitioniert und experimentierfreudig. Insgesamt war das erste Quartal 2020 unser bisher stärkstes und wir sehen dabei sehr deutlich, wie sich unsere Erfahrung mehr und mehr in einem Plus beim Umsatz zeigt.“
Musstet ihr geplante Aktionen aufschieben oder absagen?
„Wir hatten für diese Frühjahr/Sommer-Saison eigentlich geplant, mit Partnershops zu arbeiten, um unseren Kunden die Möglichkeit zu geben, AUF-AUGENHOEHE-Produkte im Geschäft anzuprobieren und auch dort direkt zu kaufen. Leider müssen wir uns hier erst einmal gedulden, weil die Einzelhandelsgeschäfte ja auf unbestimmte Zeit schließen mussten und erst jetzt zaghafte Öffnungen stattfinden. Viele Events wurden abgesagt, unter anderem die weltweiten jährlichen Treffen der Kleinwuchs-Verbände, die zu unseren absoluten Highlights des Jahres gehören. Wir besuchen die mehrtägigen Veranstaltungen schon seit einigen Saisons, zeigen und verkaufen unsere AUF-AUGENHOEHE-Produkte, organisieren Shootings und Modenschauen, geben Nähworkshops, vermessen Menschen mit Kleinwuchs, um unsere Schnitte zu optimieren, und holen direktes Feedback ab.“
Seht ihr für euch auch Chancen in der Krise?
„Wir nehmen die aktuelle Lage sehr ernst und werden als Label weiterarbeiten. Deswegen möchten wir gemeinsam mit allen Partnern eine Lösung finden. Um ehrlich zu sein, war in unserem Finanzplan die Corona-Krise nicht mit einkalkuliert. Die kommende Zeit wird nicht einfach, aber solange wir als Gesellschaft zusammenhalten, kriegen wir das hin und sehen so auch Chancen für uns in der Krise! In diesem Sinne: Bleibt sicher und bleibt zu Hause.“